Was ist Künstliche Intelligenz?

Was ist Künstliche Intelligenz?

Und was heißt KI für uns und unsere Arbeitsgesellschaft?

Künstliche Intelligenz, Machine Learning und Robotik werden die meisten von uns arbeitslos machen und den Rest von uns in extreme Gering- und extreme Hochverdiener spalten.

Nein, KI ist nur die vierte Stufe einer industriellen Revolution, von der wir alle in ungeahntem Ausmaß profitieren werden.

Das sind in etwa die zu erwartenden Positionen auf einschlägigen Konferenzen, wenn die gesellschaftlichen Herausforderungen von Künstlicher Intelligenz, Machine Learning und Robotik diskutiert werden. Wer hat nun Recht, der Pessimist mit seinem Szenario von Arbeitslosigkeit und weiterer gesellschaftlicher Spaltung oder der Fortschrittsoptimist? Nun, die Antwort lautet wie immer: Es kommt darauf an.

Es kommt darauf an, wie wir die Techniken auf ihrem wirklich unaufhaltsamen Vormarsch formen und begleiten. Das heißt, welche Technologien werden gesellschaftlich gefördert, wie transparent wird geforscht und entwickelt, wie werden wir und unsere Kinder über Bildung und Information darauf vorbereitet, wie wird unsere Gesetzgebung das einfassen und welche auch ethischen Prinzipien soll der Technik mitgegeben werden?

Was aber ist denn Künstliche Intelligenz und was genau passiert überhaupt gerade auf diesem Feld? Die einfachste Definition von KI ist sicherlich, dass es sich bei KI um ein computerisiertes System handelt, das ein Verhalten zeigt, von welchem gemeinhin angenommen wird, dass es Intelligenz erfordert. Noch etwas detaillierter könnte man ein System als KI kennzeichnen, das in der Lage ist, komplexe Probleme rational zu lösen und/oder angemessene Handlungen ausführt, um seine Ziele in komplexen Umwelten zu erreichen, ganz egal, welche unvorhergesehenen Probleme ihm dabei begegnen. Dabei kann es sich um Systeme handeln, die (1) wie Menschen denken, (2) wie Menschen handeln, (3) rational denken und/oder (4) rational handeln (siehe NSTC: Preparing for the Future of Artificial Intelligence). Begegnen werden uns diese Systeme auf zuvor für Menschen reservierten Feldern wie logisches Denken, Wissenswiedergabe, Planen und Navigieren, Sprachverarbeitung und Wahrnehmung.

Kleine und große KI in unseren Beschäftigungsfeldern

Dabei ist generell zwischen der sogenannten "Narrow AI" (NAI) und der "Artificial General Intelligence" (GAI) zu unterscheiden. Bei der NAI handelt es sich um sehr spezifische Künstliche Intelligenz in einem engen Anwendungsgebiet, wie zum Beispiel Übersetzung von Sprachen, automatische Bilderkennung oder autonomes Fahren. In vielen Bereichen kommt NAI heute schon im Alltag zum Einsatz, denken wir an Empfehlungen bei Amazon, das Planen von Reisen, oder Fahrassistenzsysteme. Noch intelligentere Systeme kommen zunehmend in Bereichen wie medizinische Diagnosen, wissenschaftliche Forschung und Bildung zum Einsatz. Zum Beispiel laufen bereits Big-Data-Analysen mit Bilderkennungssoftware, die über im Netz veröffentlichte Bilder von Tieren deren Wanderbewegungen aufzeichnen. Das geht deswegen, weil jedes Tier individuelle Merkmale hat (etwa Narben an Rückenflossen von Walen), welche die Software wieder erkennen kann und weil mehrere Menschen zu anderen Zeiten und an anderen Orten zufällig dieselben Tiere fotografieren und weil jeder dieser Menschen mit ziemlicher Sicherheit sein Bild irgendwo bei Facebook, Instagramm, Tumblr oder Flickr hochlädt.

Was solche Narrow AI jedoch nicht kann, ist, die gewonnenen Daten und Analysen auf ein ganz anderes Aktionsfeld auszudehnen und dann dort zu handeln oder zu entscheiden. Oder als einfaches Beispiel: Ein KI-Staubsauger lernt schnell, wie er in der Wohnung navigieren muss, um immer effizienter zu säubern. Dabei kann er sogar mit umgestellten Möbeln, Haustieren und anderen ungeahnten Herausforderungen umgehen, er wird aber nicht automatisch den Arzt rufen und in der Zeit vor dem Eintreffen mit Wiederbelebungsmaßnahmen beginnen, wenn er sein Besitzer kollabiert im Wohnzimmer auffindet. Solche komplexen und Domain übergreifenden Handlungen wären etwas, was wir von Artificial General Intelligence erwarten würden, also etwa von einem freundlichen Terminator.

Von AGI spricht man, wenn ein KI-System offenbar intelligentes Verhalten über das komplette menschliche kognitive Leistungsspektrum hinweg zeigt und dabei mindestens so leistungsfähig wie ein Mensch ist.

Wann sehen wir den ersten Humanoiden?

Was hält die Zukunft der KI bereit? Um solche Fragen zu beantworten, befragen sich die KI-Forscher untereinander und 80% von ihnen glauben, dass wir letztendlich eine Künstliche Intelligenz erschaffen werden, die der natürlichen des Menschen in nichts nachstehen, sondern ihr eher überlegen sein wird. 50% von ihnen glauben, dass wir im Jahr 2040 soweit sein werden. Allerdings hat sich die Szene auch in der Vergangenheit immer wieder selbst überschätzt, zum Beispiel hat es rund 40 Jahre länger gedauert, bis ein Computer (Deep Blue im Jahr 1997) einen Menschen im Schach besiegte, als die KI-Forschung in den 1950er Jahren annahm. Die heutige KI-Forschung sieht verschiedene nächste Schritte, die einen Durchbruch in Richtung AGI ankündigen würden:

  • Narrow AI könnte sich durch graduelles Erweitern von spezifischen zu weniger strukturierten Aufgaben langsam der GAI annähern. Als Beispiel noch einmal der KI-Staubsauger, der mit seinen Herausforderungen wächst, irgendwann auch abwäscht, einkauft und den Arzt ruft, wenn nötig.
  • Die im Moment zum Teil sehr verschiedenen KI-Methoden, die jeweils auf bestimmte Aufgaben zugeschnitten sind, könnten zusammenwachsen. Das Entwickeln einer Methode, die eine größere Bandbreite von Aufgaben erfüllen könnte, die heute noch eine Reihe verschiedener Methoden benötigt, wäre solch ein Durchbruch.
  • Extrem schwierige Probleme wie Transfer Learning (übertragbares Lernen) würden gelöst und KI würde damit ausgerüstet, um wirklich intelligent zu werden. Eines der härtesten Probleme ist das Transfer Learning, das einer Maschine erlauben würde, das erlernte auf andere Anwendungsfelder zu übertragen. Zum Beispiel könnte ein System auf solch eine Weise programmiert werden, englische Sprache ins Spanische zu übersetzen, dass es gleich auch noch eigenständig lernt, wie man Chinesisch ins Französische übersetzt oder Gedichte auf Russisch schreibt. 

Spätestens, wenn wir die ersten wirklich intelligenten und nützlichen Roboter sehen, die Menschen im Alltag oder bei der Arbeit bei unspezifischen und unvorhergesehen Problemen helfen, müssen die ethischen und rechtlichen Probleme gelöst sein: Welche Prioritäten haben die Maschinen und wie reagieren sie, wenn sie mit einem Dilemma konfrontiert werden: Soll das autonom fahrende Auto im Zweifel lieber drei alte Damen gefährden als ein Kind? Wer ist für Unfälle verantwortlich, ganz gleich wie unwahrscheinlich sie sind? Und welche Verantwortung haben wir gegenüber den Maschinen?

Wie werden wir mit den Maschinen zusammen arbeiten und leben?

Schon sehr bald werden KI-Systeme im Alltag Entscheidungen über Menschen treffen. Das gilt zuerst in Bereichen wie dem Recht und Strafvollzug, wo in den USA bereits daran geforscht wird, wie Entscheidungen zu Bewährungsstrafen automatisiert getroffen werden können. Genauso wird absehbar, dass in der Medizin künftig Diagnosen und mithin Entscheidungen über Behandlungsmethoden und Medikation von Maschinen getroffen werden. In solchen Fällen können Maschinen durch die Sekunden schnelle Verarbeitung von Datenmassen und das Durchspielen zahlloser Szenarien tatsächlich die besseren Entscheidungen treffen. Das heißt aber nicht, dass diese Entscheidungen uns gefallen werden. Es steht also z.B. zur Diskussion, ob und welche Einspruchsrechte wir gegen Entscheidung von KI haben und wie wir diese Rechte ausüben können.

Wie alle technologischen Innovationen werden auf die betroffenen Gesellschaften Kosten und Gewinne zukommen. Wenn wir uns heute das Leben ohne Internet nicht mehr vorstellen können und die heutige Wirtschaft mit ihrer Produktivität gar nicht ohne Computertechnologie zu denken wäre, so trifft das auf die kommenden KI- und Automatisierungswelle erst Recht zu. Und so wie die letzten Zwanzig Jahre Internet uns einen sehr einseitigen Wohlstand (mit einigem an Trickle-Down-Money für die unteren Einkommensbezieher) beschert haben, so droht diese Entwicklung mit einer breiten Automatisierung noch viel mehr.

"Die Menschen sind unser größtes Kapital. Aber wenn Sie mir Maschinen geben, die die Menschen in meinem Betrieb ersetzen, dann werde ich die sofort nehmen und einsetzen." (Jeremy Roth, Geschäftsführer von Littler auf der Littler Konferenz 2014 in Berlin)

In einem Szenario, wo breite Bevölkerungsschichten von ihrer einfachen bis mittelkomplexen Arbeit befreit werden, fallen Lohnsteuern und Sozialversicherungsabgaben einfach weg. Selbst wenn diese Menschen vielleicht durch ein bedingungsloses Einkommen versorgt würden, stellt sich die Frage, wie der Staat ohne diese Einnahmen aus Arbeit Bildung, Infrastruktur, Gesundheitssysteme etc. aufrecht erhalten soll. Man müsste also zum Beispiel Steuern und Sozialabgaben auf die Roboter umlegen. Das jedoch schmälert die Gewinne, die sich die Wirtschaft von der Automatisierung erhoffen. Sogar die letzte Studie aus Obamas White House zum Thema KI fordert in einem fast sozialistischen Ton:

Weil die KI das Potenzial hat, die Bezahlung speziell von gering- bis mittelqualifizierten Tätigkeiten zu eliminieren oder drastisch zu senken, wird die Politik dafür sorgen müssen, dass die monetären Gewinne aus der KI gesellschaftsweit verteilt und dass Ungleichheit als Konsequenz zurückgedrängt anstatt verschärft wird. ( Preparing for the Future of Artificial Intelligence, S. 28)

Mal sehen, was Donald Trumps Regierung aus den Empfehlungen des NSTC macht. Und wie bereitet sich die Europäische und speziell die deutsche Gesetzgebung darauf vor? Ich fürchte, dass sie das angesichts der Schwelbrände überall so gut wie gar nicht tut. Bei all dem haben wir noch gar nicht über Waffen- und Kriegstechnologie gesprochen und welche Folgen KI auf diesem und ähnlichen Feldern wie innere Sicherheit zeigen wird. Und natürlich gibt es daneben viele andere Bereiche wie Sport, Spiele, Liebe etc. Die KI-Automatisierung wird alle unserer Alltagsbereiche umfassen, sie wird die gesamte Menschheit transzendieren. Wie wir als psychisch empfindsame Wesen mit den Maschinen zurecht kommen, wenn sie den Takt des Lebens vorgeben werden, das kann ich mir heute gar nicht ausmalen.

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(Version 1 dieses Artikels erschien im November 2016 bei Geist und Gegenwart)

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