Ein Perspektivenwechsel: Die Digitalisierung im Fokus
Als Digitalisierungs-Enthusiast verfolge ich mit großem Interesse viele Themen hier bei LinkedIn. Doch immer wieder fällt mir auf, wie leicht vom eigentlichen Thema abgelenkt wird auf andere Themen wie z.B. Frauenquoten. Bisher habe ich das ignoriert, aber nach einigen Kommentaren zu einer kürzlichen Veranstaltung kann ich nicht anders und möchte hier meinen Gedanken einen Platz geben.
Bevor ich eine kontroverse Diskussion starte, möchte ich einen Perspektivenwechsel anregen. Es geht mir nicht darum, die Relevanz der Geschlechtervielfalt in Frage zu stellen, sondern vielmehr darum, wie wir sicherstellen können, dass wir beim Thema Digitalisierung im Gesundheitswesen den Fokus auf das Wesentliche richten: die Digitalisierung selbst.
Was ist passiert? Kernthema einer kürzlichen Veranstaltung war „Mut zur Digitalisierung“ in der Medizin (besonders im niedergelassenen Bereich). Ein Foto zeigte ein Panel mit 5 Männern (neben auch anderen Fotos) und die ersten Kommentare lobten nicht den „Mut zur Digitalisierung“ sondern bezogen sich allein auf die Frauenquote.
Ich kenne zufällig zwei der Anwender persönlich. Dort sitzen also zwei großartige junge „männliche“ Ärzte, die nicht anders können und jedem Ihrer Kollegen:Innen ständig in den Ohren liegen und davon schwärmen, wie viel Digitalisierung an Entlastung schafft. Diese Anwender geben auch jungen und kleinen Unternehmen eine Chance ohne weitere Bedingungen oder überzogene Erwartungen, geben Tipps für Praxisgründungen oder die Digitalisierung von Arztpraxen.
Aber auf dem Foto sieht man das nicht. Dazu müsste man sich ja näher mit den Damen und Herren auf dem Podium auseinandersetzen. Dazu fehlte aber wohl die Zeit. Was man nicht gesehen hat, war der Vortrag von einem Arzt zusammen mit einer MFA, die aus ihrem täglichen Alltag als NÄFA berichtet, welche Vorteile die Digitalisierung bringt.
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Warum macht mich aber diese und ähnliche Reaktionen auf Posts so emotional?
Ich bin nicht nur eine Frau, Entwickler und Nerd sondern auch Gründer einer IT-Firma, die sich das Thema Digitalisierung in der Medizin auf die Fahne geschrieben hat. Ich mache mir nichts daraus, von einem Vortrag zum nächsten zu wandern. Ich bin kein Influencer, ich erstelle keine Powerpoints oder Podcasts und plane auch nicht, wie die Interoperabilität in 10 Jahren aussehen soll. Letzteres ist wichtig, aber darauf können und wollen die meisten Anwender heute nicht warten. Ich spreche nicht gerne vor Leuten und schicke lieber meinen Mann, der auch gleichzeitig unser Geschäftsführer ist oder einen Gesellschafter. Ich löse lieber ein technisches Problem meiner Kundschaft pragmatisch, als auf mögliche Standard-Lösungen in ein paar Monaten oder Jahren zu verweisen.
Im Alltag sind meine wichtigsten Ansprechpartner und Entscheider für die Weiterentwicklung unserer Software die Anwender. Aber die sind in den Entscheidungsgremien meist nicht vertreten, genauso wie die meisten kleinen Firmen. Große Firmen setzen die Maßstäbe, die für kleine Firmen ohne dicke Finanzierungen nicht gestemmt werden können. Es werden große Pläne zu FHIR und Co. besprochen, dabei bekommen wir heute nicht mal eine GDT-Nachricht automatisch in viele Systeme rein, obwohl dies eigentlich für alle Systeme verpflichtend sein müsste.
Und dann gibt es diese digitalaffinen Anwender, die zum Glück immer lauter werden, präsentieren sich in Workshops und Veranstaltungen und anstatt uns zu freuen, wird auf die Frauenquote geschaut. Eine sehr unglückliche Entwicklung aus meiner Sicht.
Mein Fazit: Ich liebe es, Entwickler zu sein. Ich werde nicht besser nur weil ich mich „Entwicklerin“ nenne. Und wären wir im englischsprachigen Raum bin ich „just a code monkey“ und ich bin es gern. Gendern hat nichts mit der Digitalisierung im Gesundheitswesen zu tun und ist erst Recht keine Voraussetzung für eine erfolgreiche Umsetzung.