"Ich will immer einen Impuls setzen"
Auf dem Frankfurter Börsenparkett erkennt man ihn sofort. Mit Schick, Charme und markanter Stimme berichtet Mick Knauff vom Tagesgeschehen an der Börse. Der in Brilon gebürtige Börsenjournalist lässt die Kolleg*innen blass aussehen, weil er die Komplexität des Aktienhandels versteht und lebt. Und er hat eine Mission: „Tu was Intelligentes mit deinem Geld. Denn Dividenden sind und bleiben die neuen Zinsen.“ Deswegen auch sein neues Projekt: aktienlust.tv
Herr Knauff, was macht die derzeitige Börsenlage so spannend?
2018 war ein außergewöhnliches Jahr, ganz klar. Die Börse befand sich praktisch die ganze Zeit im Korrekturmodus. Man darf nicht vergessen, dass die Politik immensen Einfluss auf das Börsengeschehen hat. Allein die Angst vor höheren Zöllen hat die Aktien der Automobilunternehmen und Zulieferer nach unten rauschen lassen, dazu kam das Ungemach des Dieselskandals. Da haben einige AGs ordentlich Federn lassen müssen. Zusätzlich bleiben der Handel und der Umgang mit Aktien hier in Deutschland sehr speziell. Viele Anleger agieren sehr zurückhaltend. Man setzt hierzulande eben gerne auf Sicherheit. Da müssen nur Umschichtungen bei den großen US-Fonds passieren und schon merken wir, wie sehr wir am Tropf Amerikas und der US-Börse hängen. Was 2018 ebenfalls schwierig machte, war das Wahnsinnsszenario des Brexit. Kommt er, kommt er nicht, kommt er geordnet oder ungeordnet? Wie geht es dann überhaupt weiter auf der Insel, was ist mit Irland und Schottland? Dann die Frage: Was machen die Italiener mit ihrem Haushalt? Die wollen richtig, richtig Geld – was eigentlich so nicht vorhanden ist.
Zeichnen sich für das Jahr 2019 ein paar größere Trends ab?
2019 könnte ein ruppiges Jahr werden: Der Brexit soll vollzogen werden, der italienische Staatshaushalt steht immer noch nicht und dann die Frage, ob es zu einer Verständigung zwischen den USA und China kommt. Zusätzlich die Spekulationen um die Notenbanken. Die EZB könnte leicht an der Zinsschraube drehen und die Federal Reserve in den USA durchaus einen weiteren Zinsschritt erwägen. Dem Normalbürger stellt sich bei dieser Gemengelage die Frage, ob er mit dem, was er später an Rente bekommt, überhaupt leben kann. Klar, die Rente mag sicher sein, aber 900 oder 1000 Euro reichen eben nicht, um in Frankfurt oder München zu überleben. Also sollte man frühzeitig über Immobilien oder Aktien als Altersvorsorge nachdenken. Vielleicht, so hoffe ich, bedingt das bei einigen ein Umdenken. Das kleinere Rädchen am Wagen bleibt Gold, als reine Sicherheitswährung. Mit Gold werde ich natürlich keine hohen Rendite einfahren. Aber ich sage immer: Wer’s als Sicherheit braucht, bitte. Ich kann nur Warren Buffett, den Starinvestor aus Omaha, zitieren: „Wenn ich das als Aktie kaufe, was ich kenne, mit dem ich täglich umgehe oder was ich konsumiere, dann kann ich auch an der Börse langfristig Geld verdienen oder mir für meine Rente ordentlich was ansparen.“ Die Betonung liegt hier auf „langfristig“. Aber es wird auch im neuen Jahr wieder die zwei Faktoren geben, die die Anleger fest im Griff halten. Der erste Faktor ist Angst. „Ich gehe nicht rein, weil ich mich nicht traue. Oder verkaufe zu früh, weil ich mich von der Nervosität der Anderen anstecken lasse.“ Der zweite Faktor ist die Gier. Die hat bei den Menschen und an der Börse schon viel zerstört. Da wird der letzte Groschen in Dinge wie Binäre Optionen oder Kryptowährungen investiert, ohne zu wissen, was oder wer eigentlich dahintersteckt. Ein Kardinalsfehler.
"Die Deutsche Bank ist im Grunde eher eine Rechtsanwaltskanzlei mit Banklizenz"
Was wird mit den Banken?
Das ist schon bitter, was da passiert. Nach 30 Jahren muss die Commerzbank den DAX verlassen und die Deutsche Bank ist um mehr als die Hälfte eingebrochen. Die deutschen Großbanken haben ein massives Vertrauensproblem. Sie haben zudem einen wichtigen Trend verschlafen. Nur weil hierzulande noch so viel mit Bargeld bezahlt wird, haben sie sich nicht mit dem bargeldlosen Bezahlen beschäftigt. Weltweit wird aber immer weniger das Portemonnaie gezückt, eher die Kreditkarte oder das Smartphone. Mittlerweile wird sogar offen darüber nachgedacht und spekuliert, was wäre, wenn die Deutsche Bank mit der Commerzbank zusammengehen würde. Die Angst vor einer Übernahme, beispielsweise der Deutschen Bank durch asiatische oder amerikanische Unternehmen, sorgt auch bei der Bundesregierung für massives Stirnrunzeln. Schon jetzt hört man aus den höheren Banketagen, dass man irgendwann nur noch der Abwickler für die großen Technologiekonzerne ist. In Frankfurt wird schon gewitzelt: Die Deutsche Bank ist im Grunde eher eine Rechtsanwaltskanzlei mit Banklizenz als wirklich eine Bank.
Ist der Hype der Kryptowährungen schon vorbei oder kommt da noch was?
Da ist seit dem vergangenen Jahr fraglos Ernüchterung eingetreten. Natürlich haben hier einige Investoren, die sehr frühzeitig eingestiegen sind, Geld verdient, die Masse allerdings sicher nicht. Wenn es um die Kryptowährungen auch in Zukunft gehen sollte, dann würde ein „Amazon Coin“ vielleicht Sinn machen, weil man weiß, was und welches Unternehmen und welcher Zweck dahinterstecken. Alles andere ist viel zu unsicher, also hochspekulativ, und vor allem auf langfristige Sicht nicht unbedingt attraktiv. Was allerdings in der Zukunft bedeutsam sein wird, ist die Technik dahinter, die sogenannte „Blockchain“.
Spüren Sie, dass die Digitalisierung das Handelsgeschehen stark beeinflusst - oder hat sich in den letzten zwei Jahrzehnten eigentlich nichts geändert?
Das Internet hat dazu geführt, dass die Reihen auf dem Börsenparkett dünner geworden sind. 100 Makler sind vielleicht noch da, und die handeln ja kaum noch miteinander. Alle Geschäfte werden online getätigt. Wer die schnellere Leitung hat, liegt vorne. Ob er dabei im Frankfurter Börsensaal oder auf Malle sitzt - online kann ja jetzt jeder günstig Aktien oder andere Finanzinstrumente kaufen. Dazu braucht es noch nicht einmal den Bankberater in der eigenen Filiale.
"Ein kleines Portfolio reicht"
Überall Meldungen, Newsfeeds, Produktbewertungen im Sekundentakt: Ist die Börse nervöser geworden, was die kurzfristige Krisen oder plötzliche Gewinnwarnungen angeht?
Die Börsen dieser Welt reagieren heutzutage schneller als früher, wo man erst alles über Zeitungen, Ticker-Meldungen oder Faxe erfahren hat. Insoweit ist es richtig, dass der digitale „Newsflow“ hier sicher für mehr und schnellere Volatilität oder Unruhe gesorgt hat. Kurskorrekturen sind allerdings auch wichtig für den Markt. Sich davon nicht kirre machen zu lassen, ist die hohe Kunst. Es gibt keinen Chart der immer nur nach oben läuft! Die Märkte müssen auch mal „ausatmen“. Für den normalen Anleger ist es auch weiterhin richtig, sich nicht mit Finanzinstrumenten wie Kryptowährungen, Binären Optionen oder massiven Hebelprodukten zu beschäftigen, die er nicht versteht oder weiß, wie man damit umgeht. Da muss man sich auskennen, Spezialist sein. Richtiger ist es, ein kleines Portfolio von 10 bis 15 Aktien zu haben, dabei auf Unternehmen zu achten, die schon seit langem Dividenden zahlen und ein stabiles, auf die Zukunft gerichtetes Geschäftsmodell vorweisen. Dazu dann Ruhe und Gelassenheit, auch wenn die Märkte mal runtergehen, reicht völlig aus, um sich über langlaufende Gewinne zu freuen und mit Weitsicht gutes Geld zu verdienen. Das bewahrt dann auch vor schlaflosen Nächten.
Sie können sowohl mit Börsenliebhabern als auch Börsenkritikern gut umgehen. Wie kommt das?
Ich habe meine Rolle auch erst finden müssen. Ich mache jetzt seit 20 Jahren Börse. Teilweise stand ich zwanzigmal am Tag live vor der Kamera. Dazu habe ich seinerzeit das deutsche Anleger-Fernsehen mitbegründet. Das Gute ist: Man lässt mich in Ruhe meine Arbeit als Korrespondent und Journalist machen. Auch weil ich eine dezidierte Meinung habe. Ich will immer einen Impuls setzen, wenn ich aus Frankfurt berichte. Ich bringe die Leute mit der Börse zusammen, um ihnen den Sinn eines Investments in Aktien näher zu bringen. Überlege mal, mit was du dir die Haare wäschst, die Zähne putzt, welches Wasser oder Lebensmittel du isst oder über wen du deine Weihnachtsgeschenke bestellt hast. Könnte das nicht ein Grund sein, in eines dieser Unternehmen zu investieren, weil sie eben weniger krisenanfällig als andere sind?! Andererseits haben wir ja den Trend mit der Gesundheit. Auch da gibt es große Möglichkeiten, ohne dass man sich „verzocken“ kann. Zudem bin ich ein großer Fan des deutschen Mittelstandes und somit auch des MDAX, denn da sitzen mittlerweile 60 Unternehmen der verschiedenen Branchen drin, die nicht nur weltweit anerkannt sind, sondern deren Produkte auch international verkauft werden. Wahre Perlen und auch Dividendenzahler! Man muss es doch so deutlich sagen: Die Dividenden sind die neuen Zinsen. Das, was ich durch Inflation und auf den Bankkonten verliere, hole ich mir mit den Dividenden zurück. Das will ich transportieren.
"Das, was ich durch Inflation und auf den Bankkonten verliere, hole ich mir mit den Dividenden zurück."
Im Gegensatz zu anderen Korrespondenten wirken Sie immer erfrischend vital. Was ist Ihr Geheimrezept?
Ich glaube erstmal an den Sinn der Aktie als Sachwert. Wir Deutsche bekommen das Börsengeschehen ja in der Schule nicht erklärt. Von der Politik ganz zu schweigen. Das ist in anderen Ländern anders, da wird den Kindern schon früh mitgegeben, dass sie für später vorsorgen müssen. Zudem ist die Börse für mich täglich neu und als Rheinländer bin ich einfach ein positiv denkender Mensch. Ich erlebe deshalb auch viel Zuspruch, besonders von jungen Leuten, denen ich mit meinem Partner über die Plattform aktienlust.tv die Börse über Videos erkläre. Die sagen: „Herr Knauff, das finde ich toll, was und wie Sie mir das erklären.“ Ich versuche dabei das Börsengeschehen den Menschen mit einfachen Worten näherzubringen, ohne Kauderwelsch. Ich sage auch klipp und klar: Nein, du musst nicht mit 10 000 oder 15 000 Euro einsteigen. Es reicht zu Beginn, wenn du mit 100 Euro im Monat dabei bist. Es geht um die Laufzeit. Desto jünger, desto ertragreicher. Aus 48 000 Euro, die du im Laufe deines Lebens dann investierst, können, mit einer Jahresrendite von durchschnittlich 7 Prozent, am Ende 260 000 Euro werden, durch den Zinseszinseffekt. Denk nach! Ist das nichts? Na also, dann fang an! Diesen „Hunni“, den du da monatlich in die Börse steckst, der wird dir später gut tun.