Funktionale Autorität vs. personaler Autorität.
In Gesprächen mit ManagerInnen und Führungskräften offenbaren sich meist zwei Lager. Es gibt diejenigen, die mit ihrer Funktionsautorität führen, ganz nach dem Motto: Ich bin der Chef und meine Mitarbeitenden haben zu tun, was ich sage. Auf der anderen Seite gibt es jene, die auf personale Autorität setzen, sprich den Menschen vertrauen und diese ihnen deshalb folgen. Neudeutsch sagen wir gerne, die Führungskraft muss zum Leader werden. Doch warum ist das so?
Banal gesprochen haben Führungskräfte „Untertanen“ und Leader haben Follower. Geht es um das Thema Wirksamkeit in der Führung wirft das unweigerlich die Frage auf, wie man selbst führt. In seinem Buch „Führen Leisten Leben“ hat Malik die Grundprinzipien für gutes Management definiert. Wir haben uns bereits einigen davon gewidmet und möchten heute auf das letzte Prinzip eingehen: Vertrauen. Gelingt es zum Beispiel über die Funktionsautorität, Vertrauen aufzubauen oder braucht es dazu nicht eher personale Autorität? Wie ist die richtige Balance, wenn es um Vertrauen geht? Und ist Vertrauen ein Schlüssel in unserer heutigen Zeit, um Mitarbeitende zu gewinnen und in der Organisation zu halten?
Gerade in Zeiten, in denen Führungskräfte viel auf Sicht fahren müssen, sitzen die Menschen in den Organisationen sprichwörtlich auf der „Rückbank“. Umso wichtiger ist es, dass sie der Führungskraft am Steuer und ihren Entscheidungen vertrauen können. Unsicherheiten, Rat- und Orientierungslosigkeit heben Vertrauen noch einmal auf eine andere Ebene, denn nicht umsonst sagt Malik, dass dieses eines der essenziellen Grundprinzipien für Führung und Management ist.
Vertrauen hat viele Dimensionen
Vertrauen spiegelt sich in den unterschiedlichsten Situationen wider und lässt sich nicht auf einen bestimmten Aspekt reduzieren. Nehmen wir an, eine Person ist in Bezug auf eine Kompetenz eine absolute Koryphäe. Bei einem exzellenten Buchhalter zum Beispiel kann ich darauf vertrauen, dass alle Zahlen stimmen, dass alles nach steuerrechtlichen Maßstäben und Vorschriften korrekt abgewickelt wurde. Das heißt, wir sollten, wenn wir über Vertrauen sprechen, immer klar differenzieren. Reden wir über Vertrauen in eine Sachkompetenz, in die Persönlichkeit eines Menschen oder über beides zugleich. Es gilt, die verschiedenen Dimensionen von Vertrauen zu betrachten, wenn Sie als GeschäftsführerIn, als InhaberIn, Führungskraft oder ManagerIn, als Mensch dafür sorgen wollen, dass man Ihnen vertraut.
Vertrauensfaktor Transparenz – schaffen Sie Sicherheit
Oft erleben wir, dass Mitarbeitende sich schon morgens im Büro fragen, was die Führungskraft heute wieder im Schilde führt. Das sorgt für Unsicherheit und macht die Führungskraft schwer berechenbar. Transparenz nimmt diese Spannung heraus und schafft Sicherheit. Jetzt mag es den einen oder anderen geben, der sagt, man könne doch nicht ständig alle Entscheidungen, mit allen Fakten offen auf den Tisch legen. Doch das ist gar nicht das, was wir im Sinn haben, wenn wir von Transparenz sprechen. Transparenz bedeutet in erster Linie die Entscheidungen zu kommunizieren, die den Mitarbeitenden betreffen. Ist dies der Fall, fühlt sich der Mitarbeitende sicher – es gibt keine falschen Erwartungen, fiesen Tricks im Hintergrund oder Schlingen, über die er stolpern kann. Es ist selbstverständlich, dass die Führungskraft nicht die komplette Kalkulation oder das Geheimrezept für die neuesten Produkte offenlegen muss, doch die Dinge, die Menschen unmittelbar betrifft, sollten transparent gemacht werden.
Vertrauensfaktor Konsequenz – übernehmen Sie Verantwortung
Ehrlich sagen, was man denkt und tun, was man sagt. Klingt einfach, ist in der Praxis allerdings oft alles andere als das, denn vorrangig geht es dabei um Verantwortungsübernahme. Konsequenz heißt in vielen Teilen nichts anderes, als die Verantwortung für Entscheidungen zu übernehmen. Ein weiterer Aspekt ist, dass die getroffenen Entscheidungen erklärt werden, sodass die Mitarbeitenden damit umgehen können. Immer mehr Beiträge auf LinkedIn und Co. zeigen, dass die Dinge schlimmer geworden sind und bei Führungskräften oft eine Intransparenz und Inkonsequenz vorherrscht. Was dahintersteht, ist die große Herausforderung, mit dem Thema Unsicherheiten umzugehen. Bleiben wir beim Beispiel „auf Sicht fahren“ – diese Kompetenz hat in den vergangenen Jahrzehnten kaum jemand gelernt, obwohl sie essenziell ist, doch sie wurde schlichtweg nicht gebraucht. Werden die Führungskräfte jetzt allerdings damit konfrontiert, wissen sie nicht, wie sie konsequent und transparent mit dieser völlig anderen Zeit umgehen sollen und das wiederum sorgt für Unsicherheit.
Vertrauensfaktor Verlässlichkeit – sorgen Sie für Stabilität
Ständige Richtungswechsel irritieren Menschen, sie gleichen einer Achterbahnfahrt. Selbstverständlich ist es in Zeiten, in denen von außen viel passiert, schwierig für Führungskräfte eine gewisse Verlässlichkeit zu gewährleisten. Zudem gibt es verschiedene Arten von Verlässlichkeit, zum Beispiel ist ein „wir machen weiter wie bisher“ ebenfalls eine gewisse Form davon. Doch auch wenn man sich wie aktuell in stürmischen Zeiten befindet, muss man Verlässlichkeit schaffen. Eine der wichtigsten ist, dass die Mitarbeitenden sagen: „Ich vertraue der Führungskraft, dass sie nach bestem Wissen und Gewissen, nicht für mich, sondern für das gesamte Team und Unternehmen entscheiden wird.“ Wenn dieses Vertrauen vorhanden ist, werden einige Probleme stark relativiert. Dadurch, dass die Führung offen sagen kann, dass sich ihre Lösung als Sackgasse herausstellte, wird im Zweifelsfall sogar die persönliche Verlässlichkeit und Autorität gestärkt. Verlässlichkeit und Kontinuität sind allerdings keine Zwangsjacken, insbesondere nicht, wenn sie sich an einer Person ausrichten. Es ist ähnlich wie bei Kindern und Eltern: Wenn das Kind sich auf die Eltern verlassen kann, wird es auch ein Auf und Ab, Vorwärts- und Rückwärtsbewegungen mitmachen. Schwierig wird es allerdings, wenn schon vor herausfordernden Zeiten, kein Vertrauen vonseiten der Mitarbeitenden vorhanden war. Denn wer dieses erst in der Krise aufbauen muss, steht vor einem massiven Berg an Arbeit. Es mag sogar sein, dass einige daran zerbrechen, jetzt beweisen zu müssen, dass sie vertrauenswürdig sind, da die Reserven aufgebraucht sind.
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Vertrauensfaktor Respekt – sehen Sie Menschen, nicht Funktionen
Das Wort Respekt stammt aus dem Lateinischen und bedeutet so viel wie „Ich sehe den anderen.“ Somit heißt Respekt im Unternehmenskontext, den Mitarbeitenden in seiner Individualität und mit seinen Bedürfnissen zu sehen. Mitarbeitende sollten nicht nur auf eine Funktion reduziert werden, schließlich sind sie keine Figuren auf dem Schachbrett. Für viele ist es eine große Herausforderung, die Menschen in ihrer Ganzheitlichkeit wirklich zu sehen. Wir kommen aus einer Zeit, in der Mitarbeitende stark nach ihren Funktionen beurteilt und eingesetzt wurden. Doch um das jetzt wichtige und notwendige Vertrauen aufzubauen, müssen die Menschen, wie sie sind, was sie benötigen und aus welchem Kontext sie stammen, gesehen werden. Der Faktor Respekt zielt direkt auf die Emotionen ab, was ihn umso wichtiger macht, denn bei einem Menschen, der mich respektiert, kann ich mich zu Hause und sicher fühlen. Die drei vorherigen Vertrauensfaktoren – Transparenz, Konsequenz und Verlässlichkeit – können ebenfalls erst existieren, wenn der Respekt vorhanden ist.
Wenn das Vertrauen schwindet
Was sollten Führungskräfte und ManagerInnen tun, wenn sie feststellen, dass das Vertrauen zerrüttet ist, bröckelt oder nicht mehr vorhanden ist? In solchen Fällen sind zwei Dinge entscheidend.
1 – Eingestehen. Im ersten Schritt ist es wichtig, sich einzugestehen, dass es ein Vertrauensproblem gibt. Genauso, wie wir uns sagen müssen, dass wir Gewichtsprobleme haben, zu viel rauchen, trinken oder was auch immer. Der allererste Schritt ist das Anerkennen des Problems.
2 – Offen ansprechen. Im zweiten Schritt gilt es, das Problem offen anzusprechen und einen Weg zu finden, der auf die Situation, Persönlichkeit und Umstände passt. Das kann damit beginnen, dass man einen Mitarbeitenden bittet, einmal mit einem spazieren zu gehen und dort zu fragen: „Glauben Sie, dass die Leute mir vertrauen?“ Wenn deutlicher wird, warum es das Vertrauensproblem gibt und was die Sorgen dahinter sind, rückt die Lösung näher. Manchmal mag es nicht einzig an einer Person liegen, sondern an einem generellen Kulturproblem im Unternehmen.
Fazit
Vertrauen ist eines der Grundprinzipien für wirkungsvolle Führung. Jede Führungskraft sollte sich daher fragen, ob sie „Untertanen“ hat, die stumpf Befehle ausführen oder Follower, die dem Menschen an Spitze vertrauen und ihm gerne folgen. Auf welcher Seite sehen Sie sich? Führen Sie Funktionen oder Personen?