Harakiri der französischen Konservativen: Warnung für die Merz-CDU
Frankreichs Konservative (Les Républicains) haben sich seit dem Beginn der Woche entleibt: Der bis dato Vorsitzende Eric Ciotti wollte gemeinsame Listen zur Nationalversammlungs-Wahl Ende Juni mit dem rechtsextremen Rassemblement National von Marine Le Pen aufstellen. Da riss den anderen Führungspersonen der Républicains der Geduldsfaden, sie erklärten ihn für abgesetzt. Ciotti ließ dem Drama die Farce folgen und verbarrikadierte sich in der Zentrale, was seinen Sturz auch nicht mehr aufhielt.
Dennoch werden die Konservativen, mit der CDU in der EVP verbunden, bei der Wahl als Anhängsel der Rechtsextremen Kandidaten aufstellen. Noch zu Beginn der 2010er-Jahre unter Nicolas Sarkozy waren sie Frankreichs führende Kraft - nun enden sie als Wurmfortsatz der Rechtsextremen.
Was das mit der CDU und ihrem Vorsitzenden Friedrich Merz zu tun hat? Eine ganze Menge. Die Républicains sind seit Jahren in wichtigen Fragen wie der Dramatisierung der Zuwanderung hinter dem Front National, heute Rassemblement National, hergelaufen. In der Illusion, damit eigene Wähler zu binden oder zurückzugewinnen. Statt auf Frankreichs Öffnung und Modernisierung zu setzen, begannen sie, eine nationale Leitkultur gegen den Islam zu beschwören.
In der politischen Auseinandersetzung haben sie nicht die Antidemokraten, sondern vor allem die Parteien links von sich bekämpft. Themen wie den Umweltschutz, der auch den Franzosen sehr am Herzen liegt, haben sie als überdreht und bestenfalls als Auftrag zum Bau von Atomkraftwerken interpretiert.
Man sieht hier – leider – manche Übereinstimmung mit der Merz-CDU. Der dramatisiert die illegale Zuwanderung. Behandelt Muslime, die ihren Kopf als Polizisten, Soldaten, Pfleger oder Lehrerinnen für diese Gesellschaft hinhalten, als latente Gefahr für die deutsche Leitkultur.
Zur von allen Ökonomen befürworteten Zuwanderung im Umfang von mehreren hunderttausend Personen zur Sicherung unseres Arbeitskräfte-Potenzials äußert Merz sich nie. Er bekämpft die Ampelparteien, als ginge von denen eine Gefahr für Deutschland aus. Harte Konfrontation ist gut und nötig. Aber den demokratischen Gegner so zum Feind zu machen ist eine Politik, die nur Wasser auf die Mühlen der AfD leitet.
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Merz Schlingerkurs gegenüber der AfD
Zu den Rechtsextremen kommen ab und an ein paar pflichtschuldige, öfter verwirrende Bemerkungen von Merz: Mal grenzt er sich ab, mal schließt er eine Kooperation unterhalb der Bundesebene nicht aus, dann wieder will er falsch verstanden worden sein. Er äußert sich verwirrend über eine Brandmauer, statt zielstrebig das abenteuerliche Wirtschafts- und Europaprogramm der AfD zu sezieren. So innbrünstige und ständige Salven, wie er sie gegen die Ampel verschießt, widmet er der AfD nicht. Dabei geht von der eine echte Gefahr für Deutschland aus.
Unternehmerinnen und Verbände stellen sich mittlerweile konsequent gegen die AfD, erläutern, wieso deren Politik unseren Wohlstand und unser Zusammenleben gefährden. Und Merz?
Selbstsicher behauptete Merz, er werde die AfD halbieren. Stattdessen hat die CDU bei der Europawahl 600 000 Stimmen an die AfD verloren, mehr als die SPD. Merz scheint das nicht einmal wahrzunehmen. Er jazzt Themen wie das „Verbrenner-Verbot“ hoch, die Standardware der AfD sind. Dabei ist das Problem der deutschen Autoindustrie nicht der Verbrenner, sondern ihr Scheitern auf dem größten Automarkt der Welt, China: Der stellt sich auf E-Autos um. Von den Millionen Stromern, die dort nachgefragt werden, können die deutschen Hersteller nur einen Bruchteil in ihre Orderbücher leiten - die eigenen Modell sind zu unattraktiv.
Die abseitige Verbrenner-Polemik steht stellvertretend für ein Kardinalproblem der CDU: Ihre Wirtschaftskompetenz nimmt rasant ab. Unter Merkel lag diese Zuschreibung bei der Europawahl 2019 noch bei 47 Prozent. 2014 schaffte die Merkel-CDU sogar 54 Prozent. Heute, unter Merz, sind es noch 36 Prozent. (infratest-dimap 9.6.2024) Auch das ignoriert er souverän. Ihm reicht, dass die Mittelstandsvereinigung der CDU ihn für kompetent hält – was zählt da der Wähler!
Selbstbewusste CDU ist notwendig
Deutschland braucht eine starke CDU. Ohne starke Konservative lässt die AfD sich nicht bekämpfen. Stark ist die CDU aber nicht, wenn sie streckenweise hinter der AfD her eiert. Stark ist sie auch nicht automatisch, wenn die Ampel schwach ist. Stark ist sie ebenfalls nicht, wenn sie den Umweltschutz als Hindernis für die Wirtschaft diffamiert. Der gerade verstorbene Klaus Töpfer hat gezeigt, dass Konservative dann den Ton angeben, wenn sie nicht ideologisch, sondern als Problemlöser unterwegs sind. Das bedeutet: Wenn sie auch beim Umweltschutz vorne mitmischen.
Noch trennt die CDU sehr viel von den französischen Konservativen und deren Sturz in die Bedeutungslosigkeit. Merz ist aber dabei, aus Verblendung oder Unfähigkeit einen ähnlichen Weg einzuschlagen wie den, der die einst stolze Partei am Ende ins Desaster geführt hat. Noch gibt es genug Leute in der CDU, die wissen: Konservative machen kein Zugeständnis an die Linke, wenn sie Rechtsextreme bekämpfen. Sie folgen damit selbstbewusst den eigenen Werten. Aber sie sind kaum hörbar.
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6 MonateSehr gute Analyse der Parallelen zwischen den beiden Parteien Thomas Hanke . Es muss in Deutschland ein starkes Zentrum erhalten bleiben das sich nicht von Polemik gegen EU Bürokratie, Umweltschutz und Einwanderung von Rechts vorantreiben lässt und damit nur am Ast sägt auf dem sie sitzen..
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6 MonateDanke für diese gut begründete Analyse der französischen und der deutschen Konservativen. Ich sehe auch, dass es starke konservative Kräfte braucht, um die #noAfD zu besiegen. Allerdings hat uns die #Merz #CDU dabei bisher in der Tat nicht geholfen. Merz sieht die Grünen als größten politischen Feind und begreift Ökologie und Klimaschutz nur als Behinderung der deutschen Wirtschaft (anders als der geschätzte Klaus Töpfer🙏). So kann man kaum die #noAfD klein halten, aber vermutlich auch nicht #Kanzler werden. 🤷🏼♂️