Gedanken zu meinem Zeitmanagement

Ich bin verdammt gut im Zeitmanagement.

Warum das so ist und wie ich das mache?

Ich plane meinen ganzen Tag – auch meine Freizeit in 15-Minuten-Slots. Das mache ich so, seitdem ich meinen Kalender digital führe, also seit ungefähr 10 Jahren.

Dafür habe ich meine Lebensbereiche im Kalender verschieden farblich aufgeteilt: Kundenprojekte rot, eigene Projekte rosa, Kundentermine und Calls lila, private Termine und Verabredungen blau etc. Große Kunden mit langfristiger Zusammenarbeit bekommen eine eigene Farbe. Das führt dazu, dass ich jede Deadline halte und nie zu spät komme.

Tatsächlich habe ich so schon gearbeitet, als ich meinen Kalender noch auf Papier hatte.

In meinem Keller ist ein Karton mit Kalendern aus den 90ern, in dem ich als Jugendliche meine Nachmittage akribisch durchgeplant habe: 15 Uhr Geigenunterricht, 15:45 Mathe- und Chemie Hausaufgaben, 16:30 Uhr Training.

Wenn ich die alten Kalender heute so durchblättere, erschreckt es mich. Ich habe mir viel zu wenig Zeit zum „abhängen“ genommen. Viel zu wenig mit Freundinnen gekichert oder den Nachmittag vor der Glotze geklebt. Für mich war der durchgeplante Terminkalender normal. Er gab mir eine Art Stabilität. 

Ich klicke meinen digitalen Kalender durch. Fünf Jahre zurück. Jobs von 9 bis 18 Uhr, dazwischen Lunchtermine, dann ein sich durch den Stau schieben, um 18:30 beim Sport oder anderen Freizeitaktivitäten zu sein. Die Tage, die Abende, die Wochenenden – alles akribisch durchgeplant.

Ich war vielleicht immer gut im Zeitmanagement, doch war das gut für mich?

Ich blättere weiter in meinem Terminkalender vor. Es folgt eine Zeit, in der weniger Arbeitseinträge zusehen sind. Eine Auftragsflaute. Mir fehlte die Energie für die Akquise.

Auch privat eine Krise. Es ist auch keine Energie mehr für Freizeitaktivitäten da. Mein Kalender hat viel mehr weiße Stellen als zuvor und doch hatte ich nie das Gefühl nichts zu tun zu haben oder mich zu langweilen.

Wann war mir zuletzt langweilig? Als Kind vermutlich. Aber heißt es nicht, dass Langeweile die Kreativität bei Kindern fördert? Ist doch bei Erwachsenen bestimmt genauso.

Was tue ich denn, wenn ich einen Moment „Pause“ habe? Einen kurzen, nicht verplanten Moment. Die Antwort ist einfach: Das, was viele von uns machen – wir holen das Smartphone hervor.

Mal kurz aufs Display geguckt und ein bisschen hin und her gewischt. Beim einen ists Instagram, der andere ist süchtig nach News. Und dann das Wundern, dass eine viertel, eine halbe, eine ganze Stunde um ist. Und Youtube-Clips beim Mittagessen allein im Homeoffice. Ohne Gesellschaft ist die Mittagspause kurz.

Das Smartphone ruiniert mein Zeitmanagement. Wann habe ich mein letztes Buch gelesen? Und wollte ich nicht das Babymützchen fertig gehäkelt haben, bevor die Nichte in die Schule kommt?

Was ist das Geheimnis von gutem Zeitmanagement? Unternehmensberater empfehlen u.a. die Aufgaben nach Prioritäten zu sortieren. Sie beziehen sich dabei natürlich auf den Job, aber bin ich selbst nicht Priorität? Ist meine Gesundheit nicht das Wichtigste und damit der Arzttermin wichtiger als die Online Fortbildung?

Oft habe ich das Gefühl den ganzen Tag nicht produktiv gewesen zu sein und doch habe ich keinen Moment der Pause gehabt.

Wie viel Achtsamkeit brauche ich? 

Eine Freundin von mir meditiert jeden Morgen, sagt sie. Ich weiß, dass das nichts für mich wäre, allerdings tut mir ein bisschen Yoga allmorgendlich sehr gut. 

Ich kann mir den Luxus gönnen morgens noch eine halbe Stunde im Bett liegen zu bleiben und meine Gedanken schweifen zu lassen. Mittags im Homeoffice frisch kochen und jeden Bissen bewusst genießen. Und ein oder zwei Abende in der Woche ohne Termine oder Verabredungen ganz allein verbringen. 

Ich möchte meinen Terminkalender nicht leeren. Das wäre nicht mehr ich. Aber die weißen Lücken sind mir wichtig geworden. Was ich am kommenden Wochenende machen werde? Keine Ahnung – das entscheide ich spontan. 

Ich bin verdammt gut im Zeitmanagement?