Im Meeting zurückschießen? Worte sind die Hüllen unserer Gedanken
Die Wahl unserer Worte ist niemals Zufall, auch wenn wir nur etwas vor uns hinsagen. Wer gut hinhört, kann oft zwischen den Zeilen viel mehr über den Sprecher und dessen Einstellung erfahren, als dieser beabsichtigt zu sagen. Sie drücken Lebenseinstellungen, Überzeugungen, Erfahrungen und Denkmuster aus. Gerade in Unternehmens- und Teamstrukturen werden solche (zwischenmenschliche) Themen und Konstellationen durch unsere Wortwahl sichtbar. Oft wundern sich Unternehmen, warum sich trotz vielerlei Maßnahmen wenig ändert. Wir strukturieren um, wollen ein neues, offenes Mindset einführen, flache Hierarchien. Doch all das passiert im Außen. Und was passiert in uns drin? Was ist mit den persönlichen Einstellungen, unseren Überzeugungen? Es ist zu kurz gegriffen, nur im Außen, an Strukturen Veränderungen vorzunehmen und die zwischenmenschlichen und persönlichen Aspekte außen vor zu lassen.
Phrasen, die oft dahingesagt werden
· „In dem Meeting musste doch mal endlich jemand zurückschießen“
· „Ich muss meinen Mitarbeitern immer auf die Zehen steigen, bis sie Ergebnisse liefern“
· „Der Bonus für lange Flüge ist ein ganz klarer Fall von Schmerzensgeld“
· „In unserem Team wird die neue Software bald ausgerollt sein“
· „Das HR Team müssen wir noch mitnehmen, damit die Strategie umgesetzt werden kann“
Solche Aussagen, lassen gewisse Rückschlüsse auf den Sprecher zu. Doch was noch interessanter ist:
Was machen diese Phrasen mit unserem Gegenüber?
1. Wer schwere Geschütze wie „Schusswaffen“ in Meetings einsetzt, wird nicht zur Deeskalation und Lösung einer Situation beitragen. Ganz im Gegenteil, Situationen werden sich zuspitzen und sich von der Sachebene weg hin zu einem persönlichen Feldzug entwickeln.
2. Wer möchte denn gerne auf die Zehen gestiegen bekommen? Wenn jemand uns zu Nahe tritt und nervt, werden wir recht ungern und mit Widerständen besagte Ergebnisse liefern.
3. Lange Dienstreisen stellen in diesem Fall nicht nur eine unangenehme Tatsache dar, sondern sogar eine Körperverletzung.
4. Wenn die Software über dem Team ausgerollt wird, ist es danach plattgewalzt. Niemand wird gerne überrollt.
5. Wenn das HR-Team mitgenommen wird, wird es im Besten Fall künftig hinterherlaufen und passiv bleiben. Es wird jedoch nicht vorneweg laufen.
Unsere Worte haben einen starken Einfluss auf unser Gegenüber. Was aber wichtig zu wissen ist: Eine wenig reflektierte Wortwahl ist wie ein Bumerang, der irgendwann auf uns zurückfällt. Denn unsere oft wiederholten Worte und damit unsere Sprache prägen unsere Denkweisen. Die Art wie wir denken führt langfristig zu unseren Handlungen. Naja und was dann passiert sollte klar sein. Die Auswirkungen erstrecken sich auf unser gesamtes Leben. Familie, Freunde, Beziehungen, Einstellungen und auch auf den Beruf. Natürlich ist der Berufskontext nur ein kleiner Ausschnitt daraus- jedoch ein wichtiger. Daher ist auch gerade hier eine achtsame, reflektierte Sprache wichtig.
Verantwortliche Sprache und Redewendungen
Es gibt noch eine weitere Kategorie an Aussagen, Arten Dinge auszudrücken und Phrasen- die wir aus Selbstschutzgründen oder aus anderen Bedürfnissen heraus oft wählen, die aber tatsächlich etwas anderes ausdrücken, uns nicht authentisch sein lassen oder uns damit limitieren. Auch hier ist eine Reflektion wichtig.
1. Hinter „Ich kann nicht“ steckt oftmals ein „Ich will nicht“.
„Ich kann diese neue Software nicht einrichten, bin einfach kein IT-Typ“. Eine ehrlichere Aussage könnte in diesem Fall sein: „Mit der nötigen Anstrengung, Recherche und Zeit könnte ich es wohl schon, ich will die neue Software aber nicht einrichten. Ich möchte meine Zeit und Energie besser nutzen.“
2. Oft sprechen wir von „man“ und nicht von "ich"
„Man macht das so, die Daten müssen zuerst abgelegt werden“. Wenn wir das allgemeine „man“ durch ein „ich“ ersetzen, übernehmen wir künftig mehr Verantwortung für Aspekte. Auch werden uns so eigene Überzeugungen bewusst. Oder warum fällt es in dem einen oder anderen Fall so schwer, aus einem "man" ein "ich" zu machen? Das geht manchmal sogar richtig schwer von den Lippen. „Ich mache es so, und zwar aus diesen Gründen...“
3. Nicht über Menschen sprechen sondern zu ihnen
Je direkter wir uns austauschen, spiegeln, feedbacken und im Austausch bleiben, desto schneller lösen sich Themen und Meinungsverschiedenheiten. Natürlich kann es hilfreich sein, sich eine zweite Meinung über eine Situation einzuholen, Gräben werden jedoch immer tiefer und irgendwann schier unüberwindlich, wenn der direkte Austausch vermieden wird.
4. „Ja, aber“ wird zu „ja, und“
Ein "ja, aber" in Meetings blockiert Offenheit und den freien Fluss an Ideen. In diesem Moment wird meist vorschnell bewertet und kritisiert, ohne eine größere Spielart an Gedanken erst einmal zuzulassen. Diskussionen sind die Folge. Psychologisch betrachtet ist für unser Gehirn alles positive, das bis dato in dem Satz ausgesprochen wurde, gelöscht, wenn danach ein „aber“ kommt. „Ja, ich finde Ihren Einsatz großartig, aber wir können uns das nicht leisten und lassen das sein.“ Autsch. Eine andere Möglichkeit wäre „Ja, ich finde Ihren Einsatz großartig - und wie können wir denn sicherstellen, dass uns das Budget reicht?“ Zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen wir, wenn wir Herausforderungen auch noch als offene Fragen formulieren, wie in dem Beispiel geschehen.
In meinem Arbeitsalltag nutze ich eine ganze Bandbreite an Techniken, um Bewusstsein zu schaffen. Persönlich, im eigenen Team und in Unternehmen. Um wie oben beschrieben eine achtsamere und reflektiertere Wortwahl zu erreichen. Um mehr Bewusstsein für Überzeugungen und Handlungen zu schaffen. Sie setzen auf der zwischenmenschlichen und persönlichen Ebene an. Dazu gehören Werkzeuge wie gewaltfreie Kommunikation, Spiegeln, Feedback geben, aktives Zuhören und Achtsamkeitsübungen. Dann klappt es auch besser mit weiteren Schritten, Unternehmen und Teams zu verändern – operativ und strukturell. Letztlich ist ein Unternehmen nur ein Zusammenschluss aus Menschen, die zusammen an einer Sache arbeiten. Und wenn das auf der persönlichen Ebene nicht klappt, geht es auch nicht auf der Sachebene. Damit gibt es oft keine echte Zusammenarbeit. So einfach und kompliziert ist es. Und so wichtig daher, achtsam und reflektiert mit seinen Worten zu sein.
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5 JahreDeswegen plädiere ich, dass meine Erstsemester-Vorlesung "Pädagogische Kommunikation" mit Inhalten von Watzlawick und Schulz von Thun eigentlich zu jeder Grundausbildung eines jungen Erwachsenen gehören sollte! :-) Die meisten zwischenmenschlichen Probleme basieren auf Kommunikationsmissverständnissen. Hierfür zu sensibilisieren und Techniken zu vermitteln ist in Zeiten vom Arbeiten in Gruppen und Teams unerlässlich. Danke Nadine dass du da am Ball bist! :) Gottseidank sehe ich da bei den Pädagogen in der heutigen Zeit in Schule und Kita auch eine gute Ausbildung, die dafür sensibilisiert, d.h. die nachfolgende Generation wächst mit einer reflektierteren Kommunikation auf. Der größte Ballast liegt in meinen Augen auf den Schultern der heutigen Erwachsenen im Berufsleben und besteht aus Glaubenssätzen und Verhaltensweisen der Erziehung der Zeit vor Jesper Juul und Co. Der Schatten der deutschen Geschichte und eigenen Prägung ist für mich der Größte und Schrecklichste! (Ok, dass geht schon sehr in die Tiefe und betrifft eigentlich alles was sich unter "Haltung" zusammen fassen lässt, nicht allein Kommunikation.) :)
Für mehr Menschlichkeit in Führung & Teams – Kultur, die Performance entfacht. I Leadership Coaching & Team Development I Empowering People.
5 JahreDie deutsche Sprache ist eh so komplex und vieles ist unbewusst so tief verankert. Beispielsweise "Geld verdienen" ich diene um Geld zu bekommen. Im englischen heisst es "to earn money"... Geld pflücken.deswegen achte auf deine Worte!
Auch als Buchempfehlung: Clean Language - da gehts im Grunde um die Bedeutung von Metaphern in der unserer Sprache und was sie über das Denken verraten.
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5 JahreUnd kennst du schon dieses Zitat aus dem Talmud: "Achte auf Deine Gedanken, denn sie werden Worte. Achte auf Deine Worte, denn sie werden Handlungen. Achte auf Deine Handlungen, denn sie werden Gewohnheiten. Achte auf Deine Gewohnheiten, denn sie werden Dein Charakter. Achte auf Deinen Charakter, denn er wird Dein Schicksal." Das ist klasse und da steckt so viel Wahrheit drin.
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5 JahreIch bring dir zum nächsten Meeting mal das Buch "In der Sprache liegt die Kraft" von Mechthild Scheurl von Defersdorf. Das ist großartig und hat mir in der Beziehung auch schon öfter die Augen bzw. die Ohren geöffnet.