Feel good, gefälligst!
Foto: bikö

Feel good, gefälligst!

Nun haben sich die Berater so viel Mühe gegeben, die Effizienz unseres Tagwerks zu steigern. Da stellen sie ein produktivitätshemmendes Unbehagen fest. Statt das transparente Großraumbüro, Open Space genannt, mit nimmermüder Kreativität zu füllen, haben Mitarbeiter psychosomatische Rückenschmerzen, hassen ihre Kollegen oder, was schlimmer ist, gehen gleich zur Konkurrenz. Schon werden in der IT-Branche, wo es an Fachkräften fehlt, erste Feel-good-Manager eingestellt.

Diese munteren Gesellen sollen, so heißt es, „eine wertschätzende Unternehmenskultur fördern“. Zunächst, hört man, ermitteln die Beauftragten der guten Empfindung die „Feel-bad-Faktoren“ – wie nervende Konferenzen, ständige Kontrolle, mangelnde Ruhe. Dann organisieren sie stille Ecken, Sommerfeste, Espressomaschinen, ein Wir-Gefühl. Und sie besprechen vorsichtig mit dem Chef, ob das Aufstellen einer Yucca-Palme nicht doch mit dem coolen Design des Hauses vereinbar sein könnte. Denn Yucca-Palmen und andere, dem Staub des Alltags trotzende Topfpflanzen sind, so formuliert es das Lifestyle-Magazin Myself, „echte High-Performer für die Wohlfühl-Atmosphäre“.

Ach was! Ich empfehle auch Tellerchen mit Keksen und Schokolade. Damit pflegte unsere alte Abteilungssekretärin Frau Neumann, Feel-good-Managerin von Natur aus, die Nerven unseres Teams zu nähren, bevor man außerhalb der Kantine nicht mehr krümeln durfte und Abteilungssekretärinnen eingespart wurden. Wir waren etwas kindisch damals. Frau Neumann lächelte wie eine Mutter über das Durcheinander auf unseren Schreibtischen, wo sich jede(r) aus Papieren, Familienfotos und muhenden Scherzartikeln ein individuelles Chaos-Imperium geschaffen hatte.

Das war der Humus unserer Inspiration, weiß die Wissenschaft jetzt. Wie Architekturpsychologin Rotraut Walden für Myself feststellte, fördert Durcheinander innovative Ideen. Gerade in perfekt aufgeräumten Firmen mit „Clean Desk Politik“ solle man, so Landau, „vorsichtig seine eigene Lebensweise hineinschleichen lassen“. Frau Neumann, übernehmen Sie!

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