Ein falsches Gesicht

Ein falsches Gesicht

Mein Pausenbrief am 1.Mai

Ich wünsche wie immer viel Freude beim Lesen und wünsche noch einen schönen Sonntagabend!

Ein falsches Gesicht

Liebe Leserinnen, liebe Leser meines Pausenbriefes,

"Pokerfaces" werden Manager*innen oft genannt. Für die meisten Menschen auf dieser Welt wird die Tätigkeit international agierender Führungsriegen immer unverständlicher, und man unterstellt ihnen eine Art "Hollywoodisierung" der Kommunikation in Wirtschaft, Politik und Kultur. Gelenkt von PR-Büros und Maskenbildnern würden sie zu Marionetten des global plays. Dahinter steht wahrscheinlich die Befürchtung, dass Manager*innen alles nur schauspielern, nie etwas ernst meinen und ein falsches Gesicht aufsetzen, solange eben ein Publikum da ist.

Das ist ein Vorurteil. Zunächst mal in Bezug auf die Schauspielkunst. Es ist schlicht verkehrt, dass "Schauspiel" Lüge sei, und nur, weil das Vorurteil sich wacker hält, wird sein Beweggrund nicht wahrer. Faktum ist, die Welt des Theaters und des Kinos hängt an der uralten Erkenntnis, dass wir auf den "Schein" angewiesen sind, damit sich unser "Sein" überhaupt zeigen kann. Ebenso ist es ein Faktum, dass Manager*innen keine Schauspieler*innen sind. Und doch, behaupte ich, benötigen sie durchaus Tools wie sie zum Beispiel im klassischen Schauspielunterricht ausgebildet werden, nämlich um ihr eigenes Profil praktisch gestalten zu können! Das Losungswort heißt hier Authentizität.

Ich möchte also eine Lanze brechen zwischen der Notwendigkeit, sich professionell zu präsentieren und der Absage an falsche Freunde. Mit den durch die Corona-Pandemie radikal veränderten Präsentations- und Repräsentationsbedingungen wird es täglich wichtiger zu wissen, was "Auftritt" bedeutet:

Digitalisierte oder hybride Veranstaltungen machen das Publikum auch für Manager*innen immer größer; das Podium ist längst eine weltweit vernetzte Bühne; Interaktion braucht mehrspurige Ansprache; Übertragungstechnologien zoomen, vervielfachen oder doppelklicken Mimik wie Gestik von Rednerinnen und Rednern in einer Weise, von der diese in ihrer individuellen Fachausbildung nicht geträumt haben dürften. Und natürlich sind gerade auch Manager*innen nicht vor dem Urphänomen des Theates gefeit: dem Lampenfieber! Hilfe, wie gehe ich mit dem Hänger um? Der Scheinwerfer ist weg, mein Lichtzeiger runtergefallen und kullert Richtung Rampe – was tun?

An exakt dieser Stelle werden Schauspieltools, Tips und Tricks der alten Hasen zur Qualifikation: Wer einmal auf einer Bühne live mit einer Notsituation umgehen musste, wird Atemübungen, gezielte Stimmführung, Körper- und vor allem die Improvisationsarbeit nicht mehr schelten. Zu schauspielern bedeutet nicht, etwas Falsches, Unechtes, gar Manipulatives zu tun, sondern das Richtige in genau dem Moment, der sich nicht proben lässt. Noch präziser: Zu schauspielern wissen ist die Kunst, auf der Bühne echt zu sein unabhängig der Rollen, die einem zufallen.

Breathe!

Herzlich, Ihre Violeta Mikić

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