Könnt Ihr es lesen: „Christine meine Maus, lang ist es noch hin“
Stromern am 12. April rund um den Jägerberg
Heute war der Tag, an dem der Blick abgenommen hatte, und das Grün zugenommen zu haben schien. Heute, bei dem Regen nachmittags, auf den Fahrrädern im Fußgängerstrom, an den Ampeln, oder am Kombinat Süd, wenn sich der Kopf bei einer Pause quer übers Tal zu den anderen Hängen hin drehte. Und beim Hinaustreten abends, vor Vogelzwitschern die anderen Geräusche nicht wahrnehmend. Da war es heute deutlich geworden, dass man nicht mehr zwischen die Zweige sehen konnte. Das Grün war gekommen.
Beim gestrigen Erkunden in den Seitentälern beim Rautal war es noch anders gewesen. Deutlich hatte sich zum Beispiel eine Müllkippe als alter Steinbruch erkennbar gezeigt, hatten noch keine Blätter das Rund unkenntlich gemacht. Auch jene andere beim Treffpunkt der Straßen von Rödigen und Closewitz auf dem Jägerberg, erkennbar waren die aufgeschütteten Hügel, auf denen die Erlen in leichtem Wind und Sonne standen. Grabeneinwärts die bekannten Bilder: Plaste, Kisten, Anhänger, Schnipsel hier, Schnipsel dort, und das Flaschen- und Keramikmuseum zwischen den Bauabfällen. Ja, Sie werden stöhnen oder lachen – das sieht man nunmal allerorten, jene Spuren von Menschen, und nach zwei Jahrzehnten beginnen sie unsichtbar zu werden. In der Natur durch Bewuchs, in den Köpfen durch Broschüren und stetes Schulterklopfen.
Wir hatten den Burschenplatz passiert, an dem Wasser geflossen war im Fall, auch das Rad am Bach dahinter drehte fleissig. Den Weg erforschend hatten wir hier und da ins durchsichtige Unterholz gelugt, hatten an Bodenfurchen und symmetrischen Reihen alte Bearbeitungen entdeckt, deren Sinn nicht erkennbar war. Hatten die Wege erkundet, die für Gruppen tauglich sein könnten, abseits der bekannten Allrounder wie Orchideen oder Winterlingen. Das Glück liegt häufig neben dem Weg, das Ankommen erfolgt manchmal mit dem Vergessen des Vorgenommenen, die Erholung im einfachen Losgehen. Die zwei Seitentäler des Rautales hinter dem Burschenplatz sind ohne Wege gewesen, merkten wir kichernd. Auch oben könnte man nicht mit manchen Gruppen am Waldrand entlang, Schafe und Straße und Feld, mehr ist nicht. Der Gang über den Jägerberg brachte Huflattich, Wachhunde und viele Geschichten. Und wie immer die Namen Hunderter Deutscher und Russen an den Schiefertafeln des Eingangsbereiches der alten Kaserne. So wie in der Überschrift, oder hier: „Ihr alle meine Lieben müßt noch lange warten“, daneben „Petra, Gabi, Vroni“ und zehn andere Namen. Wir lasen es und grienten. Vorher war diese Inschrift noch nie aufgefallen. Sommerlich konnte man da oben auf dem Berg fast die Sonne nennen, der ansteigende Durst war auch schon sommerlicher. Und so, nach ein paar Stunden, verweilten wir am Feuerplatz, sitzend, essend, lauschend, erzählend. Und auch hier um die Kuppe der Herumweg: Was gibt es noch, wo geht es noch lang, was geht überhaupt?
Danke für diesen Tag und diese schönen drei Zeitlupenwochen im März und April. So intensiv meinte ich noch nie alle Knospen verharren und sich entwickeln sehen. Wann ich den Text schreibe… hatte ich gestern nach dem Gang überlegt, und als heute plötzlich der Blick durch manche Bäume verborgen schien, und schiere Blattmasse den Ästen entquoll, war es der richtige Augenblick. Bis bald auf dem Weg!