Erkenntnisse nach einem abgeschlossenen Online-Only Semester an der DHBW
Das erste Semester ist vorbei, die erste Praxisphase ist zu Ende und das zweite Semester startet. Da war Corona gefühlt noch recht weit weg, doch ehe wir die Theoriephase beginnen konnten, Lockdown. COVID-19 zwingt die Universitäten dazu, die Lehre auf Onlineformate umzustellen. So auch an der DHBW.
Das duale System der DHBW in 3 Sätzen:
- Jedes der 6 Semester besteht immer aus einer Theorie- und einer Praxisphase, weshalb die Theoriephasen, die den theoretischen Stoff des Studiengangs enthalten, deutlich kürzer sind als an klassischen Universitäten.
- Der Bewerber bewirbt sich bei einem Unternehmen, das einen duales Studienplatz anbietet. Bekommt er die Zusage, unterschreibt er einen Ausbildungsvertrag beim Unternehmen und bekommt einen DHBW-Vertrag, in dem die Semesteraufteilung geregelt ist.
Wie lief die Onlinelehre und -prüfung ab?
Zunächst muss man die Organisation an der DHBW loben, zumindest für den BWL Lehrstuhl in Stuttgart. Es war möglich, die Onlinelehre scheinbar übers Wochenende zum Laufen zu bringen und das Ganze mit den Dozenten zu koordinieren.
Unsere Verantwortlichen haben sich für das Tool GoToWebinar entschieden und man bekam für jedes Fachmodul einen Link zugeschickt, über den man jeweils die Sessions beitreten konnte. An sich bringt das Tool eigentlich alle Funktionen mit, die man so für die Online-Lehre braucht. Man kann sich melden, es gibt einen Chat, die Dozenten können ihre Kamera mit einschalten und die Verbindung lief immer stabil.
Spannend wird es natürlich immer dann, wenn es darauf ankommt was Dozenten und Studierende daraus machen. Sehr schnell ist aufgefallen, das es für die Dozenten natürlich schwierig ist, den Stand der Dinge und die Emotionen der Studierenden nachzuvollziehen. Somit war regelmäßiges Feedback der Studierenden zur Geschwindigkeit der Vorlesung, einigen Aufgaben usw. notwendig, um eine gute "Lernatmosphäre" zu schaffen, wenn man das so nennen kann.
Die Dozenten haben teilweise unterschiedliche Ansätze gewählt, um den Studierenden den Stoff näher zu bringen. Die Meisten haben mit uns tatsächlich jede Vorlesung online abgehalten und den Stoff, mithilfe des Skripts und / oder einer Powerpoint-Präsentation vermittelt. Teilweise wurden wir aber auch zum Selbststudium angehalten, was nochmal eine ganz neue Erfahrung im 2. Semester ist. Hier wurde darauf abgezielt, dass die Studierenden sich den Stoff zunächst selbst mit bereitgestellten Materialien erarbeiten und man anschließend mit dem Dozenten nochmal die wichtigsten Punkte abgeglichen hat.
Als es dann in die Prüfungsphase ging, wurde es nochmals spannend, wie die Prüfungen letztendlich abgehalten werden können. Jedoch wurde relativ schnell klar, dass die normalen Präsenzprüfungen nicht zu realisieren sein werden. Somit wurde uns mitgeteilt, dass wir dieses Semester unsere Prüfungen im OpenBook-Verfahren und tatsächlich online absolvieren werden. Open Book bedeutet, dass man während der Prüfung alle Hilfsmittel und Materialien verwenden darf. Das bringt das Problem mit sich, dass die Prüfungsfragen, die nur das auswendig gelernte Wissen abfragen, hinfällig sind. Somit musste der Fokus auf die Transferfragen gelegt werden, was mehr darauf abzielt, Wissen anzuwenden und auf neue Problemstellungen zu übertragen. Man mag nun denken, dass diese Prüfungsform nun sehr viel effektiver für den nachhaltigen Lernfortschritt ist. Das denke ich prinzipiell auch, jedoch kam diese Umstellung sehr schnell und dann kommt es auf die Dozenten an, die nun zum ersten Mal die Aufgabe hatten, solche Klausuren mit Fokus auf Transferleistung zu erstellen. Ich glaube das war sehr schwierig umzusetzen und da ist auch definitiv noch Potenzial zur Verbesserung, aber eine solche Prüfungsform bietet definitiv viele Chancen zu Verbesserung des nachhaltigen Lernens.
In der konkreten Prüfungssituation wurden wir in ein GoToMeeting-Raum eingeladen, in dem alle Studierenden ihre Webcam aktiviert hatten, da es nicht erlaubt war, dass sich eine andere Person mit im Raum befindet. Zum Prüfungsbeginn wurde dann in unserem Portal namens Moodle, in welchem auch der Austausch aller möglichen Daten während des Semesters stattfindet, die Klausurangabe als PDF-Datei freigeschalten, die dann jeder herunterladen musste. Die Bearbeitungsform ist den Prüflingen dann an sich freigestellt. Es ist möglich die Aufgaben klassisch mit Papier und Stift zu erledigen oder auch einfach in Word zu schreiben. Einzige Voraussetzung war, dass am Ende nur ein Dokument online abgegeben werden durfte. Somit konnte musste man bei handschriftlicher Bearbeitung die Seiten abfotografieren und dann in das Abgabedokument einfügen. Das hat größtenteils auch gut funktioniert, da es nach Bearbeitungsende jeweils noch 10 Minuten Zeit für die Bearbeitung des Dokuments und Hochladen gab.
Gedanken und Erkenntnisse nach dem Online-Semester
Also was ist der Eindruck nach dem Semester und einer Woche Zeit, etwas darüber nachzudenken?
Ich persönlich muss sagen, dass mir das Online-Semester im Grunde zugesagt hat, weil es aufgezeigt hat, wo das Potenzial von Online-Lehrformen liegt. Es ist definitiv möglich den Stoff ausführlich und verständlich zu vermitteln. Wenn der Lehrbetrieb wieder zur Normalität zurückkehren kann, sollte bei manchen Fächern vielleicht über weiterhin online abgehaltene Vorlesungen nachgedacht werden. Einige Dozenten haben sich wirklich angestrengt und bemüht die Möglichkeiten zu nutzen. Zum Beispiel konnten wir in Statistik einige Beispiele gleich mal in Excel umsetzen, was in Zukunft wirklich sehr hilfreich sein kann.
Der wichtigste Punkt ist allerdings, dass die Bereitschaft der Studierenden, aktiv an der Vorlesung teilzunehmen, mehr gefordert ist denn je. Es ist grundlegend wichtig, dass die Studenten ihre Kommentare, Fragen und Anmerkungen einbringen um den Dozenten möglichst viel Feedback zu geben. Selbst wenn es nur heißt: "Passt, habe ich verstanden!".
In der Online-Lehre trägt jeder Student mehr Verantwortung für sich selbst, die Themen zu verstehen und sich an die neue Situation anzupassen. Allerdings sollten auch die Dozenten dazu angehalten sein, die Situation bestmöglich zu nutzen und vielleicht neue, ansprechende Wege zu finden die Studenten in die Vorlesungen einzubinden und die Themen zu vermitteln. Generell gesprochen ist es ein Lernprozess mit großen Potenzialen für die Lehre im Allgemeinen, bei dem jedoch noch Verbesserungsmöglichkeiten bestehen, die mit Studierenden, Dozenten und Verantwortlichen allerdings genutzt werden können.