Haben Sie eigentlich Eltern?
Leben ist das, was passiert, während du andere Pläne machst. Was dieser Satz bedeutet, wird einem erst so richtig bewusst, wenn man in Care-Verantwortung kommt. Wenn ein geliebter Mensch darauf angewiesen ist, dass man sich um ihn kümmert. Jetzt. Diese Situation passiert jeden Tag tausendfach. Dennoch sind Unternehmen noch immer nicht darauf eingestellt. Und das, obwohl selbst diejenigen Mitarbeitenden, die eigentlich einen Betreuungsplatz für ihr Kind haben, immer häufiger selbst betreuen müssen. Denn die Bedingungen in der Kinderbetreuung und Pflege verschlechtern sich Jahr für Jahr. Aktuell fehlen bundesweit 430.000 Kita-Plätze. Allein in Nordrhein-Westfalen mussten Kitas im vergangenen Jahr mindestens 16.400 Mal ihre Öffnungszeiten einschränken, weil sie zu wenig Personal hatten. Und während ich diesen Text schreibe, haben in Berlin, wo ich zeitweise lebe, viele Kitas geschlossen, weil die Erzieher:innen streiken.
Care-Arbeit fällt ein Leben lang an
Unternehmen haben es sich beim Thema Vereinbarkeit zu lange zu einfach gemacht. Etwa, indem sie Frauen gezielt von verantwortungsvollen Aufgaben ausgeschlossen haben. So mussten sie sich nicht darum kümmern, was diese Frauen und ihre Familien brauchen, damit beide Elternteile Erwerbs- und Care-Arbeit gleichberechtigt aufteilen und gute Arbeit machen können. Auch heute noch werden Frauen in Bewerbungsgesprächen nach ihrer Familienplanung gefragt. Die Frage ist ein Armutszeugnis für Unternehmen. Denn es zeigt, dass sie immer noch nicht verstanden haben, dass Care-Arbeit nicht weggeht, nur weil sie die Augen davor verschließen. In den kommenden Jahren werden viele Menschen Pflegeaufgaben übernehmen müssen. Denn es fehlt nicht nur an Einrichtungen zur Kinderbetreuung, sondern auch an Angeboten zur Begleitung und Pflege von alten Menschen. Wie absurd die Frage nach der Familienplanung ist, wie absurd auch die Tatsache ist, dass sie ausschließlich Frauen gestellt wird, zeigt sich spätestens, wenn wir Care-Arbeit von beiden Seiten her denken: vom Lebensanfang und vom Lebensende. Niemand würde ernsthaft auf die Idee kommen, einen Mann im Vorstellungsgespräch zu fragen: Haben Sie eigentlich Eltern?
Care-Angebote machen Unternehmen attraktiv
Unternehmen müssen anfangen, sich wertschätzend und pragmatisch mit der Care-Verantwortung ihrer Mitarbeitenden auseinanderzusetzen. In Zeiten des Fachkräftemangels ist die Unterstützung bei der Vereinbarkeit von Beruf und Familie essenziell. Entsprechende Angebote fördern die Produktivität und Loyalität von Mitarbeitenden und ziehen neue Talente an. Gerade junge Menschen schauen genau hin, wie es um die Vereinbarkeitskultur beim (potenziellen) neuen Arbeitgeber steht. Aktuelle Studien unterstreichen die Dringlichkeit des Themas: 78 Prozent der Beschäftigten messen einer familienbewussten Unternehmenskultur hohe Bedeutung bei, selbst wenn sie aktuell keine Care-Aufgaben haben. Neben Wertschätzung und flexiblen Arbeitsmodellen sind konkrete und vor allem zeitgemäße Angebote wichtig.
Zukunftsorientierte Betreuungslösungen finden
Julia Kahle, Gründerin und CEO von heynanny, einem Start-up, das Firmen deutschlandweit dabei unterstützt, kurzfristige und sichere Betreuungslösungen als Arbeitgeberbenefit anzubieten, sagt: "Es ist wichtig, dass Unternehmen im Austausch mit ihren Mitarbeiter:innen sind und wissen, welche Unterstützung diese wirklich brauchen. Viele Vereinbarkeitsangebote sind zwar nett gemeint, aber viel zu umständlich nutzbar. Die Lebenswelt und das Nutzungsverhalten vieler Menschen haben sich in den vergangenen Jahren fundamental geändert. Und der Wandel geht weiter. Unterstützung bei der Betreuung muss leicht zugänglich, vertrauenswürdig und digital buchbar sein."
Denn klar ist: Das Wohl des geliebten Menschen wird immer Priorität für Mitarbeitende haben. Unternehmen, die das anerkennen, können aus einem Angebot neuer und innovativer Vereinbarkeits-Lösungen schöpfen, um es den Menschen in ihrer Organisation einfacher zu machen. Und sich selbst zukunftsfähig aufzustellen. Dafür müssen sie den gesamten Lebens- und Betreuungszyklus in den Blick nehmen.
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von Katja Thiede
Wie Führungskräfte ihre Mitarbeitenden bei der Vereinbarkeit unterstützen und wie Mütter und Väter den Spagat zwischen Elternschaft und Karriere meistern können zeigen wir auch in unserer i40 Masterclass „Working Dad: So gelingt die Vereinbarkeit von Familie und Beruf".
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