Gesucht: Status-Quo-Verweigerer
Wo sind die mutigen Menschen im Land, die für Veränderungen einstehen, sich dem Status Quo verweigern und Neues ausprobieren? Denn genau die brauchen wir mehr denn je, wenn wir auf die aktuellen wirtschaftlichen Entwicklungen schauen – nicht nur im Gesundheitswesen.
Die deutsche Wirtschaft schrumpft – das ist in diesem Monat die vielleicht bedeutsamste Meldung. Sie treibt Wissenschaftler, Unternehmer und Politiker gleichermaßen um. Zwar beschwichtigen führende Wirtschaftswissenschaftler, dass die langfristigen Prognosen nicht so düster seien, wie das aktuelle Minus vor den Wachstumszahlen suggeriere. Dennoch fragt sich insbesondere die Wirtschaft, was hierzulande schiefläuft, während das restliche Europa munter wächst – zwar auch nur mäßig, aber eben immerhin mit einem Plus vor den Prozenten.
Wie zu erwarten, kam ein möglicher Antwortvorschlag der Ampelkoalition prompt – in Form des „Wachstumschancengesetzes“ von Bundesfinanzminister Lindner. Was zunächst hochtrabend daherkommt, nämlich als „Gesetz zur Stärkung von Wachstumschancen, Investitionen und Innovation sowie Steuervereinfachung und Steuerfairness“, wirkt auf den zweiten Blick wenig zielführend – etwa, wenn die sogenannte „Dezemberhilfe 2022“ steuerfrei bleibt oder der Freibetrag für Betriebsveranstaltungen angehoben wird. Noch wird das Lindner-Gesetz sehr zum Ärger der FDP im Kabinett blockiert. Dass jedoch ein Entlastungs- und Maßnahmenpaket in irgendeiner Form kommt, ist nahezu sicher.
Der Staat als aktiver Spieler
Ich bin weiß Gott kein Steuerexperte und vielleicht lerne ich bei meinem nächsten Besuch bei eben dem Profi, der sich um meine Steuerangelegenheiten kümmert, dass die vielen kleinen Details des Wachstumschancengesetzes sich in Summe zu einem großen Ganzen zusammenfügen, das mir als Unternehmer endlich den Spielraum bietet, den ich für Innovationen und zukunftsweisende Entwicklungen brauche. Wunder soll es ja immer wieder geben. Aus meiner Sicht zeigen die aktuellen politischen Bemühungen über alle Ressorts hinweg, dass die Bundesregierung nicht wieder zurück auf ihren Schiedsrichterposten findet, den sie im Rahmen der Corona-Krise verlassen hat, um aktiv auf dem Feld als Spieler mitzuwirken.
Das zeigt auch ein Blick auf aktuelle Zahlen aus dem Gesundheitswesen eindrucksvoll. Demnach belaufen sich laut Statistischem Bundesamt, Destatis, jene Gesundheitsausgaben in Deutschland, die 2021 über staatliche Transfers und Zuschüsse finanziert wurden, auf satte 81,4 Milliarden Euro – 18,8 Prozent oder in absoluten Zahlen knapp 13 Milliarden Euro mehr also noch 2020. Damit sei der Anteil staatlicher Zuschüsse und Transfers gegenüber dem Vorjahr um 1,6 Prozentpunkte auf 17,5 Prozent der laufenden Gesundheitsausgaben von 465,9 Milliarden Euro gestiegen. Als Gründe führt Destatis die Bundeszuschüsse zum Gesundheitsfonds oder auch die direkten Corona-Zuschüsse an.
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Ein System, das künstlich am Leben gehalten wird
Wenn wir also immer wieder mit Hilfen, Zuschüssen oder Konjunkturpaketen bestimmten Bereichen der Wirtschaft unter die Arme greifen, mag das mit Blick auf kurzfristige Ziele zunächst positiv erscheinen – schließlich ist aus Sicht der Politiker nach der Wahl immer auch vor der Wahl. Jeder Euro, der in ein eigentlich nicht mehr funktionierendes und damit auch nicht zukunftsfähiges System investiert wird, ist jedoch ein verschenkter Euro. Denn so halten wir etwas künstlich am Leben, das in seinem jetzigen Zustand nicht mehr lebensfähig wäre.
Was wir stattdessen brauchen, ist vor allem Mut – Mut, die nötigen Schritte anzugehen, die wir gerade im Gesundheitswesen dringend für Veränderungen und echte Innovationen benötigen. Dazu gehört aus meiner Sicht unbedingt ein Abbau von Bürokratie, eine kontrollierte, ich nenne es mal „Spielweise“, auf der sich Unternehmen mit neuen Ansätzen, Ideen und Lösungen ausprobieren können. Denn genau das ist aus meiner Sicht die Rolle, die eine Regierung einnehmen sollte: Rahmenbedingungen schaffen, die es innovativen Ideen erlauben, bestehende Branchen sukzessive zu verändern.
Deutschland den Mutigen?
Von diesem Mut sehe ich bislang jedoch nicht viel. Es werden Konzepte und Ideen aus den verstaubten Beamtenschubladen gekramt, die schon mal da waren, nur um kurz nach ihrem Aufleben wieder in der Versenkung zu verschwinden – vermutlich aus gutem Grund. Wer also nur versucht, alten Wein in neuen Schläuchen zu verkaufen, wird nicht als großer Reformer in die Annalen eingehen. Als Stichwort seien hier stellvertretend die Vorhaltepauschalen aus dem aktuellen Entwurf zur Krankenhausreform genannt.
Ich weiß, dass Veränderungen immer schwer sind. Wenn wir die aktuellen „Wachstumsprognosen“ für die Bundesrepublik richtig deuten, wird jedoch klar, dass wir ohne den Mut für Veränderungen dem Wohlstand, den wir derzeit noch genießen, wohl schon bald Lebewohl sagen müssen. Auch Mediziner müssen manchmal harte Entscheidungen treffen – zum Wohle ihrer Patienten. Und genau diesen Mut und diese Weitsicht würde ich mir aktuell von der Politik wünschen.
Veränderung heißt nämlich nicht zwangsläufig, Verluste hinzunehmen – im Gegenteil. Wer schon die Gelegenheit hatte, in die aktuelle Folge des Smart Health Talks reinzuhören oder zu schauen, weiß, dass Wachstum nicht endlich sein muss und wir durchaus in der Lage sind, Wachstum und Ressourcenschonung in Einklang zu bringen, wenn wir denn Raum für Innovationen lassen. Wir dürfen also durchaus optimistisch in die Zukunft schauen – wenn wir uns trauen, die ausgetretenen Pfade auch hin und wieder mal zu verlassen, um Neues zu entdecken.
Enthusiast. Sogar im Gesundheitswesen. Weltoffenheit ist ein grandioser Nährboden für das Lernen. Überzeugter Europäer. Passion für Compliance.
1 JahrEine gute Haltung.
Inhaber StuppardtPartner und Herausgeber/Editor sowie Chefredakteur bei WELT DER GESUNDHEITSVERSORGUNG
1 JahrOh ja Admir, lass uns das Motto TShirt machen. Gute Idee. Habe schon ne norddeutsche Kurzfassung davon …😄😂
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1 JahrIch steige in die T-Shirt-Bestellung gerne mit ein !