„Fritze Merz“ und Respektlos-Kanzler Scholz

„Fritze Merz“ und Respektlos-Kanzler Scholz

Autorin: Tanit Koch

Liebe Leserin, lieber Leser,

mit „großer Ehrfurcht” und „viel Demut” hat SPD-Chef Lars Klingbeil den „historischen Tag” gestern begangen, sagte er am Rande der Vertrauensfrage ins Phoenix-Mikrofon.

Der Begriff ist überstrapaziert. Schließlich war auch der Moment historisch, als zum ersten Mal jemand Ananas auf Pizza gelegt hat. Die Reden gestern besaßen jedenfalls mehr Schärfe als Tiefe, aber das ist nunmal so im Wahlkampf. 

Denn genau dafür nutzte SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz (und nicht nur er) seine knapp 30 Minuten Redezeit (best of: mehr Mindestlohn, weniger Mehrwertsteuer, stabile Rente, kein Taurus). Zuvor arbeitete er sich wieder mal mit Schuldzuweisungen an Christian Lindner ab („wochenlange Sabotage”), dem er mangelnde „sittliche Reife” attestierte. 

Der FDP-Chef revanchierte sich prompt mit einer Attacke auf Scholz’ Haushaltspolitik: „Prinz Karneval, der kann am Rosenmontag Kamelle verteilen, um populär zu werden. Aber Deutschland darf so nicht regiert werden.“ 

Olaf Scholz sprach sich, mit blauer Stimmkarte, das Vertrauen aus. 394 von 717 Abgeordneten taten das nicht. Darunter Oppositionsführer und CDU-Kanzlerkandidat Friedrich Merz, mit roter Stimmkarte (© dpa)

CDU-Chef Friedrich Merz, ebenfalls nicht gerade subtil, warf Scholz vor, eine „der größten Wirtschaftskrisen der Nachkriegsgeschichte“ zu hinterlassen. Und plauderte dann aus dem EU-Nähkästchen: Scholz' Verhalten auf Brüsseler Parkett sei „zum Fremdschämen“. Er sitze auf EU-Gipfeln öfter schweigend dabei, ohne sich einzuschalten: „Sie blamieren Deutschland.”

Dieser Teil der Debatte ging später im Fernsehen nahtlos weiter. Im ZDF „heute journal“ sagte der Kanzler auf Plattdeutsch: „Fritze Merz erzählt gern Tünkram“– also Unsinn. „Ich verbitte mir das“, sagte Merz in derselben Sendung. Scholz „rede ständig über Respekt. Aber in dem Augenblick, wo jemand anderer Meinung ist als er, hört sein Respekt eben auf.“

Zur Erinnerung: Erst am Donnerstag hatten die Kanzlerkandidaten Scholz, Merz und Habeck sich und den Wählern auf Pro7 einen fairen und respektvollen Wahlkampf versprochen. Und SPD-Fraktionschef Mützenich forderte im Bundestag gestern gar „Anstand und Würde“, um im nächsten Atemzug der FDP „Niedertracht“ zu unterstellen. Nun ja.

Robert Habeck, laut Merz „das Gesicht der Wirtschaftskrise”, bemühte sich noch um Sachlichkeit: „Alle Unternehmerinnen und Unternehmer gut hingehört: Die Vorschläge der Union sind nicht gegenfinanziert.” Er warnte zudem vor Neuwahl-Naivität: „Alle tun so, als wäre danach alles besser.“ Dabei seien auch künftig schwierige Bündnisse möglich und Kompromisse nötig.

Doch der Ton im Plenarsaal war kompromisslos: „Pleiteminister“ (Sahra Wagenknecht über Habeck), „Wer Friedrich Merz wählt, wählt den Krieg.“ (Alice Weidel), „unsympathische Rede“ (Tino Chrupalla über Merz). Zwei Ordnungsrufe später wurde endlich abgestimmt und Scholz das Vertrauen entzogen. Für den Noch-Kanzler war das – wenn man ihm glaubt – übrigens kein Anlass für Verdruss: „Ich werde mit ein paar guten Freunden feiern“, sagte Scholz später im RTL/ntv-Interview.

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