Jede Stimme zählt
„Die Linke macht sich den Rechtsextremismus zunutze. So spaltet sie die demokratische Mitte.“ war heute in einem Kommentar von Markus Wehner in der FAZ zu lesen. Und er hat Recht.
Man kann nicht Vereine wie NPD (!), die Partei, die Linke und AfD erst als Parteien zu Wahlen zulassen und ihnen dann wesentliche parlamentarische Mitwirkung verweigern. Und das auch noch als verfassungsmäßige Pflicht verkaufen, wenn es um die AfD geht. Andere Parteien müssen und sollten nicht aktiv mit der AfD kooperieren, erst recht nicht koalieren, schon gar nicht mit einer völkischen und gefährlichen Höcke-AfD. Aber ich bezweifle stark, ob man auch ihre ungefragte Unterstützung zurückweisen darf, ob man Gesetze und Wahlergebnisse, die mit ihren Stimmen zustande kommen, einfach ignorieren und "rückgängig" machen darf. Nicht umsonst sind Wahlen geheim und die Abgeordneten nur ihrem Gewissen unterworfen. Auch viele Parteimitglieder wählen nicht immer die eigene Partei. Solch strategisches oder gar asymmetrisches Wahlverhalten mag nicht im Sinne des Erfinders der Demokratie sein. Sie muss es dennoch aushalten. Am Ende zählen nur die Mehrheiten – für ein Programm, ein Gesetz oder eine Person. Und nicht wie sie zustande kommen.
Natürlich ist es ebenso das gute Recht eines Gewählten, seine Wahl, aus welchen Gründen auch immer, nicht anzunehmen bzw. wieder zurück zu treten. Im Fall Kemmerichs sprach dafür nicht nur die Tatsache, dass die AfD den eigenen Kandidaten nicht zurückgezogen und Kemmerich damit offenbar bewusst in die Falle gelockt hatte. Schnell war zudem klar, dass er keine tragfähigen Mehrheiten und nicht einmal ein Kabinett zustande bekommen würde. Und zwar nicht nur, weil SPD und Grüne sich kategorisch weigerten, eine formal korrekte Wahl anzuerkennen, sondern auch weil sie damit ihr Koalitionsversprechen zugunsten der Linke und ihres Spitzenkandidaten verraten hätten.
Und was lernen wir daraus? Demokratie ist anstrengend, unberechenbar und muss sich anpassen können. Darum sollten sich die Parteien der Mitte in Acht nehmen vor allzu starren Unvereinbarkeitsbeschlüssen, Fraktionszwängen und Koalitionsaussagen. Vor allem im Vorfeld von Wahlen und erst recht von Neuwahlen. Das sind sie allen Wählerinnen und Wählern in Thüringen und unserer föderalen Demokratie schuldig. Denn jede Stimme für und von (nicht verbotenen) Parteien zählt und muss zählen – bei Wahlen zu Parlamenten und in Parlamenten.