Entwicklungspolitik im Wandel: Gestalterin der Zukunft oder Nebenaußenministerium?
englische Version below
von Frank Tetzel, Geschäftsführender Vorstand der Carl Duisberg Gesellschaft e.V.
Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) , speziell Bundesministerin Svenja Schulze verfolgt eine ambitionierte Vision: Die deutsche Entwicklungspolitik soll zu einem zentralen Akteur in den internationalen Beziehungen werden und multilaterale Lösungen für globale Herausforderungen wie Klimawandel, soziale Ungleichheit und bewaffnete Konflikte vorantreiben. Dabei geht es um weit mehr als klassische Entwicklungshilfe – es geht um Partnerschaften auf Augenhöhe und die Gestaltung einer gerechten Weltordnung. Doch diese Neuausrichtung wirft Fragen auf: Verliert die Wirtschaftspolitik an Bedeutung? Bildet sich ein Nebenaußenministerium? Und wie viel Staat braucht eine wirksame Entwicklungspolitik?
Ein neuer diplomatischer Player?
Schulzes Konzept positioniert das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) als Akteur mit starker diplomatischer Rolle. Sie beschreibt die Entwicklungspolitik als „Soft Power“, die Vertrauen schafft, Allianzen schmiedet und Brücken baut. Internationale Konferenzen wie die „Hamburg Sustainability Conference“ sollen als Plattform für den Dialog zwischen Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft dienen.
Diese Ausrichtung weckt den Eindruck, dass sich das BMZ zunehmend Aufgaben aneignet, die traditionell im Zuständigkeitsbereich des Auswärtigen Amtes liegen. Während multilaterale Dialoge und globale Kooperationen zweifellos wichtig sind, stellt sich die Frage, ob es eine klare Abgrenzung zwischen Außen- und Entwicklungspolitik geben muss, um Kompetenzüberschneidungen und Ressourcenkonflikte zu vermeiden. Besteht die Gefahr, dass das BMZ zu einem „Nebenaußenministerium“ wird?
Wirtschaft auf der Strecke?
Ein zentraler Kritikpunkt betrifft die Rolle der Wirtschaft. Während Schulze multilaterale Lösungen und Klimaschutz in den Vordergrund stellt, bleibt unklar, ob die wirtschaftliche Zusammenarbeit – die explizit im Namen des Ministeriums verankert ist – noch eine Hauptsäule der deutschen Entwicklungspolitik bildet. Gerade der Privatsektor ist jedoch essenziell für nachhaltiges Wachstum, den Aufbau von Infrastruktur und die Schaffung von Arbeitsplätzen in Partnerländern.
Ohne wirtschaftliche Kooperation könnten Länder des Globalen Südens verstärkt auf andere Akteure wie China zurückgreifen, die durch massive Investitionen ihren Einfluss ausbauen. Deutschland riskiert damit, nicht nur als Partner, sondern auch als wirtschaftlicher Akteur ins Hintertreffen zu geraten. Die Frage lautet also: Soll die Entwicklungspolitik tatsächlich auf wirtschaftliche Eigeninteressen verzichten, oder bedarf es neuer Formen der Zusammenarbeit, um beide Seiten zu stärken?
Staatliches Engagement versus private Investitionen
Schulze betont die Bedeutung privater Investitionen und fordert neue Finanzierungsinstrumente, um diese zu mobilisieren. Doch wie können staatliche Unterstützung und privatwirtschaftliche Initiative sinnvoll koordiniert werden, ohne den Markt zu überregulieren? Zu starke staatliche Steuerung könnte Unternehmen abschrecken, während ein Mangel an politischem Rahmenwerk Investitionen unattraktiv macht.
Ein weiteres Dilemma ergibt sich aus der Finanzierung: Schulzes Ziel, mindestens 0,7 Prozent des Bruttonationaleinkommens für öffentliche Entwicklungsleistungen bereitzustellen, könnte in Zeiten knapper Haushaltsmittel innenpolitisch auf Widerstand stoßen. Zudem bleibt fraglich, wie weit Deutschlands Einfluss reicht, um internationale Finanzarchitekturen, etwa durch eine globale Mindeststeuer, zu verändern.
Legitimität und Akzeptanz
Eine breite Akzeptanz der Entwicklungspolitik in der Bevölkerung ist essenziell. Schulze plädiert für einen Paradigmenwechsel hin zu echter Zusammenarbeit und gegenseitigem Respekt. Doch wie lässt sich diese Botschaft in einem politischen Umfeld vermitteln, das zunehmend von populistischen Tendenzen geprägt ist? Skeptiker könnten Schulzes Ansatz als idealistisch abtun, besonders wenn nationale Herausforderungen wie Bildung oder Infrastruktur als unterfinanziert wahrgenommen werden.
Was wird aus den strategischen Eigeninteressen?
Entwicklungspolitik kann und muss auch zur Sicherung eigener Interessen beitragen, beispielsweise beim Zugang zu Rohstoffen oder durch Investitionen in grüne Energien wie Wasserstoff. Schulze erwähnt diese Punkte, doch bleibt unklar, wie diese strategischen Ziele im Rahmen der multilateralen Diplomatie effektiv verfolgt werden sollen. Ohne wirtschaftliche Anreize und verlässliche Partnerschaften könnte Deutschland in vielen Partnerregionen an Einfluss verlieren.
Mehr Partnerschaft, weniger Hilfe – aber wie?
Die Abkehr vom klassischen Bild der Entwicklungshilfe ist richtig, doch der Erfolg hängt von der konkreten Umsetzung ab. Besonders in fragilen Regionen ist eine Stärkung der Zivilgesellschaft und der Schutz von Menschenrechten unabdingbar. Gleichzeitig braucht es wirtschaftliche Impulse, um Stabilität zu fördern. Hier könnte eine zu einseitige Fokussierung auf staatliche Instrumente kontraproduktiv sein. Gerade bei Infrastrukturprojekten und der Klimaanpassung sind Unternehmen unverzichtbare Partner.
Balanceakt zwischen Diplomatie, Wirtschaft und Entwicklung
Svenja Schulzes Vision einer modernen Entwicklungspolitik zielt darauf ab, globale Probleme mit multilateralen Lösungen anzugehen und Partnerschaften auf Augenhöhe zu schaffen. Doch diese Neuausrichtung birgt Risiken. Wird das BMZ zu einem diplomatischen Akteur, der Kompetenzen anderer Ressorts übernimmt? Droht eine Vernachlässigung wirtschaftlicher Zusammenarbeit? Und wie soll die Balance zwischen staatlicher Steuerung und privatem Engagement gelingen?
Um die deutsche Entwicklungspolitik als zukunftsfähiges Instrument zu etablieren, braucht es nicht nur ambitionierte Ziele, sondern auch eine klare Strategie: Sie muss wirtschaftliche Eigeninteressen und globale Verantwortung in Einklang bringen und sowohl diplomatische als auch wirtschaftliche Akteure einbinden. Denn nur durch ein starkes Zusammenspiel von Staat und Privatsektor kann Deutschland seinen Beitrag zur Lösung globaler Herausforderungen leisten – ohne dabei an wirtschaftlicher Stärke und politischem Einfluss einzubüßen.
Development Policy in Transition: Shaping the Future or Becoming a Parallel Foreign Ministry?
Federal Minister Svenja Schulze has an ambitious vision: German development policy should become a key player in international relations, driving multilateral solutions for global challenges such as climate change, social inequality, and armed conflicts. Her approach goes far beyond traditional development aid – it’s about partnerships at eye level and the shaping of a just global order. Yet, this realignment raises questions: Is economic cooperation being sidelined? Is a parallel foreign ministry emerging? And how much state control is needed for effective development policy?
A New Diplomatic Player?
Schulze’s vision positions the Federal Ministry for Economic Cooperation and Development (BMZ) as a diplomatic force. She describes development policy as “soft power” that builds trust, forges alliances, and strengthens global partnerships. Platforms such as the "Hamburg Sustainability Conference" are intended to foster dialogue between policymakers, the private sector, and civil society.
This approach raises concerns that the BMZ is assuming roles traditionally reserved for the Foreign Ministry. While fostering multilateral dialogue is undoubtedly important, the question remains whether there should be a clearer separation between foreign and development policy to avoid overlapping competencies and resource conflicts. Could this expansion of responsibilities lead to the creation of a “parallel foreign ministry”?
Is Economic Cooperation Falling by the Wayside?
A key point of criticism concerns the role of economic cooperation. Schulze emphasizes multilateral solutions and climate protection, but it is unclear whether economic collaboration – explicitly part of the BMZ’s mandate – remains a core pillar of Germany’s development agenda. Yet the private sector plays an essential role in fostering sustainable growth, building infrastructure, and creating jobs in partner countries.
If Germany neglects economic partnerships, countries in the Global South may increasingly turn to other players, such as China, which is expanding its influence through massive investments. The question arises: Is Schulze's approach sidelining economic self-interests in favor of diplomatic ambitions, or should Germany reinforce its economic partnerships to strengthen its global standing?
State Intervention vs. Private Sector Cooperation
Schulze underscores the need to mobilize private investments and advocates for new financial instruments to achieve this. But how can state-driven initiatives and private sector involvement be balanced without overregulation? Excessive state control could deter companies, while insufficient political frameworks might render investments unattractive.
Financing poses another dilemma: Schulze’s goal of allocating at least 0.7 percent of the gross national income (GNI) for development assistance could face domestic resistance, particularly in times of budget constraints. Moreover, the extent to which Germany can influence global financial structures, such as through the implementation of a global minimum tax, remains questionable.
Legitimacy and Public Acceptance
Public support is crucial for the success of development policy. Schulze advocates for a paradigm shift toward genuine cooperation and mutual respect. However, how can this message be effectively communicated in a political climate increasingly influenced by populist narratives? Critics may dismiss Schulze’s approach as overly idealistic, especially if domestic issues such as education and infrastructure appear underfunded in comparison.
Are Germany’s Strategic Interests Being Overlooked?
Development policy should also serve strategic national interests, such as securing access to raw materials and investing in renewable energy, like green hydrogen. While Schulze acknowledges these points, her vision lacks clarity on how such goals will be pursued within the framework of multilateral diplomacy. Without economic incentives and reliable partnerships, Germany risks losing influence in key regions.
Partnerships Beyond Aid – But How?
Moving away from traditional development aid toward genuine partnerships is a commendable goal, but its success depends on practical implementation. In fragile regions, strengthening civil society and protecting human rights are crucial. At the same time, economic stimuli are needed to foster stability. An overly state-centric approach may be counterproductive, as companies are indispensable partners in infrastructure projects and climate adaptation efforts.
Conclusion: A Balancing Act Between Diplomacy, Economy, and Development
Svenja Schulze’s vision of a modern development policy aims to address global challenges through multilateral solutions and partnerships at eye level. However, this realignment comes with risks. Will the BMZ become a diplomatic player that encroaches on the competencies of other ministries? Is economic cooperation being sacrificed for diplomatic ambitions? And how can the balance between state intervention and private sector engagement be maintained?
For German development policy to become a sustainable and effective tool, it needs not only ambitious goals but also a clear strategy: it must reconcile economic self-interests with global responsibility and integrate both diplomatic and economic actors. Only through a strong collaboration between the state and the private sector can Germany make a meaningful contribution to solving global challenges – without losing economic strength and political influence.