Warum Frauenförderung und der Fokus auf Mental Load für Unternehmen gerade jetzt wichtig ist
Deep Work im Home Office
Die Kinder betreuen, den Einkauf machen, die Hausaufgaben kontrollieren und für das Mittagessen sorgen in Zeiten von Corona: all das bedeutet eine Menge Arbeit. Wenn meine Familien-Schicht gegen 14 Uhr vorbei ist, beginnt die zweite. Ich setze mich an meinen Schreibtisch und arbeite meine Mails ab, mein Mann übernimmt die Kinder und die gesamte Hausarbeit. Während ich am Schreibtisch arbeite, werde ich nur in dringenden Notfällen gestört, und das ist gar nicht so selbstverständlich. Wie in den meisten Familien war lange Zeit ich die einzige Ansprechpartnerin für allerlei Kleinigkeiten. Auch im Home Office standen die Kinder mit Fragen und Wünschen in der Tür oder mein Mann bat mich um Rat bei der Essensplanung.
Mental Load: ein Frauenproblem
Besonders oft haben Mütter den Kopf voll mit Aufgaben rund um die Familien-Organisation, die es pausenlos zu erledigen gilt. Das Daran-Denken und Planen ist anstrengend und noch dazu eine sehr unsichtbare Arbeit. Frauen machen das nicht besser, weil sie ein „Kümmer-Gen“ haben, sondern weil sie diese Arbeit gewohnt sind: Care-Arbeit wird Frauen kulturell zugeordnet und so werden bereits kleine Mädchen eher als Jungen dazu erzogen, brav und aufmerksam gegenüber anderen zu sein.
Frauen sind für die Familie, Männer für das Geldverdienen zuständig, diese stereotypen Rollenbilder sind die Hauptgründe für mental belastete Mütter, daran ändert sich auch dann nichts, wenn sie nach der Elternzeit wieder berufstätig sind. Aber auch für viele Väter ist das ein Problem, denn sie haben dadurch weniger Anteil am Familienleben oder leiden unter dem Druck, hauptverantwortlich für die Familienfinanzen zu sein. Außerdem möchten viele Männer nicht länger als „Eltern zweiter Klasse“ wahrgenommen werden und sich mehr einbringen. Problematisch wird es aber vor allem für Frauen, wenn es um die finanzielle Seite geht, denn sie machen die Care-Arbeit samt mentaler Familien-Organisation zuhause unbezahlt, sind im Zweifel ohne Partner arm und leiden auch gesundheitlich unter der Belastung durch einseitiges Familien-Management.
Care-Arbeit sichtbar machen und aufteilen
Nachdem ich vor einem Jahr meinen deprimierenden Rentenbescheid erhielt und noch dazu völlig überlastet mit der Familien-Organisation war, haben mein Mann und ich angefangen, unsere Gewohnheiten zu verändern. Mit Excel-Tabellen und Apps haben wir die Arbeit zuhause quantifiziert, uns eine Übersicht über die Arbeitsbereiche verschafft und neue Verantwortungsbereiche definiert, die wir langfristig oder flexibel verteilen. Nun treffen wir uns einmal wöchentlich zum Küchen-Meeting und strukturieren die unbezahlte Arbeit so, dass jeder möglichst viel Zeit für den Job, die Kinder und sich selbst findet. Im besten Fall ist noch ausreichend Paarzeit drin, da wir die Aufgabenmenge ordentlich ausgemistet und überflüssige To-dos einfach sein gelassen haben. Der Ärger rund um Mental Load ist Gift für eine Partnerschaft, und um das zu vermeiden, brüten wir gerne einmal pro Woche eine viertel Stunde über unseren synchronisierten Kalendern.
Zurück in die 50er
Das hat uns jetzt in der Corona-Krise gerettet und wir kommen ganz gut über die Runden. Anders sieht es bei Freundinnen und Bekannten aus, die sich in die 1950er Jahre zurückversetzt fühlen. Viele Mütter sind besonders jetzt, da Kindergärten und Schulen geschlossen sind, zuständig für alle Kinderfragen, wissen genau, wie der Tag abläuft und kümmern sich um alle Familien-Belange, egal, ob sie erwerbstätig sind oder nicht. Dort, wo die Regel gilt, dass Mama immer Bescheid weiß, wenden sich Kinder (und auch der Partner) an sie. In einem aktuellen Artikel in der ZEIT mit dem Titel „Das Patriarchat lebt“ ist die Sprache von der bösen Erkenntnis, dass es schnell vorbei ist mit der Emanzipation, wenn es darauf ankommt.[i] Verzweifelte Mütter fragen sich überall, wie es gelingen kann, nicht mehr für alles zuständig zu sein. Ob Anwältin, Kassiererin oder selbstständige Yoga-Lehrerin: die Frauen sind müde, erschöpft und spüren, dass sie viel weniger gleichberechtigt leben als gedacht.
Warum Mental Load auch Unternehmen angeht
Mit diesem akuten Problem müssen sich auch Firmen beschäftigen, wenn sie weiterhin von diversen Teams profitieren wollen. Die sind nachweislich erfolgreicher, denn „gemischte Teams lassen Diskussionen entstehen und unterschiedliche Sichtweisen aufeinandertreffen. Erst dadurch entwickeln sich oft neue Lösungen und mehr Innovationskraft,“ heißt es in den Studienergebnissen der Unternehmesberatung Ey. Daher ist eine entsprechende Atmosphäre in den Firmen wichtig, in der Eltern und besonders Mütter gefördert werden und in der Vereinbarkeit von Beruf und Familie ein wichtiges Anliegen ist. Dazu gehören neben flexiblen Arbeitsplätzen, Betriebskindergärten und der Förderung von Elternzeiten (insbesondere von Vätern) eben auch die Auseinandersetzung mit der mentalen Belastung von Frauen durch Familien-Organisation. Ein Umdenken in den Köpfen beinhaltet die Erkenntnis, dass die unbezahlte Arbeit zuhause, das Familien-Management, wertvoll, notwendig und anstrengend ist, und unbedingt gerechter unter den Geschlechtern aufgeteilt werden muss. Dass Frauen keine Ambitionen haben, beruflich voran zu kommen, ist übrigens ein Trugschluss, daran ändert auch die Familiengründung nichts. Dagegen werden die Ambitionen der Mitarbeiter*innen stark von der Unternehmenskultur beeinflusst, wie eine Studie von Boston Consulting Group zeigt. Frauenförderung geht auch nicht zu Lasten von Männern, ganz im Gegenteil: „Schlaue Frauen ziehen schlaue Männer an und umgekehrt, so einfach kann das manchmal sein“, schreibt Julia Häkel, Vorsitzende der Geschäftsführung von Gruner + Jahr, in der aktuellen Ausgabe der ZEIT.[ii] Die Unternehmensberatung BCG weist deutlich auf die Brisanz von Mental Load für die Unternehmen hin: „Wenn es Unternehmen ernst damit ist, mehr Frauen in Führung zu bekommen, müssen sie sich mit der Last der häuslichen Verantwortung und ihrem Beitrag dazu, Frauen zu entlasten, auseinandersetzen.“
Frauenförderung: so wichtig wie nie zuvor
Wir fördern seit Jahren die Berufstätigkeit von Frauen und haben noch einen weiten Weg vor uns. Damit uns die Krise nicht tausende Schritte zurückwirft, ist jetzt der richtige Zeitpunkt, um auf die Belastung durch Mental Load aufmerksam zu machen, die besonders Frauen betrifft und während der Corona-Krise noch einmal gestiegen ist.
In der Krise wird auch klar, wie wertvoll es ist, Frauen in Führung zu haben: „Von Island bis Taiwan und von Deutschland bis Neuseeland setzen sich Frauen dafür ein, der Welt zu zeigen, wie man eine chaotische Situation bewältigen kann. Fügen Sie Finnland, Island und Dänemark hinzu, und diese Pandemie zeigt, dass Frauen das Zeug dazu haben, große Herausforderungen zu meistern, wenn es brenzlig wird“, schreibt Avivah Wittenberg-Cox im Forbes-Magazin.[iv]
Als Eltern einer Erwerbstätigkeit nachzugehen ist längst keine Frage des Geschlechts mehr, aber zuhause die Familie zu organisieren ist bis heute meist Aufgabe der Frauen. Hier müssen wir ansetzen, um für mehr Gleichberechtigung zu sorgen. Unser Zuhause sollte nicht länger ein gegenderter Raum sein, sondern der Arbeitsplatz von Frauen UND Männern. Nie war die Erkenntnis so wichtig wie jetzt und noch nie war es so dringend, nach enstprechenden Lösungen zu suchen. Den Mental Load zu teilen ist der Weg in die richtige Richtung, auch für Unternehmen. Packen wir es an!
Schritte für Unternehmen und ihre MitarbeiterInnen
Erster Schritt: Sensibilisierung für das Thema
Zweiter Schritt: Lösungen aufzeigen
Dritter Schritt: Transfer in die Praxis
[i] Das Patriarchat lebt, in: ZEIT Nr. 19, 29-4-2020.
[ii] Julia Häkel: Zurück in die Männerwelt, in: ZEIT Nr. 19, 29-4-2020.