Ich gebe meinen Chefposten und damit Einfluss, Prestige (und Geld) auf, um zu meinen Wurzeln zurückzukehren – hier sind meine Gründe

Ich gebe meinen Chefposten und damit Einfluss, Prestige (und Geld) auf, um zu meinen Wurzeln zurückzukehren – hier sind meine Gründe

Ich habe mir selbst ein Geschenk gemacht. Ich werde bald zu hundert Prozent wieder das sein, was ich immer werden wollte: Journalist.

Daher gebe ich meine Aufgaben als Co-Geschäftsführer und -Chefredakteur von Business Insider Deutschland an der Seite von Jakob Wais ab. Aus unserem Team rücken Felix Lander zum Co-Geschäftsführer und Kayhan Özgenc zum Co-Chefredakteur auf. Hinzu kommt Carline Mohr als Stellvertretende Chefredakteurin hinzu.

Ich bleibe bei Business Insider, reihe mich in die Redaktion ein und werde vorwiegend über volkswirtschaftliche Themen berichten. In meiner Signatur steht dann: „Journalist. Business Insider Deutschland“. Ich freue mich sehr darauf. 

Mein Schritt ist für viele ungewöhnlich und auch ein Wagnis. Deshalb möchte ich mich zuerst bei allen bedanken, die mir dies ermöglicht haben, allen voran bei Jakob Wais, Jan Bayer, Mathias Döpfner, Claudius Senst – und natürlich bei Dir, Juliane.

Die vergangenen drei Jahre waren wild. Gemeinsam haben Jakob und ich Business Insider in Deutschland neu aufgestellt und mit dem gesamten Team zu einer relevanten und unverwechselbaren Stimme im deutschen Wirtschaftsjournalismus gemacht. Der Zusammenschluss mit Gründerszene ist gelungen und trägt Früchte. Das Team ist gut aufgestellt. Mit Felix und Kayhan gibt es darin die idealen Nachfolger für mich.

Jetzt oder nie! 

Jetzt ist der richtige Zeitpunkt, mir meinen Traum zu erfüllen, zu meinen journalistischen Wurzeln zurückzukehren. 

Für mich war schon früh klar, dass ich Journalist werden wollte. Ich habe im Wortsinn mit der Zeitung lesen gelernt. „Weser“ und „Kurier“, waren die ersten Worte, die ich lesen konnte. Ich fand es immer aufregend, wenn in der Welt Aufregendes los war und saugte alles über Radio, Fernsehen und Zeitung auf. Spätestens als ich Gregory Peck in „Ein Herz und eine Krone“ sah, war ich in den Journalismus verliebt (und in Audrey Hepburn).

Nun schließt sich ein Kreis. Fast 40 Jahre ist es her, seit mein erster Artikel im Ostfriesischen Kurier erschienen ist. Ich hatte das Glück, bei der Deutschen Presse-Agentur volontieren zu können, war Korrespondent in der Hauptstadt als die noch Bonn hieß. Ich habe die Wirtschaftsnachrichten-Agentur dpa-afx mitgegründet. Mit der Financial Times Deutschland bin ich nach Berlin gekommen, wo ich hingehöre. Seit 2004 bin ich hier bei Axel Springer, zunächst bei der Welt am Sonntag, dann digital bei der Welt, nun bei Business Insider. 

Mein Weg hat mich früh an die Grenze zwischen Redaktion und Management geführt. Mal auf die eine, mal auf die andere Seite. In der ersten Hälfte meine Karriere habe ich vom Boom des Wirtschaftsjournalismus profitiert. In der zweiten habe ich versucht mitzuhelfen, für den durchgerüttelten Journalismus ein Geschäftsmodell für die digitalen Ära zu finden. Bei Business Insider durfte ich beides miteinander verbinden. 

A lucky man.

Jetzt ist der richtige Zeitpunkt, einen Teil dieser Aufgaben anderen zu überlassen, die vieles längst viel besser können. Ich wiederum finde, dass ich es mir verdient habe, wieder einfach Journalist sein zu dürfen. 

Auf dem Weg zu meiner Entscheidung, habe ich gelernt, dass mein Schritt aus mehreren Gründen ungewöhnlich erscheint. 

Erstens, weil ich von der Karriereleiter absteige. Ich verzichte auf eine großartige, erfüllende Führungsrolle, auf Einfluss, Titel und auch auf Geld. Warum mache ich das? 

Ich war in meiner jetzigen Rolle keinen Tag unzufrieden. Und doch begleitet mich schon lange, der Gedanke, dass ich am allerliebsten wieder Reporter sein würde. Erst war der Gedanke leise, eine Idee im Konjunktiv. „Eigentlich würde ich gern, wenn ...“ Lange war die Idee chancenlos gegen den mächtigen Status Quo, gegen meinen Drang, gestalten zu wollen, und die Möglichkeit, bestimmen zu können, chancenlos gegen Prestige, Aufmerksamkeit und auch gegen das Geld. 

Doch die Idee hatte sich eingenistet und wuchs zum Wunsch heran. Irgendwann gestand ich mir, dass ich, wäre ich wirklich frei, meinen Chefposten eintauschen würde, gegen eine Rückkehr an die Basis. Dabei mag auch mein 60. Geburtstag eine Rolle gespielt habe, vielleicht sogar ein Radunfall im vergangenen Jahr. Meine Zeit im Beruf ist absehbar endlich. Was würde ich in dieser Zeit wirklich am liebsten machen? 

In meinem Berufsleben habe ich vieles erreicht, was schwer zu erreichen ist. Nun lernte ich, dass es noch schwerer ist, all das wieder loszulassen.

Ich sprach darüber mit meiner Frau Juliane: Ihre Antwort setzte den Ton für weitere Gespräche: „Wenn Du das wirklich willst, warum machst Du es dann nicht?“ Wem immer ich dann erst von meiner Idee und schließlich von meiner Entscheidung erzählte: in jeder Reaktion schwang eine Prise „das-würde-ich-auch-gern-mal-machen“ mit.

Zweitens erscheint mein Schritt ungewöhnlich, weil ich als Mitglied in das Team einschere dessen Chef ich bisher war. Kann das gutgehen? 

Ich finde, es ist den Versuch wert. Ich meine es ernst. Ich möchte keinen anderen Titel als „Journalist“. Aber ich bin auch nicht naiv. Meinen Platz und meine Rolle im Team werde ich erst finden müssen. Ich werde lernen müssen, öfter mal die Klappe zu halten. Das Team muss lernen, mich als Kollegen zu sehen. Wenn das irgendwo gelingen kann, dann mit diesen sehr besonderen Menschen in der Redaktion von Business Insider und Gründerszene. 

Drittens, weil als weißer Elefant diese eine Frage im Raum steht: ob ich jetzt kürzertreten will (auf meine alten Tage).

Will ich nicht! Aber auch das werde ich erst beweisen müssen. 

Von den vielen Management-Moden, die ich hab kommen und gehen sehen, hat sich ja ausgerechnet eine Kultur des „Up or Out“ verfestigt. Ich habe von solchen Lehren nie viel gehalten. Im Gegenteil ist es eine Führungskunst, für Menschen in einem Unternehmen jene Rolle zu finden, die ihnen am besten entspricht. Dabei finde ich es wichtig, auf Karrierepfaden auch Seiten- und Rückwege offen zu halten. 

Eine andere Management-Weisheit besagt, Menschen müssten ihre Komfortzone verlassen, um mehr Leistung zu bringen. Daran ist etwas Wahres. Es war immer mein Ansporn, mich auf neues Terrain zu wagen, meine Möglichkeiten zu testen und meine Grenzen. Im Ergebnis habe ich den größten Teil meines Arbeitslebens außerhalb meiner Komfortzone verbracht. Ich habe neue Potenziale in mir entdeckt und entfalten können. Aber alles hat seinen Preis. In der Fremde, im Offenen, konnte ich auch manches Potenzial nicht nutzen, das ich "zu Hause" hätte zur Geltung bringen können.

Diesen Weg gehe ich nun bewusst: Zurück in eine alte Komfortzone, zurück auf das Terrain, auf dem ich heimisch bin. Zurück zum Journalismus, wo ich mich immer am wohlsten gefühlt habe. Nicht, um es mir gemütlich zu machen, sondern um mich auszutoben. Und auch um herauszufinden, ob ich das alles überhaupt noch kann. 

Ich werde hier gelegentlich darüber Auskunft geben, wie es mir dabei ergeht. 

Frage: „Romanus, wo siehst Du Dich in 5 Jahren?“

Romanus: „Als Journalist. Bei der Arbeit.“ 

Hartmut von Ameln

Gründer bei Kardiologische Gemeinschaftspraxis

2 Jahre

Das iss ja mal ne Variante…toll

André Petzold

Geschäftsführer / Managing Director bei Verimi

2 Jahre

Lieber Romanus, tolle Entscheidung! Ganz viel Freude mit der neuen alten Tätigkeit!!

Beste Entscheidung! Chapeau

Thomas Wanhoff

Owner at Wanhoff Webservices/Homecare Cambodia

2 Jahre

Cooler Schritt. Ein Vorbild.

Sissi Hajtmanek

Bringen Sie Ihre Veranstaltung und Ihren Auftritt auf ein neues Level! Mit jahrzehntelanger Erfahrung im Event-, Film- und Medienbereich unterstütze ich Sie bei all Ihren Vorhaben – digital und live.

2 Jahre

Bravo! Tolles Vorbild für andere. So geht New Work heute. Abgesehen davon: Journalist zu sein ist eine Berufung. Seinem Herzen zu folgen daher umso konsequenter. Und die Burn-out-Gefahr sinkt auch drastisch. Tolles Beispiel! Wer es machen kann, sollte es machen, sollte sich das gönnen. Ich kann auch nur aus meiner eigenen Erfahrung sagen: es ist mehr als ein Lottogewinn, dem Herzen nachzugeben und eine - vielleicht für andere- unpopuläre Entscheidung beruflich zu treffen. Ich habe es noch keine Sekunde bereut. Viel Freude im Traumjob!

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