Gelebte Inklusion braucht keinen erhobenen Zeigefinger
Ihre Erfahrungen mit dem Thema #Schwerbehinderung sind unterschiedlich, der Elan und das Engagement aber, mit dem sie ihr neues Amt als Schwerbehindertenvertretung (SBV) der Ärztekammer Westfalen-Lippe antreten, verbindet Mareike Witte, Köchin, und Nadine Kläver, Sachbearbeiterin des Ressorts Aus- und Weiterbildung. Sie wurden im November 2022 in das Ehrenamt gewählt. Unterstützt werden sie dabei von Anke Follmann, Referentin der Geschäftsführung und des Referates „Sucht und Drogen“, die ihre Funktion als frühere Vertrauensperson an Mareike Witte abgab und weiterhin als zweite Stellvertreterin zur Verfügung steht. Ihre Sicht auf die neue Aufgabe erläutern Sie hier.
Wieso haben Sie sich für das Amt der SBV zur Wahl gestellt?
Mareike Witte: Nach meiner Krebsdiagnose wurde bei mir ein Grad der Behinderung von 50 anerkannt, der auf sechs Jahre befristet ist. Das war das erste Mal, dass ich mich überhaupt mit dem Thema Schwerbehinderung auseinandergesetzt und mich gefragt habe, was das für mich bedeutet. Dann haben mich die damaligen Vertrauenspersonen Anke Follmann und Doris Marx gefragt, ob ich mich zur Wahl stelle. Ich möchte gerne die Interessen der schwerbehinderten Kolleginnen und Kollegen im Haus vertreten. Außerdem finde ich immer, dass es sehr guttut, sich in neue Dinge einzuarbeiten, den Blick über den Tellerrand auf etwas Neues zu richten, weil das frisch und jung im Kopf hält. Deswegen habe ich mich wählen lassen.
Nadine Kläver: Auch ich wurde von der SBV angesprochen. Da ich ein großes Interesse an rechtlichen Fragestellungen und als ausgebildete Rechtsanwaltsfachangestellte es auch gelernt habe, mich in Gesetzestexte einzulesen, hat mich dieses Amt gereizt. Ich bin selbst schwerbehindert und auch mein Sohn. Das Thema begleitet mich also schon länger.
Haben Sie sich den Kolleginnen und Kollegen mit Schwerbehinderung bereits als neue Mitglieder der SBV vorgestellt?
Nadine Kläver: Ja, wir haben ein gemeinsames Kaffeetrinken zum Kennenlernen organisiert. Das Interesse war groß und ein geselliger, gelungener Austausch. Auch die Geschäftsführung, Dr. Wenning und Herr Friedrich, waren anwesend, haben sich eingebracht und ein „offenes Ohr“ gezeigt und gemeinsam bei einem Stück Kuchen einen schönen Nachmittag verbracht.
Wie können und möchten Sie die betroffenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Kammer unterstützen?
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Nadine Kläver: Wir können beratend zur Seite stehen, wenn Fragen kommen. Das müssen auch nicht umfangreiche rechtliche Sachverhalte sein. Wir stehen beispielsweise auch bei Konfliktsituationen oder anstehenden Herausforderungen, über die man gerne reden möchte, zur Verfügung. Dann sollten die Kolleginnen und Kollegen wissen, dass jemand da ist, der zuhört. Niemand braucht Scheu haben, uns zu kontaktieren.
Mareike Witte: Ich habe auch bereits an Vorstellungsgesprächen teilgenommen. Sobald eine Bewerberin bzw. ein Bewerber einen Grad der Behinderung über 50 hat, nimmt die SBV an allen Gesprächen zu dieser Stelle teil und kann so beobachten und gewährleisten, dass alle gleichbehandelt werden. Wird jemand angestellt, der oder die Hilfsmittel für die Arbeit benötigt, kümmern wir uns darum, dass diese bei Arbeitsbeginn zur Verfügung stehen. Außerdem unterstützen wir die präventiven Maßnahmen am Arbeitsplatz. Dabei arbeiten wir eng mit dem Betrieblichen Eingliederungsmanagement (BEM) zusammen. Die Zusammenarbeit in der Kammer ist sowieso sehr gut – auch mit dem Personalrat. Die SBV nimmt an deren Sitzungen teil, sodass wir die Möglichkeit haben, bei allen Belangen auf die Interessen der schwerbehinderten Kolleginnen und Kollegen aufmerksam zu machen und gegebenenfalls für ihre Bedürfnisse zu sensibilisieren. Nehmen wir das Beispiel Maskenpflicht in der Kammer zur Corona-Zeit: Für Menschen mit einer Hörbehinderung, die von den Lippen ablesen, stellt das ein Kommunikationsproblem dar. Die SBV hat die Aufgabe, in solchen Fällen darauf aufmerksam zu machen und Lösungen für die betroffenen Kolleginnen und Kollegen zu finden.
Das Sichtbarwerden der Kolleginnen und Kollegen, deren Schwerbehinderung von außen oft nicht sichtbar ist, scheint Ihnen ein wichtiges Anliegen zu sein.
Mareike Witte: Ja, dafür sind wir da. Ihre Interessen sollen wahrgenommen werden. Wir möchten außerdem, dass gesehen wird, wie der Arbeitgeber von Menschen mit einer Schwerbehinderung profitieren kann, denn viele können wichtige Eigenschaften einbringen. Ich finde, dass besonders eine Körperschaft des öffentlichen Rechts einen Auftrag hat, Inklusion zu fördern und schwerbehinderte Menschen einzubinden.
Nadine Kläver: Die Ärztekammer Westfalen-Lippe sollte da als gutes Beispiel vorangehen. Es wäre schön, wenn eine aktive SBV Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit einer Schwerbehinderung dazu ermutigen würde, sich hier zu bewerben.
Mareike Witte: Wenn es selbstverständlich ist, dass man jeden Tag Kolleginnen und Kollegen mit und ohne Schwerbehinderung bei der Arbeit trifft und unterschiedliche Menschen unter einem Dach zusammenarbeiten, braucht es auch nicht mehr die Mahnung mit erhobenem Zeigefinger: Wir brauchen Inklusion! Dann wird #inklusion gelebt.
Liebe Frau Witte, liebe Frau Kläver, wir wünschen Ihnen viel Erfolg in Ihrem Amt als SBV. Danke für das Gespräch!