„Einer für Alle! Alle für einen!“ – Was macht selbst erfolgreiche Teams zerbrechlich?
Erinnerst du dich noch an das Frühjahr 1996 oder den Herbst 2003?
Damals konnte man in den Medien mit Millionen anderen Zeuge werden, wie Zehntausende ungehemmt in gemeinschaftliche Tränen ausbrachen, kreischend auf die Knie sanken oder gleich ganz in Ohnmacht fielen. 1996 soll es sogar Suizide gegeben haben!
Richtig: 1996 trennten sich „Take That“, nachdem Robbie Williams zuvor Solo ging. Und 2003 versagte den „No Angels“ schlicht der innere Antrieb, um weiterzumachen.
Ist es nicht verwunderlich, dass perfekt eingespielte Teams wie diese, welche über lange Zeit nachweislich ihre ungezählten Kunden glücklich machten und von Erfolg zu Erfolg eilten, dass diese Vorbilder irgendwann vor den Trümmern ihrer Gemeinschaft standen und diese wieder neu hätten aufbauen müssen? Lies hier, warum dies immer wieder geschieht.
Wir sind so...
Weil unsere Vorfahren dicht gedrängt auf Bäumen saßen, um schlotternd ihren Nachwuchs in klirrendkalten Winternächten vor dem Erfrieren zu schützen, später dann riesige Mammuts mit schlichten Holzstangen erlegten, beeindruckende Pyramiden in Sandwüsten auftürmten und in einer technischen Meisterleistung zum Mond flogen, ist Teamarbeit für uns nicht erst heute selbstverständlich geworden.
Aber auf welchem Weg gelangt ein Team zu echter Performance, zu Höchstleistungen? Und warum gibt es so viele Gruppen, die nicht grandiose Ergebnisse erreichen, sondern oft genug im Kleinkrieg des Alltags zerbrechen?
„Und täglich grüßt das Murmeltier.“
Bereits 1965 verdeutlichte Tuckman in seinem Modell, dass jede arbeitsteilige Gruppe auf ihrem Weg zu echter Performance (4) vier Phasen durchläuft, ja sogar durchlaufen muss.
Erst wenn die letzte Phase erreicht ist, erzielt ein Team beträchtlich mehr Effektivität als die Summe der Einzelleistungen ihrer Mitglieder. Doch der Weg dorthin ist mit Anstrengungen verbunden, denn es geht stetig bergauf auf dem Weg zum Gipfel der Performance. Und es gibt leider keine Garantie für den Erfolg am Ende des Prozesses!
Manche Gruppen verweilen während ihres Aufstiegs sehr lange auf halber Höhe im Storming (2) oder bestenfalls Norming (3). Selten gelangen andere mühelos durch alle Phasen.
Noch mehr Teams rutschen - bildlich gesprochen - den Abhang wieder unvermeidlich hinunter. Sie müssen die vorherige Phase des Aufstiegs erneut angehen oder - leider allzu oft - vollends aufgeben.
Ein Helikopter zum Performance-Gipfel wäre eine nette Lösung! In unserem Schaubild ist das jedoch dramatisch gescheitert. Direkt und mühelos vom Forming (1) im Tal in das Performing (4) auf dem Gipfel zu gelangen, wird wohl ein Traum bleiben: Gruppen müssen durch alle vier Phasen durch! Sie können bestenfalls durch Hilfe von außen ein besseres Rüstzeug für die steilen Passagen erhalten.
Schauen wir uns das Modell genauer an, so ist die Phase des Storming (2) schnell als „Übeltäter“ für misslungene Anläufe des Teams zum Gipfel der Performance ausgemacht. Der Name ist Programm.
So weit so gut. Doch was hat das nun mit „Take That“ oder den „No Angels“ in unserer Arbeitswelt der Normalsterblichen zu tun?
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Warum es sich kaum verhindern lässt.
Bruce Tuckman betrachtet die Abfolge der Phasen als geschlossenen Kreislauf; ich stelle sie mir gerne als Gipfelwanderung vor. Trotz großen Engagements schafft es nur eine Minderheit der Teams, mittel- oder langfristig in der Phase des Performing (4) zu verweilen. Irgendwann kommen sie wieder ins Rutschen und landen im Re-Forming (1).
Eine bedeutsame Ursache: Schrittweise verhandelte Ergebnisse des Norming (3), quasi die fundamentale Basis des Miteinanders, bleiben bestenfalls so lange stabil, wie die Teamzusammensetzung unverändert Bestand hat. Das heißt, eine neue Kollegin oder ein neuer Kollege im Team wird unweigerlich zu Beginn ein Störfaktor im Netz der Beziehungen sein, egal wie gut sie oder er zum Start hineinzupassen scheint. Es beginnt unvermeidlich die nächste „Tour auf den Berg“: Für das gesamte Team.
Ein weiterer Auslöser kann sein, dass die in Phase 3 vereinbarten Normen des Teams durch starke Veränderungen des Umfeldes – trotz bester Absicht - nicht mehr einzuhalten sind. Viele Organisationen sind heute immer häufiger von Umstrukturierungen jeglicher Art gefordert. Das ist betriebswirtschaftlich meist unumgänglich und soll am Ende zu mehr Performance führen. Rücksetzer der Team-Performance a la Tuckman sollten dabei mit eingepreist sein.
Was tun?
Wie lange der Kreislauf oder Gipfelaufstieg dauert, hängt u.a. davon ab, ob die Gruppe eben dieses Modell von Tuckman überhaupt kennt und folglich in ihrem Verhalten er-kennt. Übrigens eine typische Aufgabe für Führungskräfte, dies zu fördern!
Wir alle könnten zumindest gelassener mit dem Unvermeidlichen umgehen, indem wir uns (gegenseitig) erinnern, was Tuckman 1965 erstmals in seinem Modell der Teamentwicklungsphasen beschrieb. Seit Zehntausenden Jahren wiederholt sich dieses Grundprinzip.
Wir könnten also Kolleginnen und Kollegen helfen, die Phasen und auf jeden Fall deren Wiederholung zu verstehen und zu akzeptieren. Schließlich will sich niemand eines Tages ungewollt in der allerletzten Phase des Modells von Tuckman wiederfinden: dem Adjourning (5) – der Trennung.
Übrigens feierten "Take That" (2005) und die "No Angels" (2021) tatsächlich ihre Wiedervereinigungen. Bruce Tuckman (+ 2016) hätte vermutlich geschmunzelt.
Fazit
· Teamarbeit ist heute so essenziell für unsere Weiterentwicklung wie schon vor Tausenden von Jahren.
· Der Weg zur echten Performance als Team ist zuweilen mühsam bis unmöglich.
· Einmal "oben angekommen", können scheinbar unbedeutende Einflüsse von außen ein erfolgreiches Team zu einem Neustart in die vier Teamentwicklungsphasen zwingen.
· Dies sich und anderen bewusst zu machen, indem das Modell von Tuckman erklärt wird, macht es leichter vorübergehende Instabilitäten souveräner zu durchleben.
Und Du?
In welcher Phase bist du gerade mit deinem Team?