Gemeinsam mit Familienunternehmern durch die Corona-Krise – das müssen Finanzdienstleister wissen
Geschlossene Geschäfte, ausfallende Aufträge und Unternehmen im Homeoffice-Modus: Finanzdienstleister und Familienunternehmer werden in der aktuellen Krise vor ungewöhnliche Herausforderungen gestellt. Hier erfahren Sie, wie sich diese meistern lassen.
Wie erleben Unternehmer die Krise?
Familienunternehmer sind aktuell wie Wildtiere in einem Orkan: Sie legen sich so flach wie möglich auf den Boden oder verschwinden in ihrem Bau und hoffen, dass bald alles vorbei ist – denn ändern können sie an ihrer Situation ohnehin nichts. Für Unternehmer fühlt sich das wie die ultimative Notsituation an, denn es liegt in seiner Natur, selbst zu entscheiden und Situationen durch proaktives Handeln unter Kontrolle zu bringen. Beides bleibt ihnen mit Corona verwehrt. Also beschränken sie sich darauf, „den Laden aufrecht zu halten“. Das bedeutet auch, dass aktuell alle nicht absolut notwendigen Investitionen auf Eis gelegt werden.
Das Mensch zu Mensch in Zeiten von Social Distancing
Wenn Sie den Artikeln des Versteher-Magazins bislang aufmerksam gefolgt sind, dann werden Sie wissen, dass das beste Verkaufsargument für ein Finanzinstitut der subjektive Wohlfühlfaktor ist. Doch für ein effektives Mensch zu Mensch braucht es nicht unbedingt Gespräche „face to face“. Greifen Sie auf Alternativen zurück:
- Telefon / Skype
- Videokonferenzen (nach Kundenpräferenz)
- Mail / WhatsApp
Herausforderungen an den Firmenkundenberater
Fördergelder und Kreditlinien sind in der aktuellen Situation die beste Methode, Firmenkunden konstruktiv unter die Arme zu greifen. Schauen Sie sich jedoch zunächst das Geschäftsmodell und die Wertschöpfungskette Ihres Kunden an und finden Sie heraus, wie die wirtschaftliche Situation in nächster Zeit für ihn aussehen wird. Ein Handwerker wird beispielsweise Aufträge einbüßen, denn für den Wasserrohrbruch wird er immer noch gebraucht, aber nicht zur Sanierung des Bads. Um während und nach der Krise zu bestehen, braucht der Unternehmer:
- Produkte, die aktuell das Überleben des Unternehmens sichern
- Produkte, die nach der Krise noch gebraucht werden
- einen Plan, wie es weitergehen soll
- einen Kundenstamm
- Vorbereitungen für nach der Krise
Ist der Unternehmer für Fördermittel qualifiziert, sollten Sie ihm eines noch in Erinnerung rufen: Fördermittel sind Kredite, die zurückgezahlt werden müssen – das gilt auch für das Corona-Programm der KfW. Ich empfehle, sich BWA-Daten vom 31.12.2019 (oder neuere) daraufhin anzuschauen, wie der Deckungsbeitrag 1 beziehungsweise die Bruttomarge aussieht und wie hoch das EBITDA ist. Viele andere Kennziffern lassen derzeit in meinen Augen kaum einen seriösen Rückschluss auf die Zukunft zu. Und denken Sie immer wie ein Unternehmer: Bei 6 Euro Produkt-Marge erfordert ein 60.000-Euro-Kredit nun mal 10.000 Verkäufe ZUSÄTZLICH zu den normalen Umsätzen!
Bedenken Sie bitte, dass, wenn „alles vorbei ist“, die Regierungen weltweit vermutlich gigantische, noch nie da gewesene Konjunkturprogramme auflegen werden. Doch Vorsicht: Wenn es sich um die üblichen Maßnahmen handelt (Hochbau, Tiefbau, Straßen, Hausbau, Autoprämien o.Ä.), wird es je nach Unternehmen weitere Monate dauern, bis die Aufträge und letztendlich die Umsätze ankommen. So werden z.B. Hotels und Gastrobetriebe nicht sofort davon profitieren. Es sei denn, die Regierung beschließt, Restaurantrechnungen als private Bewirtungsbelege steuerlich zu begünstigen.
Was kann der Private-Banking-Berater tun?
Private-Banking-Berater sollten sich vor dem Kontakt mit ihrem Unternehmerkunden mit dem jeweiligen Firmenkundenberater abstimmen. Ist das nicht möglich, weil die Zeit drängt, empfehle ich einen kurzen Blick in Kreditunterlagen oder auf die Homepage. Er hat bereits das Geschäftsmodell und die Wertschöpfungskette des Unternehmers analysiert und kann dementsprechend einschätzen, ob mittelfristige Vermögensstrategiegespräche mit dem Kunden aktuell sinnvoll sind. Der Private-Banking-Berater sollte sich konkret überlegen, ob das Depot komplett oder teilweise verkauft werden muss oder ob es für Kredite beliehen wird.
Zudem sind gerade Unternehmer oft nicht darüber informiert, dass wir in einer Zeit der Börsen-Hightech-Computer-Tradings leben. Da sind ETF, Indexfonds und Zertifikate/Baskets dann nur noch der Brandbeschleuniger. Erläutern Sie ihm ruhig, wie diese heftigen Bewegungen zustande kommen. Auch, dass diverse Indizes völlig andere Mechanismen haben (z.B. Dow Jones und DAX). Und wenn Sie dann doch den Mut haben, einen Kauf zu empfehlen, hier ein Tipp: Setzen Sie sich mit Ihrer Firmenkundenabteilung hin und schauen Sie nach dem oben angesprochenen Prinzip, welche Branchen direkt profitieren werden, wenn es wieder aufwärtsgeht. Zudem fördert dieses Vorgehen beidseitiges Vertrauen und den Tandemgedanken.
Wie man sich als Spezialist verhält
Wer im Institut als Versicherungsberater, Fördermittelexperte, Zahlungsverkehrspezialist oder in einer anderen hoch spezialisierten Position arbeitet, für den heißt es: Abwarten und Einspringen, sobald der Firmenkunden- oder der Private-Banking-Berater Ihre Expertise benötigt.
Die Fördermittelexperten bringen sich „in Stellung“. Denn sobald das KfW-Corona-Sonderprogramm durch die Europäische Kommission genehmigt wurde, brechen alle Dämme.
Auf die Versicherungsberater kommen erst noch viele Gespräche zu. Nämlich dann, wenn es um die Inanspruchnahme der Versicherungsleistungen geht. Bedauerlicherweise haben viele Unternehmer keinen Epidemie/Pandemie-Ausfallschutz in ihren Versicherungsverträgen.
So verhalten Sie sich bei der Beratung in Krisenzeiten
Bei allen gesundheitlichen und marktwirtschaftlichen Risiken der Corona-Krise ist es selbstverständlich, dass einige Unternehmer aktuell sehr aufgebracht sein werden. Halten Sie sich bei Gesprächen mit Ihren Kunden deshalb an folgenden Punkten fest:
- den Unternehmer nicht in seiner Angst bestärken
- keine Grundsatzdiskussionen über die Krankheitslage
- den Unternehmer reden lassen und ruhig zuhören
- Lösungen gemeinsam erarbeiten
- „Dampf ablassen“ nicht persönlich nehmen
- Weder über die Regierung noch über Viren etc. sprechen, da, egal was Sie sagen, der Unternehmer es immer in seinen persönlichen Kontext packen wird
Sollte der Unternehmer Zweifel daran hegen, dass Ihr Institut ihm loyal zur Seite stehen wird, ist es wichtig, dass Sie ihm klarmachen:
- Ihr Institut hat kein Interesse daran, ihn vor die Hunde gehen zu lassen
- Für Ihr Institut ist der Verlust des Kunden (Einzelwertberichtigung, Insolvenzbürokratie usw.) ähnlich schlimm wie für ihn
- Sie wollen es auch deshalb nicht, da vermutlich viele Arbeitnehmer der betroffenen Unternehmer auch bei Ihnen Kunden sind. Und wenn die arbeitslos werden, kommen deren Probleme noch zusätzlich auf Sie zu
Behalten Sie auch die Motivation Ihrer Kunden im Auge, denn aktuell trifft man dort viele Entscheidungen auf Basis der Frage „Kann Ihr Institutsprodukt meine (und es geht nur um meine, wie andere das sehen, ist mir zur Not egal) aktuellen Schwierigkeiten lösen?“ Erklären Sie Ihren Kunden also detailliert:
- Wie löst Ihr Angebot sein Problem?
- Wie schnell wird das gehen?
- Wie einfach ist es umzusetzen?
Ihr Kunde sucht aktuell dringend nach Lösungsstrategien. Ob er diese jedoch von Ihnen oder von einem anderen Anbieter bekommt, ist ihm gleich. Zeigen Sie ihm also auf, dass Ihr Angebot die bestmögliche Alternative ist und im Einklang mit seiner Wahrnehmung der Realität steht. Dabei müssen Sie übrigens nicht zwangsläufig das günstigste Angebot machen: Aktuell sind viele Unternehmer bereit, einen passenden Preis zu zahlen, solange die Problemlösung, die sie dafür bekommen, auch wirklich funktioniert.
Proaktiv die Krise bewältigen
Ihre Unternehmerkunden werden voraussichtlich alle in finanzielle Schwierigkeiten kommen – oder zumindest diesen Eindruck bekommen. Und sie sind bereit, Angebote von jedem beliebigen Institut anzunehmen, solange diese ihre finanziellen Schwierigkeiten lösen. Handeln Sie also proaktiv: Analysieren Sie das Geschäftsmodell und die Wertschöpfungskette und sprechen Sie vielversprechende Kunden direkt mit einer Strategie zur Krisenbewältigung an. Ist der Kunde erst einmal überzeugt davon, dass er Sie als Partner möchte, können Sie gemeinsame Lösungen ausarbeiten.
Und rufen Sie auf jeden Fall jeden Kunden einmal kurz an. Vor allem diejenigen, die sich nicht von selbst melden. Eventuell geht er nicht ans Telefon oder beantwortet E-Mails nicht schnell oder gar nicht. Darum geht es dann jedoch auch nicht immer. Vielmehr darum, dass er weiß, dass Sie jetzt für ihn da sind!
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Im Versteher-Magazin erscheint bereits am 19.03.2020 ein neuer Artikel zum Thema: In schweren Zeiten Seite an Seite mit Unternehmern: Ein Lob an alle Banken, Sparkassen, Volksbanken und Finanzdienstleister.