Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß
Unternehmensjuristen und Controlling – zwei Welten?
Anlässlich einer Veranstaltung für Unternehmensjuristen sprach ich mit dem Leiter der Rechtsabteilung eines großen Nutzfahrzeugherstellers über das Für und Wider von Controlling der Rechtsabteilung. Sein Statement war klar: solange es geht, werde ich verhindern, dass die Rechtsabteilung zahlenmäßig durchleuchtet wird; das führt nur zu Personalabbau und bringt keinen Zugewinn an Qualität. Bei vielen anderen wird zusätzlich der Gedanke mitlaufen, dass sich Rechtsberatung nicht in Kennzahlen abbilden lässt und dahinter lässt sich das chimärenhafte Bild der anwaltlichen Unabhängigkeit vermuten. Willkommen im gallischen Dorf.
Kennzahlen helfen zu verstehen - allen Beteiligten
Recht im Unternehmen ist keine statische Größe, sondern eine dynamische Quelle der Wertschöpfung bezogen auf die Steigerung des Unternehmenswertes und der Profitabilität. Kennzahlen verdeutlichen einerseits den Beitrag, den Recht zum Unternehmenserfolg beisteuert, andererseits sind sie Steuerungsgrößen für Effektivität und Effizienz. Sie helfen, Recht ökonomisch sinnvoll einzusetzen und damit das Verhältnis von Kosten und Nutzen für das Unternehmen ständig zu verbessern. Sie unterstützen die Entscheidungen, welche Aufgaben intern, welche extern bearbeitet werden sollen und sind Basis, die internen und externen Kosten für Recht sinnvoll zu steuern. Zugleich knüpfen Kennzahlen an die Arbeits- und Denkweise der Betriebswirtschaft an und schaffen damit eine andere Grundlage der Verständigung im Unternehmen als eine eher anwaltlich geprägte Diktion.
Fachabteilungen und Geschäftsleitungen beklagen in der Zusammenarbeit mit Rechtsabteilungen häufig das Blackbox-Phänomen nach dem abgewandelten Sprichwort: vor der Rechtsabteilung und auf hoher See ist man in Gottes Hand. Symptome wie die späte Einschaltung der Rechtsabteilung oder nur bruchstückhafte Informationen sind Ausdruck dieser latenten Vorbehalte.
Kennzahlen als Instrument, Wertschöpfung zu kommunizieren
Rechtsabteilungen tuen sich und ihren internen Kunden keinen Gefallen, wenn sie in dem Konzert der Kennzahlen nicht mitspielen. Die betriebswirtschaftliche Logik ist (derzeit) eine feste Rahmenbedingung, der sich alle Fachabteilung stellen müssen. Mit der gleichen Begründung wie Recht könnten andere wichtige Unternehmensfunktionen wie z.B. HR oder Controlling für sich in Anspruch nehmen, in ihrer Kernleistung nicht messbar zu sein. Würden Betriebswirte das verstehen? Gerade Recht braucht mit seinem Beitrag zum Unternehmenserfolg nicht hinter dem Berg zu halten. Der Wertschöpfungsbeitrag durch Recht lässt sich vergleichsweise einfach ermitteln über den Einkaufs-Wert der Leistung der Rechtsabteilung für den internen Kunden, bzw. die Beurteilung der Frage, was der Wert der Leistung ist, den die Rechtsabteilung stiftet. Die Methode ist die Kundenbefragung (Leitfragen: was ist Ihnen die Leistung der Rechtsabteilung wert und / oder welchen Wert stiftet die Leistung der Rechtsabteilung). Als Leitung Recht darf ich darauf vertrauen, dass die internen Kunden ein sehr gutes Empfinden dafür haben, was ihnen die rechtliche Beratung wert ist – so wie jeder Mandant die Frage bei der Beauftragung eines externen Anwalts für sich beantwortet: Ist es mir das wert?
Management von Recht im Unternehmen braucht ein Verständnis von Kennzahlen
Ungeachtet dessen ist die Leitung der Rechtsabteilung eine Managementaufgabe und insofern gilt auch hier der Satz von Peter F. Drucker: Was du nicht messen kannst, kannst du nicht lenken. Nur wenn ich als Leitung Recht Klarheit über mein Budget für interne und externe Rechtsberatung habe, kann ich steuern, Annahmen verifizieren, Abweichungen analysieren, Anpassungen vornehmen und meinen internen Kunden den Nachweis von Value for Money erbringen. Sonst wird aus dem Satz „was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß“ sehr leicht ein „was ich nicht weiß macht meine internen Kunden heiß“. Und damit dürfte die Leitung Recht sich und dem Unternehmen einen Bärendienst erweisen.
(s. zu Kennzahlensystemen: Groß in: Beck`sches Formularbuch für die Rechtsabteilung, B. IV. 4)
Interim Manager - Legal, Compliance, Data Protection, Contract-, Claim- & Conflict Management
6 JahreAls langjähriger Leiter Recht stimme ich Ihnen in einem Punkt sofort zu: Die Durchführung von jährlichen Kundenzufriedenheitsumfragen macht auf jeden Fall Sinn, wenn Sie so wollen, auch als „organische Form des Controllings“. Ich habe diese selbst regelmäßig bei den gut 15 von meinem damaligen Rechtsbereich betreuten „Konzernmandanten“ durchgeführt, und zwar bei der Ausgangslage, dass die Rechtsabteilung gehalten war, ihre Vollkosten durch konzerninterne Dienstleistungsverträge mit den betreuten Gesellschaften wieder einzuspielen. Die Kundenzufriedenheitsumfragen – nebst begleitenden Mandanten-Gesprächen - dienten insoweit auch dazu, basierend auf einer Aufwandsprognose für das jeweils kommende Jahr die angemessene Vergütungshöhe (basierend auf pauschalierten Mannjahressätzen) einvernehmlich festzulegen. Wenig intelligent – und vielfach unternehmensschädlich – ist dagegen der Ansatz, die Rechtsabteilung als klassisches Profit Center zu führen. Ist einmal ein Klima erzeugt, das beispielsweise den ratsuchenden Ingenieur einer betreuten Gesellschaft aus Kostengründen davon abhält, die Rechtsabteilung einzuschalten, sind die Folgekosten für das Unternehmen oftmals signifikant höher als die vermeintliche „Ersparnis“. Das spricht nicht grundsätzlich gegen ein Controlling der Rechtsabteilung (die ohnehin dem gleichen internen Kosten- und Budgetdruck ausgesetzt ist wie andere Fachbereiche auch). Allerdings sind hierbei zwingend andere Maßstäbe und Kriterien anzulegen – nämlich solche, die dem Umstand Rechnung tragen, dass in der Rechtsabteilung – anders als z.B. in Teilen von HR – wenig „standardisierbare“ Prozesse anzutreffen sind, die sich in Schemata mit festen Zeit- und Aufwandsgrößen pressen lassen. Sinngemäß gilt auch hier der Erfahrungssatz aus dem Compliance-Bereich (zumal oftmals im Bereich Legal angesiedelt): „If you think compliance is expensive, try non-compliance“. Jeder Controlling-Ansatz, der dies außer Acht lässt, erweist dem Unternehmen im Ergebnis den größeren Bärendienst.