Was ist das, eine Persönlichkeit?

So viele Menschen es gibt, so viele verschiedene Persönlichkeiten, Charaktere und Handlungsmotivationen existieren. Anders ausgedrückt: »jeder Mensch ist eine Insel, die niemand restlos erforschen kann und deren Geheimnisse man nie zur Gänze lüften wird.«

Im Begriff Persönlichkeit steckt das Wort ›Person‹. Gehen wir dieser Bedeutung auf den Grund, so finden wir, dass sich dieser Begriff von ›persona‹ dem lateinischen Wort für Maske herleitet und auf personare (=hindurch tönen) rückführbar ist. Die Person ist somit das, was durch die Maske hindurch durchgängig gegeben ist. Und da der Begriff aus der Schauspielkunst kommt, dürfen wir hier durchaus an den Schauspieler denken, der zwar eine Rolle darstellt, jedoch sein eigenen Fähigkeiten und Fertigkeiten, seine spezifische Art des Sprechens und Agierens durch die Maske hindurch zum Ausdruck bringt.

›Persönlichkeit‹ umschreibt den einzelnen Menschen in seiner Gesamtheit, also mit seinen biologischen, psychischen und sozialen Prozessen – wobei durch den Begriff “Persönlichkeit” die Individualität des Einzelnen besonders angesprochen wird.

Dabei gilt uns jeder Mensch als einmalig und unverwechselbar.

Diese Einmaligkeit und Unverwechselbarkeit kann man am besonderen Charakter und in den höchst unterschiedlichen, individuellen Handlungsweisen des Menschen festmachen. Natürlich kommt niemand als  fertige Persönlichkeit auf  die Welt, sondern jeder ist dazu aufgerufen, sich in diese Richtung hin zu entwickeln. Dieser Prozess beginnt mit der Geburt und findet eigentlich niemals ein Ende, denn noch im hohen Alter kann sich der Mensch verändern.

Solange es Menschen gibt, haben sie auch darüber nachgedacht, wodurch ein Mensch zu einer unverwechselbaren Persönlichkeit wird. Im Altertum schrieb man bestimmte Eigenschaften des Menschen dem Wirken der Götter zu. Im Mittelalter hatte man die Vorstellung, dass die Geburt den Rang einer Person bestimme. In der Neuzeit gewann mehr und mehr die Vorstellung überhand, dass der Mensch durch sich selbst und den Einfluss anderer zu einer Persönlichkeit geformt wird (= Bildung). Wenn der große Philosoph Immanuel Kant die Aufklärung als den “Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit” beschrieb, so ist damit das programmatische Motto der Persönlichkeitswerdung treffend beschrieben: der Mensch muss sich erst selbst gewinnen, indem er sich von seinen Abhängigkeiten befreit.
Auch heute besteht die Vorstellung, dass der Mensch durch Arbeit an sich selbst und durch die Hilfe anderer sich zu einer einmaligen Persönlichkeit entwickelt. Ein erheblicher Teil der Persönlichkeit wird jedoch auch durch  genetische Faktoren mitbestimmt.
Jeder Mensch trägt somit Verantwortung für sich selbst und ist fähig, über sich selbst zu bestimmen. Diese Selbstbestimmungsfähigkeit gewinnt der Mensch erst im Laufe seiner persönlichen Entwicklung. Natürlich findet man in der persönlichen Entwicklung immer wieder Grenzen vor: durch das Zusammenleben mit anderen und weiters  in unseren eigenen Fähigkeiten. Gerade diese Grenzen können als Herausforderungen betrachtet werden, kreativ zu sein und neue Wege zu beschreiben.

Die Selbsterkenntnis

to gno auton– »Erkenne dich selbst!« stand im alten Griechenland über dem Orakel zu Delphi. Tatsächlich geht der Weg zur Entwicklung einer Persönlichkeit immer über die Selbsterkenntnis.

Eine der wesentlichsten Fähigkeiten, die wir besitzen, ist unsere Möglichkeit zur Selbstbetrachtung (Selbstreflexion). So können wir unsere Person einer kritischen Prüfung unterziehen und werden feststellen, dass es Fähigkeiten und Fertigkeiten gibt, mit denen wir zufrieden sind oder auf die wir sogar stolz sind (Stärken) und dass unsere Person auch Anteile besitzt, über die wir nicht so glücklich sind (Schwächen). Jede Persönlichkeit lässt sich durch Eigenschaften beschreiben. Je nachdem, wie stark bestimmte Eigenschaften im Verhalten gezeigt werden, ergibt sich ein unverwechselbares Verhaltensmuster einer Persönlichkeit- ein Persönlichkeitsprofil.

Die Selbstbetrachtung (Selbstreflexion) unserer Person nennen wir die Eigenwahrnehmung. Dieses Bild, das wir von uns selbst haben, entsteht im Laufe des Lebens.
Naturgemäß werde ich nicht mit allen Verhaltensweisen, Einstellungen und Werthaltungen meiner Person immer hundertprozentig einverstanden sein. Wir haben also auch ein Wunschbild oder eine Idealvorstellung von uns, nach der wir streben. Sicher ist es wichtig, sich auch selbst kritisch zu prüfen und aus den aufgefundenen Abweichungen von unserer Idealvorstellung Entwicklungsschritte einzuleiten. Das Wunschbild sollte jedoch nicht unrealistisch und zu einem Leben in permanenter Unzufriedenheit führen.
Die Personen, mit denen wir Kontakt haben, besitzen auch ein bestimmtes Bild von uns. Sie nehmen unsere Handlungen und Aussagen wahr und gewinnen so eine Vorstellung von uns. Wir nennen dies die Fremdwahrnehmung.
Wenn man mit anderen Menschen über seine Stärken und Schwächen spricht, kann man die Erfahrung machen, dass vieles von dem, was man an sich selbst wahrnimmt, mit dem übereinstimmt, was auch die anderen sehen. Wenn sich meine Eigenwahrnehmung mit der anderer deckt, dann kann ich mich offenbar gut selbst einschätzen. Das fördert mein Selbstbewusstsein, weil ich meine Stärken und Schwächen kenne. Meine Stärken werde ich gezielt einsetzen – an meinen Schwächen kann ich arbeiten.

Wenn es Unterschiede zwischen der Eigen- und der Fremdwahrnehmung gibt, dann zeige ich nach außen ein anderes Bild von mir, als ich selbst annehme. Da kann es dann leicht passieren, dass man eine falsche Vorstellung von seinen eigenen Möglichkeiten hat und seine Stärken nicht gezielt einsetzt oder seine Schwächen nicht nachhaltig genug bekämpft!

 

Das JoHari-Fenster

Das Modell der Sozialpsychologen Joseph Luft und Harry Ingham – das sogenannte  Johari-Fenster (die Vornamen Joseph und Harry wurden für die Namensgebung herangezogen) – führt das Konzept der unterschiedlichen Wahrnehmungsebenen weiter.
In der Interaktion zwischen Individuen werden ständig Informationen ausgetauscht.

 

Das, was ich anderen bereitwillig preis gebe, ist meine öffentliche Person.
Weiters gibt es einen Bezirk, den man als den Bereich der Intimität bezeichnet – Einstellungen, Gedanken und Verhaltensweisen, die ich nicht ohne weiteres mit anderen teilen möchte bzw. zu einem Bereich meiner öffentlichen Person machen will. Habe ich jedoch genug Vertrauen zu einer Person gefasst, so werde ich mehr und mehr Anteile meiner intimen Person, meiner “Geheimnisse” mitteilen. Je mehr dies geschieht, desto besser kann ich von anderen Menschen eingeschätzt werden, desto authentischer wirke ich. Zudem vermag ich es dann, mich freier im sozialen Raum zu bewegen, denn ich muss nicht ständig darauf bedacht sein, meine intime Person zu schützen.
Auf der anderen Seite gibt es Anteile an meiner Person, die anderen Menschen bekannt sind, die ich jedoch selbst nicht wahrnehmen kann. Der blinde Fleck ist hier angesprochen, der einfach alle die Aspekte bezeichnet, die ich nicht gerne wahrnehmen möchte bzw. die ich nicht wahrnehmen kann. Die vorurteilsfreie Wahrnehmung meiner selbst ist gar nicht möglich! Daher werden unangenehme oder nicht ins Selbstbild passende Anteile einfach ausgeblendet. Dafür verantwortlich sind in erster Linie Überzeugungen, die wir von uns selbst besitzen; z.B.  bin ich überzeugt davon, freundlich und warmherzig zu sein – andere erleben mich jedoch als abweisend, oder jemand glaubt, keine Führungsqualitäten zu besitzen, andere trauen ihm dies jedoch zu usw. Die “Aufhellung” des blinden Flecks führt dazu, dass ich negative Wirkungen abbauen und positive Anteile meiner Person gezielter einsetzen kann. Dazu ist es wichtig, sich Rückmeldung über die Wirkung auf andere einzuholen (Feedback).
Der 4. Quadrant des JoHari-Fensters bezieht sich auf die unbewussten Persönlichkeitsanteile. Das Unbewusste ist schwer zugänglich und wird oftmals in Extremsituationen verhaltenswirksam.

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