Ist Introversion ein Hemmnis für (berufliche) Weiterentwicklung und Karriere?
Das Gehirn ist eine wunderbare Sache. Es funktioniert von Geburt an bis zu dem Moment, wenn ich aufstehe, um einen Vortrag zu halten. (Mark Twain)
Vielleicht kennst du solche Aussagen, oder erkennst darin sogar deine eigenen Gedanken? Dann hast du vermutlich die Stärken deiner Introversion noch nicht erkannt und noch nicht die für dich passenden Strategien entdeckt, die auch dir eine authentische Weiterentwicklung und/oder Karriere möglich machen.
Wenn das so ist, dann ist dieser Beitrag für dich. Denn ich möchte dir zeigen, wie wertvoll dein Persönlichkeitsmerkmal Introversion ist und wie du sie selbst wertschätzen kannst. Damit auch du dich so entwickeln und Karriere machen kannst, wie du es dir wünschst. Denn dein Weg muss nicht der von Extravertierten sein – du darfst auf anderen Pfaden wandeln. Still und stark!
Was ist Introversion überhaupt?
Introversion ist ein Persönlichkeitsmerkmal der sogenannten BIG FIVE. Dies ist ein Modell aus der Persönlichkeitspsychologie und mittlerweile in vielen Studien wissenschaftlich erforscht. Dieses Modell zeigt 5 Skalen auf, auf deren Extrempolen gegensätzliche Merkmale liegen. Der Gegenpol der Introversion ist die Extraversion (auch Extroversion). Der basale Unterschied ist folgender: Introvertierte Menschen sind eher nach innen gerichtet und ziehen ihre Energie aus dem Alleinsein, der Stille, Ruhe. Extrovertierte Persönlichkeiten dagegen ziehen Energie aus dem Zusammensein mit anderen und sind eher nach außen gerichtet.
Introvertierte Menschen sind dazu oft eher (zunächst) zurückhaltender, in einer Beobachterrolle, stiller und nachdenklicher. Gleichzeitig sind sie oft tiefgründig, analytisch, empathisch, gute Zuhörer:innen, vorausschauend, sorgfältig, besonnen und sensibel.
Diese Eigenschaften haben nichts mit Schüchternheit oder geringem Selbstwertgefühl zu tun. Das wird leider immer noch oft missverstanden – auch von Introvertierten selbst. (Dass es Introvertierte gibt, die zusätzlich schüchtern sind, ist eine andere Sache.)
Zur Ausgangsfrage zurück: Ist Introversion ein Hemmnis?
Die schlechte Nachricht: Deine Introversion kann ein echter Bremsklotz auf deinem Karriereweg sein.
Die gute Nachricht: Das liegt nicht daran, dass du introvertiert bist, sondern daran, dass immer noch viele Menschen (leider auch Führungskräfte) Introversion falsch verstehen und meinen, Intros müssen einfach offener sein und aus sich herausrauskommen, damit es „läuft“. Du musst dich jedoch nicht verbiegen. Entgegen der eigenen Persönlichkeit zu handeln, kann auf Dauer zu viel Energie ziehen und dir die Kraft rauben.
Zielfördernder ist, dass du deine Introversion selbst verstehst und anerkennst, dass du dein (unwissendes) Umfeld darüber aufklärst und dass du auf deine Art und Weise deine Expertise und die Vorteile deiner Persönlichkeit auch für andere sichtbar machst. Um den letzten Aspekt geht es im Folgenden.
Ich zeige dir einige Punkte auf, die Introvertierten das Berufsleben erschweren können – egal, ob in der Selbstständigkeit oder als Angestellte:r. Und wie du proaktiv damit umgehen und so deinen Weg mit mehr Leichtigkeit gehen kannst.
Welche Fallstricke gibt es, und wie kannst du damit umgehen?
In Meetings oder Gruppenkontexten übersehen/überhört zu werden
Introvertierte Menschen mögen es nicht gerne, wenn ihnen ins Wort gefallen wird, weil sie ihre Gedanken gerne bis zum Ende führen. Daher unterbrechen sie auch ungern andere, wenn diese reden. Das kann in Meetings dazu führen, dass Intros keine Möglichkeit finden, ihren wertvollen Input anzubringen.
In dem Fall kannst du dem/der Moderator:in schon vorab mitteilen, dass du zu einem bestimmten Thema oder Tagesordnungspunkt etwas sagen möchtest. So gehst du sicher, dass du deinen Punkt einbringen kannst.
Eine andere Möglichkeit ist, dich neben eine Person zu setzen, die häufig in Gruppenkontexten etwas sagt. So bist du automatisch mit im Blickfeld, was dir erleichtern kann, spontan deinen Redebeitrag zu leisten.
Die Aufforderung, offener und extrovertierter zu sein
Leider scheint in vielen Unternehmen (und auch in anderen Kontexten) immer noch das Nonplusultra zu sein, laut, immer mittendrin, redselig und proaktiv zu sein. Das wird nicht selten von Introvertierten sogar gefordert. Was kontraproduktiv ist, da es gegen die Persönlichkeit von Introvertierten geht! (Ja, du kannst dich anpassen und extrovertierter wirken, aber das geht zu Lasten deiner Energie und letztendlich auch zu Lasten deiner Arbeitskraft.)
Daher empfehle ich dir Folgendes:
Der erste Schritt, Erkenntnisse über sich selbst zu erlangen, macht den zweiten Schritt leichter, diese nach außen zu kommunizieren. „Aufklärung“ hilft auch deinem Gegenüber, dich besser zu verstehen. So dass es im besten Fall erkennt, dass die Forderung nach mehr Extroversion unsinnig war.
Verkannt zu werden
Durch die häufig stille Art von Introvertierten, wird ihr Potenzial oft übersehen oder zumindest nicht in Gänze erkannt. Da kannst du nur Abhilfe schaffen, indem du deine Intro-Stärken gezielt nutzt, um erkannt und mit deiner Expertise wahrgenommen zu werden. Wie du das tun kannst, erfährst du hier:
Wenn du nicht zeigst, was du kannst und tust, wird es niemand sehen. Die meisten sind viel zu beschäftigt (mit sich selbst), um immer alles von anderen wahrzunehmen. Also, mach dich bemerkbar. So, wie es zu dir und deiner Persönlichkeit passt. Frag auch gerne deine:n Chef:in oder deine Community, was sie von dir wissen möchten. Welche Informationen sie benötigen, um mehr von dir zu erfahren und deine Expertise zu erkennen.
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Das eigene Licht unter den Scheffel zu stellen
Eigenlob stinkt! Kennst du sicher, oder? Bloß nicht angeben, denken viele Intros. Wie wäre es mit: „Eigenlob stimmt“? Sich selbst auf die Schulter zu klopfen und sich seines Könnens bewusst zu sein, hat nichts mit Angeberei zu tun.
Menschen, die Understatement pflegen und sich klein machen, werden von anderen eher belächelt oder zumindest nicht in ihrem Potenzial wahrgenommen.
Also, steh zu dir. Sei dir deiner Stärken (und Grenzen) bewusst und stolz darauf. Wenn du damit bei dir selbst anfängst und selbstsicher nach außen auftrittst, kommt das auch bei anderen authentisch und kompetent an.
Lampenfieber, das davon abhält, sich und sein Potenzial zu zeigen
Egal ob es sich um ein Vorstellungsgespräch, einen Vortrag, eine Präsentation, ein Meeting oder ein Gespräch mit potenziellen Kund:innen handelt: Manchmal lassen sich Introvertierte (aber auch Extrovertierte) von ihrem Lampenfieber/ihrer Rede- oder Bühnenangst stark ausbremsen.
Die starke Aufregung kann in der jeweiligen Situation so sehr blockieren, dass das volle Potenzial nicht zur Geltung kommt. Nicht selten werden Chancen gar nicht genutzt – aus Angst, zu versagen.
Das muss nicht sein. Lampenfieber kannst du auf Körpertemperatur senken, um sicher und souverän deine Persönlichkeit und dein Wissen zu präsentieren. Hier findest du 5 Schritte, um dein Lampenfieber zu regulieren.
Welche Stärken kannst du aus deiner Introversion ziehen?
Einiges habe ich in diesem Artikel bereits beschrieben. Hier findest du zum Abschluss noch eine Liste mit Stärken, die häufig bei (eher) introvertierten Menschen angesiedelt sind. Schau mal, was auf dich zutrifft:
vorausschauendes Denken
ruhige, besonnene Art
gute Zuhörer:in
empathisch
analytisch
loyal
tiefgründig
sorgfältig
Ruhepol für andere
achtsam in jeglicher Kommunikation
gut in schriftlicher Kommunikation
gut darin, einen Überblick zu bekommen
und gute Arbeitsqualität zu liefern
Ergänze diese Liste auch gerne für dich ganz persönlich. Denn jeder Mensch ist einzigartig. Damit schließt sich der Kreis dieses Artikels. Denn ich bin davon überzeugt, dass Introversion kein Hemmnis für deinen Karriereweg und/oder deine (persönliche) Weiterentwicklung ist. Wenn du deine Einzigartigkeit erkennst, anerkennst und lebst, kannst du dein Potenzial entfalten und dich weiterentwickeln – so wie es zu dir und deiner Persönlichkeit passt. Das wünsche ich dir!
Lebe deine Berufung – auf deine (introvertierte) Art und Weise!
Über die Autorin:
Silke May
Bei Silke dreht sich alles um das Thema "Berufung leben". Ein Schwerpunkt ihrer Arbeit ist es, Menschen beim Finden und Formulieren ihres Warum zu begleiten, damit sie ihre Kernmotivation als Kompass für eine passende Positionierung und klare Kommunikation in Job und Business nutzen können. Mit den meist eher Introvertierten arbeitet sie zusätzlich an einem authentischen und selbstsicheren Auftreten.
Vielseitig interessiert und hochsensibel? Finde deinen inneren Kompass! | 2. Business: Technikmagierin für Solopreneure: WordPress, Divi & Brevo (E-Mail Marketing) | Podcast Sonnenblumenpfad
8 MonateFrüher dachte ich auch, ich bin zurückhaltend. Dabei hat introvertiertheit damit zu tun, dass wir Kraft von innen ziehen. Wir brauchen mehr Pausen, als andere. Wenn wir uns wohlfühlen und für ein Thema brennen, können wir auch wie extrovertierte Personen wirken. Durch die Beobachtungsgabe und das Nachdenken, können wir Situationen, die schwierig erscheinen, sehr gut überblicken. Wir treten nicht als Marktschreierinnnen auf, sondern lassen die Menschen auf uns zukommen. Das finden viele sehr angenehm und auch die ruhige Art.😊
(Prof. Dr.) - Freie Unternehmensberaterin für Menschen und Teams in kniffligen Situationen | Stress & Burnout Prävention | Mit der Power aus den Neurowissenschaften und der Positiven Psychologie. Erlebbar. Wirksam.
8 MonateAus meiner Sicht bietet der BIG5 durch seinen lexikalischen Ansatz hier nicht die beste Erklärung. Schon der MBTI (jaaa.. ich weiß, nicht validiert und unwissenschaftlich-in der Praxis aber gerne und häufig benutzt und gut verwendbar) bringt mit den beiden Ausprägungen I für Intro und E für Extraversion eine bessere Erklärung, denn er bezieht sich nur auf die Frage „woher ziehe ich meine Energie zum Erholen - aus dem außen oder aus dem innen”. Introvertiertheit ist übrigens messbar - introvertierte zeigen bei EEG Messungen einen erhöhtes arousal, also Grunderregung im Gehirn. Es braucht somit einfach nicht soviel Input von außen, damit für ausreichend Aufmerksamkeit gesorgt wird.
💞 Syst. Coachin für hochsensible Frauen, die mit dieser hektischen und schnelllebigen Leistungsgesellschaft kollidieren. Setze federleicht Grenzen durch Selbstwertschätzung. Du bist, wer Du bist, nicht was Du tust 💕
8 MonateIch bin weder still, noch schüchtern und durchsetzen kann ich mich auch. Und doch bin ich introvertiert. Denn das hat ja nix miteinander zu tun. Ich brauche einfach mehr Zeit für mich, um Kraft zu tanken. Zudem bin ich hochsensibel und (auch) Projektorin im Human Design und darf auf Einladung warten. Seit ich das weiß, fühle ich mich völlig entspannt dabei inmitten eines Netzwerkevents am Anfang am Rand zu stehen und zu beobachten. Und nach einer Weile kommen die richtigen Menschen dann auf mich zu. Und im Marketing mache ich das, was sich für mich richtig anfühlt und nicht das, was alle machen. Ich bin halt keine Marktschreierin und die extrovertierte Art des Marketing auch oft sehr sehr anstrengend. Und nach meiner Erfahrung finden mich die richtigen Kundinnen auch so. Denn meine Kundinnen sind ja auch hochsensibel und reagieren eher auf leise Töne. 🫶