Es gibt dennoch Hoffnung in der Türkei
Verhaftete PolitikerInnen und JournalistInnen, aggressive Innen- und Außenpolitik, eine autoritäre Regierung…Diesen Schlagzeilen aus der Türkei begegnen wir in deutschen Medien tagtäglich. Auch wenn diese traurigen Nachrichten eine traurige Realität darstellen, gibt es dennoch weiterhin Gründe zur Hoffnung aufgrund von Menschen, die sich vor Ort für eine pluralistische Türkei einsetzen.
Eine aktuelle Studie von Amnesty International bestärkt diese Gründe: So glauben 82,1% der Befragten, dass in ihrem Land die Grundrechte und Freiheiten verletzt werden. Zudem sagen 75,3%, dass friedliche Demos nicht länger verboten werden sollten. Daher bin ich der Meinung, dass das Demokratiedefizit nicht viel länger wird anhalten können (dies hängt natürlich auch von gesamtglobalen politischen Entwicklungen ab).
Ein weiter Grund meine Hoffnung nicht aufzugeben, ist die nach wie vor sehr lebendige Zivilgesellschaft in der Türkei.
Eine wichtige Rolle spielt dort der Verein Karakutu, welchen ich 2014 gemeinsam mit einer Freundin ins Leben gerufen habe. Unsere Motivation war und ist die Geschichten der „Anderen“ (Minderheiten in der türkischen Gesellschaft) zu erzählen und anzuerkennen, welche von der türkischen Mehrheitsgesellschaft allzu oft ignoriert -oder gar negiert - werden.
Mit Karakutu haben wir eine Lernmethodik für Jugendliche entworfen, in Form eines „Memory Walks“. Diese „Memory Walks“ bieten TeilnehmerInnen die Möglichkeit, Orte (lieux de mémoire) (d.h. Straßen, Läden, Gebäude oder Plätze) zu erkunden, welche mit Erinnerungen und Geschichten ethnischer, religiöser, sexueller sowie vieler anderer Minderheiten verbunden sind.
Die Teilnehmenden begeben sich etwa auf eine Schnitzeljagd. Dort vermittelt einE jungeR ErzählerIn den TeilnehmerInnen Geschichten etwa einer armenischen Autorin oder des Widerstands für Gleichberechtigung der LGBTIQ* Bewegung vor historischen Schauplätzen. Wichtig zu erwähnen dabei ist, dass alle diese Geschichten vorher von den ErzählerInnen persönlich recherchiert worden sind. Bis heute konnte Karakutu hunderte junger Erwachsener für seine bis heute insgesamt 67 „Memory Walks“ gewinnen, welche in den verschiedensten Stadtteilen Istanbuls (u.a. Balat, Besiktas, Beyoglu, Cagaloglu, Sisli, Sultanahmet sowie Yeldegirmeni) stattgefunden haben.
Das Model unserer „Memory Walks“ wurde bereits in verschiedenen Universitäten (u.a. in Sydney und Okan) im Unterricht adaptiert und vom Europarat zum Good Practice-Modell ernannt.
Darüber hinaus organisiert der Verein regelmäßig verschiedenste Veranstaltungen zu Themen rund um Gedenken und Menschenrechte sowie Fortbildungen für junge AktivistInnen und fördert wissenschaftliche Arbeiten junger AkademikerInnen zu diesen Themen.
Wie gesagt, es gibt viele Gründe zur Hoffnung. Ich lebe nun seit 3 Jahren in Berlin. Seitdem ich die Türkei verlassen habe weiß ich unseren Verein jedoch in guten Händen und bin sehr stolz darauf zu sehen wie sich der Verein von Jahr zu Jahr weiterentwickelt hat und immer mehr junge Menschen erreichen konnte, die sich tagtäglich so unermüdlich für eine pluralistischere und offenere Gesellschaft in der Türkei einsetzen.
Sie können über unsere Aktivitäten im Netz auf unserer Webseite sowie auf Instagram oder Facebook auf dem Laufenden halten.
Am 6. Januar 2020 feiern wir das 6. Jubiläum von Karakutu. Wir würden uns daher sehr über ein kleines Zeichen der Unterstützung für unsere Arbeit freuen. Sie können eine Spende entweder direkt auf unserer Kampagnenseite oder per Überweisung [2] auf mein Konto tätigen.
Haben Sie viel Dank,
[1] Christian Bergmann hat für mich Korrektur gelesen. Danke dir Christian! [2] JedeR SpenderIn wird eine Spendenquittung von mir nachträglich erhalten.