Integriere das männliche und weibliche Prinzip für eine erfüllte und lebendige Partnerschaft
„Ich wünsche mir so sehr, nach der Arbeit nach Hause zu kommen und der Geruch von Kuchen empfängt mich.“ meinte ein männlicher Klient einmal mit sehnsuchtsvollem Blick. Früher hätte ich diese Äußerung als konservativ und geprägt vom traditionellen Elternhaus, vielleicht sogar als „Machogehabe“, abgetan. Mittlerweile kann ich jedoch auch eine andere Perspektive einnehmen. Und dann höre ich darin die tief verankerte, intuitiv wahrgenommene Sehnsucht des männlichen Anteils in ihm nach seinem weiblichen Gegenstück.
Das männliche und das weibliche Prinzip
Sowohl in der westlichen Welt als auch in der östlichen Welt geht man von der Zweigeschlechtlichkeit der menschlichen Psyche aus, wie Jung es beschreibt. So betitelt er den männlichen Anteil in der Psyche der Frau als Animus und den weiblichen Anteil in der Psyche des Mannes als Anima. In der östlichen Welt entspricht dies dem Yin und Yang Zeichen. Im weißen Yang Zeichen findet sich ein Ying-Kreis und im schwarzen Yin-Zeichen ein weißer Yang-Kreis. Auch hier findet sich also im einen Teil jeweils ein Teil aus dem entgegengesetzten Prinzip.
Yin und Yang, männlich und weiblich stellen ein in sich geschlossenes Gegensatzpaar dar. Zwei Pole, die einander anziehen (Polarität), gegensätzlich erscheinen und doch nicht ohne einander sein können. Das Leben ist voll von Gegensatzpaaren, die jeweils das männliche und weibliche Prinzip darstellen. Den Tag und das Licht könnten wir nicht ohne die Nacht und die Dunkelheit wahrnehmen. Wir können nicht empfangen, ohne das jemand gibt. Ohne Konflikt könnten wir uns nicht nach Harmonie sehnen. Ohne Distanz können wir keine Nähe schätzen, kann keine Anziehungskraft entstehen.
„Wo die Liebe herrscht, da gibt es keinen Machtwillen, und wo die Macht den Vorrang hat, da fehlt die Liebe. Das eine ist der Schatten des Andern.“ — Carl Gustav Jung
Weibliche Qualitäten
Zum weiblichen, zulassenden Prinzip gehören die Mondin, die in den meisten Sprachen auch weiblich ist (la luna), die Erde und die Nacht. Ihm entsprechen die Rhythmen der Natur, wie der Wechsel der Jahreszeiten, Wachstum und Ernte. Damit einher gehen das Werden und Geschehen lassen, das Warten, Empfangen und Gebären, das Anziehen und Verbinden genauso wie das Fühlen. Entsprechend wird das Herz dem Weiblichen zugeordnet. Das Weibliche ist weich, hingebungsvoll, vergebend, anschmiegsam und warm und entspricht in der Musik der Moll-Tonart. Intellektuell ist das nicht rationale Denken in Verbindungen dem weiblichen Prinzip zuordenbar. Zum Weiblichen gehören das Schwachsein, das Pflegen sowie das Bewahren.
Männliche Qualitäten
Dem männlichen, aktivierenden Prinzip werden Himmel und Tag sowie die Sonne zugeordnet. Das Männliche ist präsent und bestimmt von einer linearen, gewollten und durchsetzungsstarken Dynamik. Dementsprechend gehören das Machen, das Denken, der Verstand, das Kontrollieren und die Vernunft zum männlichen Prinzip. Erobern, Zeugen, Angreifen, Konkurrieren, Macht, Starksein, Erschaffen, Zerstören und die Ungeduld sind männliche Qualitäten. In der Musik entspricht die Dur-Tonart dem Männlichen.
Integration beider Qualitäten
Beide Seiten wollen von uns gelebt werden, denn das Leben strebt nach Balance. Die eine Qualität ist nicht besser als die andere. Frauen haben dabei von Natur aus einen tieferen Zugang zum weiblichen Prinzip und Männer zum männlichen Prinzip. Aus diesen unterschiedlichen Qualitäten, Polen heraus entsteht die Anziehungskraft zwischen Mann und Frau. Leider ist das Wissen darum jedoch in unserer Kultur fast vollständig verloren gegangen. Vor allem die weiblichen Qualitäten haben im Patriarchat großen Schaden genommen. Unsere Gesellschaft ist viel stärker von männlichen Qualitäten geprägt als von den weiblichen. Und somit fehlt es an der Balance zwischen den Gegensatzpaaren wie Stärke-Schwäche, Frieden-Wut oder Macht-Hingabe. Oft sind einzelne Aspekte als unerwünscht in den Schatten gedrängt worden.
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Wenn du ein erstes Gefühl dafür bekommen willst, welche Qualitäten du noch nicht lebst oder gar in den Schatten gedrängt hast, dann lies noch einmal ganz bewusst oben die Beschreibungen der männlichen und weiblichen Energien und beobachte dabei, womit du in Resonanz gehst. Diese sind dir vertraut, weil du sie lebst. Beobachte weiter, welche Qualitäten du ablehnst und was dich vielleicht sogar triggert. Notiere dir diese und dann geh auf Forschungsreise in deinem Leben. Woher kommt deine Bewertung? Wie kannst du deine Perspektive verändern? An welchen Stellen können diese Qualitäten dir hilfreich sein? Wo und wie kannst du sie ausprobieren?
Polarität in der Partnerschaft
Deine Forschungsreise kannst Du in deiner Partnerschaft fortsetzen. Beobachte die Qualitäten deines Partners. Geht er angeln oder liebt Computerspiele, vergisst über seinem Hobby eure Verabredung oder gar die Kinder abzuholen? Präsenz ist eine typisch männliche Qualität. Einhundert Prozent der Aufmerksamkeit gehören dann dem, was er gerade tut.
Fragst du dich als Mann, warum es deiner Frau so schwer fällt, los zu lassen, zu vertrauen und dich machen zu lassen? Dann schau mal, inwiefern Wort und Tat bei Dir übereinstimmen, wie verlässlich du bist. Deine Frau braucht die Erfahrung, vertrauen zu können, um sich in ihre typisch weiblichen Qualitäten hinein fallen lassen zu können.
Wenn männliche und weibliche Prinzipien wunderbar ineinander greifen, dann schildert sie lediglich, WAS das Problem ist. Und überlässt ihm das WIE der Lösung.
Dies sind nur einige wenige Beispiele, die anschaulich machen sollen, wie sehr unsere männlichen und weiblichen Qualitäten unsere Partnerschaft prägen.
Wollt ihr nach eurer individuellen Forschungsreise (siehe oben) gemeinsam weiter reisen? Dafür empfehle ich euch die Dyade, ein kraftvolles Ritual, welches ihr für verschiedenste Themen in eure Partnerschaft integrieren könnt. Mögliche Fragen zu männlichen und weiblichen Qualitäten sind:
Und falls du neugierig geworden bist und tiefer in dieses Thema eintauchen möchtest, empfehle ich Dir „Wahre Liebe lässt frei! Wie Frau und Mann zu sich selbst und zueinander finden“ von Robert Betz.
Indem wir männliche und weibliche Qualitäten in uns und im Anderen ehren und integrieren, erschaffen wir eine natürliche Balance zwischen ihnen. In uns, in unserer Partnerschaft und in der Gesellschaft.