ISO 9001 – Qualitäter führen nicht immer zu einer guten Qualität
24. Juli 2018 von Rob Bekking
(English version below)
ISO 9001 – gleiche Norm für Altenheim, Bank, Entsorger und Spedition
ISO 9001, Sie kennen es. Anfang der 90er Jahre des letzten Jahrhunderts hielt diese Qualitätsnorm Einzug bei vielen Logistik-Dienstleistern. Es gab sicherlich auch einen Grund, denn viele Prozesse in klassischen Speditionen und Lagerbetrieben waren sehr individuell und flexibel gestaltet, was sich leider nicht immer positiv auf die Qualität der Logistik-Dienstleistung ausgewirkt hat.
Vielfach getrieben von Kunden, die ISO- oder vergleichbare Zertifizierungsprozesse teilweise schon hinter sich hatten, wurden große Teile der Logistik-Branche höflichst aufgefordert, sich nach DIN EN ISO 9001 ff. zertifizieren zu lassen. Manche Dienstleister schlossen sich auch unaufgefordert den Trend an um für die Zukunft gewappnet zu sein.
Zertifizierung, weil es alle tun?
Und so standen plötzlich viele alte „Speditionshasen“ vor der Frage, wie sie die Prozesse und Geschäftssteuerung, strukturieren und dokumentieren konnten, um das begehrte Zertifikat nach dem Audit erhalten zu können. Die ISO 9001 (oder damals auch noch 9002) Norm war geschrieben worden für alle Dienstleistungs- und Produktionsbetriebe.
Wie nun die Brücke und Übersetzung dazu ins dynamische Logistik-Geschäft zu finden? Hochschulabsolventen wurden eingestellt, Berater wurden beschäftigt und auch intern wurden Kandidaten mit einem Hang nach Normen nominiert, um Qualitätshandbücher mit Verfahrens- und Arbeitsanweisungen zu erstellen, zu schulen und alles für die Auditierung und damit für die anschließende Zertifizierung vorzubereiten.
Auch wenn es manchmal schwierig war, es ab und zu mal Sand im Getriebe gab, in der Regel gelang die Erstzertifizierung. Warum auch nicht, man war ja schließlich Kunde des Zertifizierers. Wenn im Falle von Abweichungen nicht dauerhaft zur Zufriedenheit des Auditors nachgebessert wurde, hatte man ja immer noch die Möglichkeit, den Zertifizierer zu wechseln, der die Fälle möglicherweise anders gesehen und interpretiert hat.
Formale Anforderungen in der Realität stärker im Fokus als die tatsächliche Qualität
Die allgemeine Natur der ISO-Norm hat dazu geführt, dass die Einhaltung dieser Norm auch vielfach von branchenfremden Beratern geprüft wurde. Da diese ihren Job in der Regel auch sehr ernst nehmen und doch einige berechtigte Abweichberichte zu Stande kommen sollten, wurde auf Themen geachtet, die eher einen formalen Charakter haben. Die tatsächliche Qualität, wie sie der Kunde des geprüften Unternehmens empfindet, stand nicht primär im Fokus .
Um es mal überspitzt auszudrücken, es wurde geschaut ob die Tintenfarbe für die Unterschriften auf Dokumenten gemäß Anweisung schwarz statt rot ist während die Sendungen in einer Stückgutumschlagshalle, die schon längst hätten zugestellt sein sollen, „verrotten“. Dass dies dem Kunden eher interessiert, spielte keine Rolle.
Praxisfremde Dokumentation verhinderte Akzeptanz
Diese Überformalisierung führte auch dazu, dass die Dokumentation der Prozesse und dazugehörende Verfahrens- und Arbeitsanweisungen eher anhand der Normen aufgezeichnet wurde, statt sich auf die Mitarbeiter, die in der täglichen Arbeit diese Prozesse durchführen, zu fokussieren. Folglich fanden viele Prozessaufzeichnungen auch keine Akzeptanz im operativen Geschäft. Dies kommt immer dann zum Ausdruck, wenn bei einem ISO-Audit der Auditor den Mitarbeiter fragt, wo geschrieben steht, was er/sie in einem bestimmten Fall zu tun hat. Dann fängt das Suchen im Intranet oder Firmenlaufwerk an…….und alle warten, bis die befragte Person hoffentlich bald etwas möglichst Passendes gefunden hat….
Umdenken: gelebte Prozesse
In immer mehr Unternehmen hat deswegen in den letzten Jahren ein Umdenken stattgefunden. Einige haben sich mit o.g. Begründungen nie zertifizieren lassen oder ein bestehendes Zertifikat nicht verlängert. Andere haben sich auf die tatsächliche „körperliche“ Qualität gestürzt, so wie der Kunde sie empfindet und Zertifizierer und Auditoren davon überzeugt, dass dies der zielführendere Weg ist, um die eigentliche Intention der ISO-Norm nachzugehen.
Wer dies vorgemacht hat, sind einige KEP-Dienste. Diese hatten bereits seit eh und je aufgrund der Masse an Sendungen die Notwendigkeit, ihre Prozesse effizient und Qualitäts-fokussiert zu gestalten. Ein hoher Automatisierungsgrad, durchgetaktete und dokumentierte Prozesse und darauf abgestimmte Mitarbeiter machen ein Funktionieren der KEP-Maschinen möglich. Da war und ist es eher leicht, ein ISO-Zertifikat oben drauf zu setzen. Was dann eher ein formeller Akt ist, denn die eigentliche Intention der ISO-Norm ist aus interner Notwendigkeit eigentlich schon erfüllt.
Passende qualitätsorientierte Prozesse vor Norm
Bei vielen Speditionen, egal, ob diese sich im Stückgut, Komplett- und Teil-Ladungsbereich, Luft- und Seefracht oder Lager befinden ist, verglichen mit den KEP-Diensten, dann doch eine etwas mehr kundenorientierte und flexiblere (Prozess-) Organisation gefragt.
Da gibt es den Standard-Prozess, der aufgrund Ergebnis- und daraus resultieren Effizienzdruck auch angestrebt wird, jedoch auch viele (manchmal kundenindividuelle) Abweichungen. Ein gutes Qualitätsmanagement zeichnet sich dadurch aus, dass auch diese vom angestrebten Standard abweichenden Prozesse für die Mitarbeiter gestaltet und dokumentiert werden. So weiß jeder im Falle von Abweichungen, was zu tun ist.
Um die Effizienz auch in diesen Fällen zu handhaben, bedarf es entsprechender IT-Systeme, die diese vom Standard abweichenden Prozesse strukturiert und bedienerfreundlich unterstützen. Dies, damit auch die Kennzahlen, egal ob Qualität, Effizienz oder wirtschaftlicher Erfolg, plausibel sind und sich das Geschäft zuverlässig steuern lässt.
Um dies unternehmensweit zu erreichen, verlangt es von allen Beteiligten ein Augenmerk auf eine gemeinsame Zielrichtung, wobei jeder sein Fachgebiet natürlich zu vertreten und einzubringen hat. Dies aber mit dem permanenten Fokus auf das gemeinsame Unternehmens- oder Geschäftsziel und mit der Einstellung, die Fachgebiete zu verknüpfen statt in „Silos“ auf eigenen Besonderheiten zu beharren und damit im eigenen Saft zu schmoren.
Qualitäter müssen Gesamtprozess und Prozessreife im Auge haben
Dies gilt insbesondere für die Qualitäter. Sie sollten nicht die ISO-Norm als ihren primärer Leitfaden sehen, sondern eher die Prozessgestaltung und/oder permanente Prozess–Verbesserung, um die Qualität aus Kundensicht zu optimieren und die Prozessreife zu verbessern. Ein integriertes Vorgehen des Qualitätsmanagements mit Prozessabteilung, Produktion, Vertrieb und IT ist hier eher angesagt als interner Wettbewerb zwischen diesen Bereichen. Dann wird die „Krönung“ durch ein ISO oder andere Qualitätszertifikate eher zum Selbstläufer.
Wenn dies dann auch noch unterstützt wird von modernen IT-Tools, wird der Staub auf gewissen Norm-fokussierten Qualitätern ersetzt durch den Glanz einer neuen kundenorientierte Qualitätsklasse.
English Version:
ISO 9001 – same standard for nursing homes, banks, disposal companies and forwarders
ISO 9001, you know the standard. It used to be introduced at logistics service providers in the beginning of the nineties of the last century. Of course there was an underlying reason as many processes in traditional forwarding companies and warehouses used to be organised very individually and flexible, which did not always have a positive impact on the quality of the logistics service.
Driven by customers, who many times used to be ISO-certified, significant parts of the logistics industry were polity asked to certify their companies also according to the ISO 9001 standard. Others joined this trend in order to be ready for future challenges.
Certification, because all are doing it?
In this context suddenly many traditional forwarding experts had to cope with structuring and documenting their processes and business steering in order to obtain the desirable certificate. The ISO 9001 (and in those das also 9002) standard used to be developed for all service and manufacturing companies.
How now to find the bridge and translation of these standards into the dynamic logistics industry? University degree holders were employed, consultants engaged and also intern candidates with a leaning towards standards used to be selected in order to write quality manuals with process and work instructions, to train the relevant staff and prepare everything for the audits and subsequent certification.
Even if it used to be even difficult and sand was thrown in the works sometimes, usually the first certification was successful. Why not? One used to be customer of the certification body. In case the correction of non-conformities did not satisfy the auditor on the long term, one had the possibility of changing to another certifying body, which might see the cases differently.
More focus on formal demands rather than on real quality
The general nature of the standard leads to the situation that the compliance with this standard used to be checked by auditors without often any knowledge of the industry. As they took their job very seriously and thus non-conformity reports need to be in place, focus was given to items having a formal character. The real quality, how the customer was feeling it, did not bother.
When exaggerating, a focus was directed to the signature’s colour of ink on the documents. It was deemed to be important whether this was not black but red according to instructions. At the same time no glance was given to “rotten” consignments in the warehouse or terminal, which should have been delivered since long. The fact that this might be of significant interest to the customers did not play any role.
Theoretical documentation prevents acceptance
This overdoing led to the fact that processes including the instructions used to be drawn up according to the standard instead of focusing on the employees who need to work according to these instructions on a daily basis. Subsequently many process descriptions were not accepted in the daily business. This many times pops up when an ISO-auditor is asking an employee where to find the written process steps he/she needs to follow in certain cases. Then the searching in the intranet or shared company drive starts…..and all are waiting until the interviewee hopefully has found something, which might fit…..
Rethinking to living processes
A change of mindset took place in many companies within the last years. Some companies never started a certification process because of a.m. reasons or did not prolong their certificates for the same reasons. Other focused on “real” quality as felt by the customers. They convinced auditors and certifying bodies accordingly. This is bringing added value and follows the original intention of the ISO-standard.
Companies acting as example used to be the CEP-service providers. Because of the large number of parcels they anyway had to design their processes in an efficient and quality driven way. A high level of automation, flawless and documented processes and attuned staff let the CEP machines working. In such a situation it is easy to put an ISO-certificate on top, which is more a formal act as the real intention of the ISO standard is already covered by own needs.
Quality focused processes more important than standard
Compared to CEP-service providers many forwarding companies focusing on either groupage, part- or full loads, air- and/or sea freight and also warehousing, need to be many times more flexible and customer oriented with their process organisation.
Of course a standard process is aspired to because of result- and efficiency pressure but also may customized solutions need to be covered. A good and outstanding quality management also focuses on designing and documenting those processes deviating from the standard in such a way that employees can work accordingly. By doing so everybody knows what to do.
In order to achieve this companywise, all stakeholders need to follow the same target. Each individual of course has to represent his/her subject matter area. This however with a permanent focus on joined company or business targets and with the attitude of connecting subject matter areas rather than concentrating only on own “silo’s”.
Quality experts need to have an eye on the entire process and process maturity
This is especially valid for quality experts. They should not see the ISO standard as their primary guideline but rather the process design and/or permanent process improvement in order to optimise the quality from the customer’s perspective and thus achieving a higher process maturity. An integrated approach of the quality management with process engineering, production, sales and IT is more important than internal competition amongst these entities. By following this way the ISO or other quality certifications will follow easily.
In case this process will be supported by modern IT-tools, the dust on certain standard-focused quality experts might be replaced by the shine of a new customer orientated quality class.
Über Rob Bekking
Ich bin Management Consultant bei A’PARI Consulting GmbH mit den Schwerpunkten Logistik- und Prozessberatung.
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