Interaktion in Videokonferenzen – Zusammenfassung und Empfehlungen
"Beieinander an getrennten Orten Leibliche Interaktion in Videokonferenzen", erschienen am 10.3.22

Interaktion in Videokonferenzen – Zusammenfassung und Empfehlungen

Nach den etlichen Reaktionen auf die Veröffentlichung meines Buchs „Beieinander an getrennten Orten“, möchte ich in diesem Beitrag zweierlei anbieten: 1. eine kurze Zusammenfassung des Buchs und 2. Anwendungsempfehlungen für Videokonferenzen, die sich aus meiner Forschung ableiten lassen.

Für die Zusammenfassung wähle ich bewusst eine weniger wissenschaftliche Sprache, um die Ergebnisse einer breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen (#wissenschaftskommunikation). Wer Lust auf die volle theoretische Dröhnung hat, dem empfehle ich, das Buch selbst zu lesen. Ich füge in den Text Zitate aus meiner Forschung ein, die immer als illustrierende Beispiele zu verstehen sind.

Die Tipps für gelingende Videokonferenzen werde ich in den nächsten Tagen als Sharepics veröffentlichen und in einem gesonderten Post teilen. Wie auch das Buch selbst, darf alles, was ich zu dem Thema veröffentliche, frei geteilt und adaptiert werden, für unkommerzielle Zwecke und bei Namensnennung (CC BY-NC 4.0).

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Beieinander an getrennten Orten - Zusammenfassung des Buchs

Also, wir sind jetzt beide zusammen. An verschiedenen Orten. Und das kann man auch mit 40 Leuten sein. (Lehrer)


1 Nähe und Videokonferenzen während der Corona-Pandemie

Durch die Kontaktbeschränkungen während der COVID-19-Pandemie haben Videokonferenzen in unterschiedlichste Lebensbereiche Einzug gehalten und sind mittlerweile zu etwas Alltäglichem geworden: Meetings, Kaffeekränzchen, Hochzeiten, Konzerte, Trauerfeiern, Partys, Universitäts-Seminare, Schulunterricht, Yoga- oder Sportkurse – unzählige Situationen, die zuvor von Angesicht zu Angesicht stattfanden, wurden in Videokonferenzen verlegt. Das geht sogar so weit, dass man sich mit einer speziellen Kamera per Video mit dem Haustier austauschen kann.

Während Videokonferenzen zeigen sich Empfindungen wie Nähe zu anderen Teilnehmenden oder das Gefühl, dass in der Videokonferenz eine ganz eigene Atmosphäre herrscht. Vielleicht ist es auch der Moment, in dem das Gegenüber einem tief in die Augen blickt und ein schwer zuzuordnendes Loch in der Magengegend hinterlässt oder einen Moment der Entfesselung oder Befreiung auslöst. Solchen Erlebnissen folgt die Ausgangsfrage meines Buchs: Wie kann trotz der digitalen Vermittlung und trotz der großen örtlichen und körperlichen Distanz das Gefühl von Nähe entstehen und wie können Emotionen transportiert werden?

Die kurze Antwort lautet: In Videokonferenzen sind die Möglichkeiten aufeinander einzugehen sehr begrenzt und es fällt leichter, sich von den anderen Teilnehmenden der Situation zu distanzieren. Meine Untersuchung zeigt aber, dass der Drang nach Nähe und gemeinsam erlebter Emotionen in einigen Situationen so groß ist, dass Menschen aufwändige Handlungen unternehmen, um richtig beieinander zu sein. Nähe und gemeinsame Gefühle werden erreicht durch verschiedene Rituale sowie das Einbringen von Phantasie und der Offenheit für den Austausch von Gefühlen. Das Ganze ist natürlich in vielerlei Hinsicht anstrengend, weshalb wir uns oft müde und ausgelaugt nach intensiven Videokonferenzen fühlen.

Im Folgenden werde ich nun die einzelnen Kapitel des Buchs kurz zusammenfassen, die zeigen, wie ich zu dieser Antwort gelangt bin. Außerdem werden unter Kapitel 5 die Ergebnisse ausführlicher dargestellt.

2 Perspektiven auf Nähe und Interaktion in Videokonferenzen

Das zweite Kapitel beschäftigt sich damit, was bereits zu Nähe in Videokonferenzen geforscht wurde und aus welchen Perspektiven die Veröffentlichungen dies tun. Es werden die jeweiligen Vorteile und Einschränkungen dargestellt und warum diese schlecht in der Lage sind, Antworten auf meine Frage zu liefern.

Die soziologischen Theorien setzen körperliche Anwesenheit voraus. Psychologische Ansätze fokussieren meist individuelle Mechanismen und klammern die körperlichen Empfindungen aus, die für Nähe wichtig sind. Einige Wissenschaftler*innen verwenden bereits ähnliche theoretische Ansätze wie ich, aber fast nie, um sich ähnlichen Fragen zu nähern.

 3 Theoretische Grundlagen

Das dritte Kapitel ist das theoretisch anspruchsvollste. Ich denke aber, das auch fachfremde interessierte Leser*innen mit ein wenig Zeit und Anstrengung darin zurechtkommen. Es geht hier darum, zu erklären, welche Theorie meiner Argumentation zugrunde liegt.

Auf Basis der Philosophie von Hermann Schmitz (Neue Phänomenologie) lässt sich eine Form von Gesellschaftswissenschaft entwickeln, die sich auf die Empfindungen des Leibes fokussiert. Diese Empfindungen beschreiben das, was wir um uns herum wahrnehmen, aber nicht mit den fünf Sinnen (Sehen, Hören, Tasten, Riechen, Schmecken). Beispiele wären eine bedrückende Last auf Schultern, die berühmten Flugzeuge im Bauch oder das Gefühl, wenn man aus einem engen dunklen Raum ins Freie tritt. Schmitz hat einen Weg gefunden, diese Empfindungen zu kategorisieren und zu beschreiben. Damit kann ich arbeiten.

...was jemand von sich, als zu seinem eigenen Zustand gehörend, in der Gegend (nicht unbedingt in den Grenzen) seines eigenen sicht- und tastbaren Körpers spüren kann, ohne sich auf das Zeugnis der fünf Sinne (Sehen, Hören, Tasten, Riechen, Schmecken) und des perzeptiven Körperschemas (des habituellen Vorstellungsbildes vom eigenen Körper) zu stützen.
(Hermann Schmitz über leibliche Regungen)

Für Situationen, die wie die Videokonferenz digital ermöglicht werden, habe ich den Begriff „Leiberspace“ entwickelt. Dieser beschreibt die Art und Weise, in der User sich in digital vermittelten Situationen leiblich nahekommen. Er betont außerdem, dass Videokonferenzen nicht in einem abgeschiedenen Cyberspace stattfinden.

4 Methodologisches Vorgehen

Das vierte Kapitel stellt dar, wie ich gearbeitet habe. Es ist wichtig, da es nachvollziehbar und transparent macht, wie ich zu meinen Ergebnissen gekommen bin. Meine Vorgehensweise war die bewährte wissenschaftliche Praxis der Grounded Theory Methology. Mit dieser werden durch Kategorisierung und Analyse Erkenntnisse gewonnen, die dann im weiteren Verlauf immer wieder überprüft und verfeinert werden.

Screenshot Kategorisierung

Als Ausgangspunkt dienten dazu zunächst meine eigenen (ethnographischen) Erfahrungen in Videokonferenzen, die ich in einem Tagebuch aufgeschrieben habe. Vor allem habe ich mich aber auf fünf halb-strukturierte Interviews konzentriert, die ich mit verschiedenen Personen (per Video) geführt habe. Die Interviewten waren ein Lehrer, eine Yogalehrerin, ein 3D-Artist, eine Pastorin und eine Pflegefachkraft. Die Interviews wurden im Juni 2020 geführt und dauerten 35-60 Minuten.

 Bei der qualitativen Sozialforschung kommt es nicht auf die Anzahl der Interviews (das wäre dann quantitativ) an, sondern darauf, möglichst tief einzutauchen und viele Feinheiten zu untersuchen. Im weiteren Sinne also auch auf Nähe. Wie ich im Einzelnen zu meinen Ergebnissen gekommen bin, wird dort auch an einem Beispiel erklärt.

5 Ergebnisse - Leibliche Nähe in Videokonferenzen

Das fünfte Kapitel gibt endlich alle Ergebnisse wieder, die ich hier nur kurz zusammenfasse. Dieses Kapitel ist sollte auch im Buch für viele Leser*innen spannend sein. Auch wenn vielleicht manche Begriffe unbekannt sind, kann man die sicher einfach überlesen.

Also letztendlich ist mein Unterricht wie vorher, nur dass eben online Menschen dazukommen. (Yogalehrerin)

In Videokonferenz-Situationen können Sachverhalte, also das worum es geht, und Programme, also Normen und Wünschen, aus Face-to-Face-Vorbild-Situationen übernommen werden. Programme werden durch spezifische Eigenschaften der Situation Videokonferenz ergänzt: Neue Norm ist der technische Zugang zur Videokonferenz, Wünsche sind vor allem das technische Gelingen der Situation. Die Probleme, die zu jeder Situation gehören, werden in Videokonferenzen ergänzt um spezifische technische Belastungen, wie Verbindungsschwierigkeiten. Aber auch die Vermischung von Beruf und Familie im Homeoffice stellt ein besonderes Problem dar. Und schließlich sind es vor allem die schwierige Kommunikation von leiblichen Empfindungen oder die fehlende Atmosphäre, die als typische Probleme in Videokonferenzen auftauchen.

 Also ich fühle mich schon in meinem Zimmer und auch in meiner Privatsphäre, ich fühle eher körperlich quasi unbeobachtet eigentlich, gar nicht unbedingt allein. Und dann kommt ja manchmal so das Bewusstsein wieder von: ‚Du bist hier nicht allein‘, so, du bist mit sehr vielen anderen Leuten, die das gerade machen mit dir. Und das ist, ja, ist schon auf jeden Fall ein abgefahrenes Gefühl. (Yogalehrerin)

Als Ausgangspunkt dieser Probleme der leiblichen Interaktion konnte die Herausforderung der örtlichen Denkweise ausgemacht werden. Das heißt, dass die Wahrnehmung von Nähe zu anderen Teilnehmenden oder die wahrgenommene übergreifende Stimmung nicht zusammenpasst mit der gewohnten Wahrnehmung von Räumen, Nähe und Distanz. Es zeigen sich damit also gleichzeitig die leiblichen Reaktionen, die sich trotz der körperlichen Distanz und der digitalen Vermittlung übertragen. Gleichzeitig kommen auch die Grenzen zum Vorschein: Es können nicht alle Sinne und Formen des Einfühlungsvermögens vollumfänglich genutzt werden, die Menschen in Situationen von Angesicht zu Angesicht zur Verfügung stehen. Als eine große Einschränkung wurde die fehlende Tiefe der Atmosphäre herausgestellt, die sich insbesondere in der Stille in Videokonferenzen zeigt.

Und das wird dann alles sozusagen arrangiert oder sie gucken sich sogar gemeinsam einen Film an. […] Sie gehen sozusagen miteinander essen und arrangieren also richtig einen Raum, mit Weinglas oder was immer so und nehmen sich dann halt zwei Stunden Zeit, um sozusagen beim Essen, eigentlich was du sonst auch machst, wenn du in ein Restaurant gehst oder so, besser ins Gespräch zu kommen. […] um eine Atmosphäre herzustellen, nochmal anders in Kontakt zu kommen. (Pastorin)

In Situationen, in denen Nähe empfunden und bewusst herbeigeführt wird, zeigen sich vielseitige Praktiken und Bedingungen, die auf fünf Kernpunkte zusammengefasst werden konnten: 1. die Durchführung von Warm-Ups zur Bestätigung der Ganzheit - quasi der Echtheit - der Situation, 2. die Übernahme von Rahmen-Situationen in die Videokonferenz-Situation, womit informelle gemeinsame Gruppendynamiken trotz räumlicher Distanz realisiert werden können, 3. die Rekonstruktion bekannter Situationen durch Handlungen, die an alle Endgeräten gemeinsam durchgeführt werden, 4. interaktionale Unterstützung durch am Ortsraum anwesende Dritte und die Inszenierung des sichtbaren Videobilds sowie 5. das persönliche Bekanntsein mit den anderen Teilnehmenden. Aus diesen Beobachtungen leiten sich auch große Teile der Anwendungsempfehlungen ab, die ich weiter unten zusammenfasse.

 Es gibt ja Fernsegen und all sowas, aber es ist ein Mehr, wenn du einem Menschen sozusagen ein Kreuz auf die Stirn zeichnest, oder berührst. [...] ja, und das ist ja auch schön so, dass man merkt, es fehlt auch was, bei allen Möglichkeiten, ja. Es braucht noch die persönliche Bestätigung. Es ist nicht out, sozusagen. (Pastorin)

 In Situationen des Mitleids zeigten sich die Grenzen der Sorgemöglichkeit in Videokonferenzen. Um Emotionen und Mitleid zu transportieren, sind explizite Äußerungen nötig, und im Umkehrschluss können Anteilnahme und Trost nicht vollumfänglich übermittelt werden. Die Fürsorge fällt dabei besonders durch den fehlenden körperlichen Kontakt schwer, auf dessen Verbot Videokonferenzen während der Corona-Pandemie eine Lösung versprachen. Es muss im Gegenteil festgehalten werden, dass Videokonferenzen im Bereich der Sorge eine Spiegelung der Kontaktverbots-Maßnahmen bleiben, statt eine Lösung für diese anzubieten.

Wirklich Persönliches wird da nicht besprochen, nur: ‚Hey, hier sind auch gerade Randalierer, die dann irgendwie den Walmart ausplündern und keine Ahnung. Dann gibt es einen neuen Flachbildfernseher'. Da, also, Persönliches bespricht man da nicht. Also, ich mache das nicht. Das geht die ja nichts an. (3D-Artist)

Abschließend konnte kontrastierend gezeigt werden, dass in dem körperlichen Kontaktverbot ebenso wie in der beschränkten leiblichen Kommunikation in Videokonferenzen auch Potentiale liegen. In Videokonferenzen ermöglicht die Distanz Schutzräume und Partizipationsmöglichkeiten für Personen, die sich in Vis-à-Vis-Situationen eher zurückziehen, unter den Atmosphären leiden oder aus anderen Gründen körperliche Distanziertheit vorziehen. Dieser Punkt ist auch in interkultureller Hinsicht und für Chancengleichheit wichtig, da die Distanz in Videokonferenzen auch Teilhabemöglichkeiten ermöglicht, die sonst bspw. aus religiösen Gründen aber aufgrund von Immobilität verschlossen blieben. Die technischen Zugangshürden (Endgerät, Lizenz, Internetzugang) dürfen dabei natürlich nicht vergessen werden.

6 Fazit und Ausblick

Das sechste und letzte Kapitel zieht ein Fazit und gibt einen Ausblick auf weitere mögliche Arbeiten, die auf dem Buch aufbauen könnten.

Die Videokonferenz kann als ein Beispiel für die moderne Gesellschaft verstanden werden, in welcher Objektivierung von Erlebnissen (‚pics or it didn’t happen‘), Professionalisierung des Privaten im Homeoffice und digitalisierte Entfremdung vom eigenen Empfinden zunehmen. Die empirischen Ergebnisse legen aber nahe, dass der Drang nach leiblich intensiven Erlebnissen zumindest in einigen Situationen groß genug ist, um die beschriebene aufwändige Konstruktionsarbeit und Inszenierungen zu leisten, um einen gemeinsamen digitalen Leiberspace zu schaffen, um sich auch digital vermittelt nah zu sein.

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Anwendungsempfehlungen für Interaktion in Videokonferenzen

Aus den Ergebnissen meiner Forschung ergeben sich nicht nur theoretische Neuerungen. Auch ganz praktisch lässt sich aus den Ergebnissen ableiten, wie intensive Interaktion, wie Nähe oder das Transportieren von Gefühlen in Videokonferenzen beeinflusst werden kann.

1.) Videokonferenzen sind eine räumlich ungewohnte Herausforderung für die Zwischenmenschlichkeit. Das Gefühl, anderen nah zu sein oder eine Atmosphäre in einer Videokonferenz zu spüren, passt nicht damit zusammen, dass wir alleine vor unserem Computer oder Endgerät sitzen und auf den Bildschirm schauen. Diese einfache Erkenntnis sollte in der Planung und Durchführung von Videokonferenzen nicht vergessen werden. Sie ist der Startpunkt für die folgenden Anregungen.

2.) Um der räumlichen Herausforderung entgegenzuwirken und um die Gemeinsamkeit und Echtheit der Situation zu betonen, gibt es verschiedene Formen von Warm-Ups. Sie dienen vor allem dazu, die anderen Teilnehmenden glaubwürdig wahrzunehmen und emotionale Verbindungen zu schaffen. Sie können auch durch Wiederholung ein Eingangs-Ritual schaffen.

3.) Häufig vergessen werden die Momente, die im üblichen persönlichen Treffen vor (und auch nach) der eigentlichen Konferenz-Situation stattfinden. Diese Rahmensituationen einzubeziehen, bedeutet somit eine Erweiterung der Situation um das informelle Drumherum, was in der Vorbild-Situation als selbstverständlich angesehen oder übersehen wird. Eine Einbeziehung unterstützt gelingende Interaktion, da die Abgeschlossenheit der Situation erlebt wird und damit ein Ankommen und ein Austreten ermöglicht. Gleichzeitig werden die inhaltlichen Programmpunkte nicht durch Wünsche nach informellem Austausch gestört. Beispiele sind gemeinsames Kaffeetrinken zu Beginn oder Zeit für anschließenden persönlichen Austausch über andere Medien (Slack, Chat o.ä.).

4.) Besonders großen Einfluss auf die empfundene Nähe hat die Rekonstruktion bekannter Situationen durch Handlungen, die durch alle Teilnehmenden gemeinsam durchgeführt werden. Warm-Ups stellen dies nur für einen Moment her. Fast selbstverständliche Aspekte sind das Einschalten der Kamera, der Situation angemessene Kleidung, aber auch die Gestaltung des Hintergrunds spielt eine Rolle. Während die „Bücherwand“ im Hintergrund für professionelle Sitzungen passend sein mag, könnte sie bei einer Trauerfeier die Stimmung negativ beeinflussen, wo der Status der Teilnehmenden nicht wichtig ist. Besonders aufwändig – aber auch besonders effektiv – ist die Inszenierung bekannter Situationen, wie gemeinsamen Abendessen, die von allen Teilnehmenden zubereitet und/oder zelebriert werden.

5.) Insbesondere für hybride Videokonferenzen, bei welchen Teilnehmende vor Ort und per Video teilnehmen, sind vor Ort anwesende Dritte in der Lage, die Interaktionssituation zu unterstützen. Bei hybriden Formaten ist es allerdings besonders schwierig und herausfordernd, die Dynamiken von vor Ort und die in der Videokonferenz zu vereinen. Hier helfen ebenso die gemeinsam dargestellten und erlebten Handlungen. Keinesfalls sollte ein „wir gegen die“-Gefühl entstehen, sondern vielmehr die Gemeinsamkeit betont werden.

6.) In Situationen des Mitleids zeigten sich die Grenzen des lebendigen Mitgefühls in Videokonferenzen. Um Emotionen und Mitleid zu transportieren, sind explizite Äußerungen nötig, und im Umkehrschluss können Anteilnahme und Trost nicht in vollem Umfang übermittelt werden. Das Gespür für die Lage einer möglicherweise belasteten Person funktioniert nicht intuitiv. Es ist also nötig, Wege zu schaffen, über die mögliche emotionale Schieflagen kommuniziert werden können. Ebenso sollten Hilfsangebote gemacht werden, die außerhalb der Videokonferenz stattfinden.

7.) Die genannten Techniken können sowohl zur Ermöglichung als auch zur Verhinderung von Nähe eingesetzt werden. In Videokonferenzen ermöglicht die Distanz Schutzräume und Partizipationsmöglichkeiten für Personen, die sich in Vis-à-Vis-Situationen eher zurückziehen oder aus anderen Gründen körperliche Distanziertheit vorziehen. Dieser Punkt ist auch in interkultureller Hinsicht und für Chancengleichheit wichtig, da die Distanz in Videokonferenzen auch Teilhabemöglichkeiten eröffnet, die sonst bspw. aus religiösen Gründen oder aber aufgrund von Immobilität verschlossen blieben.

8.) Die technischen Zugangshürden (Endgerät, Lizenz, stabiler Internetzugang, Datensicherheit- und schutz) dürfen ebenso nicht vergessen werden, wie das nötige Vorwissen sowie die Möglichkeit barrierefrei teilzunehmen. Dies bedeutet einerseits, Untertitel oder Schriftsprache einzusetzen und umgekehrt Geschriebenes mündlich wiederzugehen, andererseits aber auch Rücksicht zu nehmen auf die körperliche und mentale Anstrengung, die die Konstruktion von Interaktion und Nähe in digital vermittelten Videokonferenzen für die Teilnehmenden bedeutet.

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Beieinander an getrennten Orten von Johannes Frederik Burow ist lizensiert unter CC BY-NC 4.0.

Dieses Werk ist lizensiert unter einer Creative Commons Namensnennung-Nicht kommerziell 4.0 International Lizenz (CC BY-NC 4.0).

direkt die Tipps durchgelesen ;)

Gunnar Sohn

Man hört, sieht und streamt sich.

2 Jahre

Hab mir das Opus bestellt. Wir können dazu gerne mal ein Autorengespräch machen - remote und live.

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