KI bietet für die christliche Botschaft ungeahnte Möglichkeiten

KI bietet für die christliche Botschaft ungeahnte Möglichkeiten

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Künstliche Intelligenz (KI) verändert heute schon die Art, wie wir arbeiten und wie wir leben. Doch es steckt noch viel mehr drin: erstaunliche Wege, um die Bibel schneller zu übersetzen und verfolgte Christen zu unterstützen. Dieser Beitrag wirbt dafür, die Chancen intelligent zu nutzen.

Die Dynamik von Künstlicher Intelligenz (KI) hat alle überrascht – auch uns BranchenInsider, die seit Jahren mit maschinellem Lernen gearbeitet haben. Plötzlich wurde klar: KI ist kein Update auf eine bessere Suchmaschine, sondern eine Transformation „wie die Erfindung der Elektrizität“ – so der Google-Chef Sundar Pichai.

Diese Transformation wird das Wertegefüge von Berufen, Unternehmen, Märkten und Nationen komplett neu sortieren. Und viele werden darüber glücklich sein, denn diese Transformation beinhaltet eine riesige Chance. Dies betrifft nicht nur Wirtschaftsunternehmen, sondern genauso Nichtregierungsorganisationen, Kirchen und christliche Werke.

Was das Radar zeigt

Wenn wir unsere Organisation mit einem Segelboot auf dem Atlantik vergleichen, dann hat unser Radar aufgenommen, dass eine sehr große Motoryacht mit dem Schriftzug „KI“ sich uns nähert. Dies birgt das Risiko der Kollision, aber große Chancen, wenn sie uns schleppt. Bisher haben alle technologischen Erfindungen große Chancen beinhaltet, und das wird mit KI genauso sein. Oder wer möchte wieder auf Strom oder PC verzichten?

Die Nervosität besteht darin, dass wir auf unserem Segelboot schlechte Sicht haben. Wir können nur indirekt, über Radar empfangen, wo die KI-Motoryacht fährt. Was wir bislang über KI vorhersagen können, ist Folgendes:

KI wird geräteunabhängiger, omnipräsenter

Lang vorbei sind die Zeiten, wo jemand seinen PC im Büro einschloss und danach frei von digitalen Inhalten den Feierabend mit der Zeitung verbrachte. Irgendwann kam das Smartphone mit nach Hause und bei manchen die Smartwatch mit ins Bett. Keiner zwang uns, sondern der Komfort brachte uns freiwillig dorthin.

Die KI wird lernen, was unsere komfortabelsten Kommunikationswege sind, und wird uns mit dem aktuell besten Medium informieren – über Sprache aus einem Lautsprecher wie Alexa oder über Projektion auf Brille, Wände, Böden, die Hand oder klassisch per App im Handy.

KI wird proaktiver

Bisher haben wir unseren Eingabegeräten Fragen gestellt und von ihnen Antworten erhalten. Lebensplanung ging bislang unsere Geräte wenig an, da sie uns zu wenig kannten. Das wird sich ändern, wenn die KI unsere Mails, Kalender, Freunde und Ziele kennt und diese miteinander verknüpft (Large Action Models).

Wenn mein Ziel ist, mehr Zeit mit den Kindern zu haben, so wird sie meinen Kalender danach auswerten, mir Feedback geben und Analysen zu meiner Zeiteinteilung. Dann wird die KI mich fragen: „Willst Du wirklich diesen Kundentermin am Freitag annehmen, wo Du diese Woche erst zwanzig Minuten mit Deinem Sohn gesprochen hast?“ Die Möglichkeit, eine Organisation auf einer Website zu präsentieren, bleibt bestehen, aber die Gefahr für den Website-Inhaber wird sein, dass die KI für ihre Antwort Daten aus anderen Quellen wie Wikipedia oder Bewertungsseiten bezieht. Während eine Suchmaschine zu Websites verweist, liefert eine KI als Chatbot in der Regel eine selbst zusammengestellte Antwort.

KI wird persönlicher

Bisher haben wir unsere Suchmaschinen genutzt, um Wissenslücken zu füllen. Die großen Fragen des Lebens waren der Diskussion mit Freunden beim Wein vorbehalten: „Welche Karriere soll ich anstreben?“ In Zukunft werden wir Lebensempfehlungen von der KI erhalten: „Nach Auswertung Deiner Daten und der Daten Deiner Vorfahren solltest Du ein Studium der Innenarchitektur aufnehmen. Soll ich Dir Universitäten raussuchen, die Dich immatrikulieren würden?“

Mit KI Gutes tun

Wir wissen auch: KI wird neue Herausforderungen bringen. „Potenziell gefährlicher als die Atombombe“, schrieb Elon Musk über KI. Man könnte eine lange Problem-Liste erstellen: Attraktive Berufe verlieren an Gunst, qualifizierte KI-Mitarbeiter sind schwer zu bekommen, Videos werden manipulierbar, Identitäten lassen sich fälschen.

Das sind schwerwiegende Probleme, aber dagegen steht: Sowohl der Mörder als auch der Chirurg verwenden Messer. Wir sollten lernen, mit Messern Gutes zu tun.

Nehmen wir den Datenschutz: Einerseits können Identitäten gestohlen werden, so dass der „Enkeltrick“ in Zukunft durch geklonte Stimme und Bild für jeden zur Falle werden kann. Andererseits kann ein KI-Bot uns helfen, die Datenschutzrichtlinien benutzter Websites zu lesen, analysieren und bessere Entscheidungen in unserem Namen zu treffen. Denn was nützen die ganzen AGBs, die heute jeder akzeptiert, weil es unmöglich ist, sie zu lesen?

Es ist erst eine Generation her, dass einige die Computer-Nutzung verweigerten: „In meine Wohnung kommt kein PC. Ich bin ja kein IT-Nerd.“ Ein paar Jahre später hatten diese Menschen dann doch PC, aber verweigerten das Internet. Dann hatten sie Internet, aber kein Handy und dann Handy, aber kein Social Media. Heute haben sie Social Media, aber wollen keine KI. Wir sollten also lernen, das „Messer“ sinnvoll zu verwenden, anstatt etwas zu verweigern, das ohnehin Bestandteil unseres Lebens werden wird.

Wie Gemeinden profitieren

Ein paar Anwendungsfälle:

1. Jüngerschaft

Wir werden zukünftig durch KI einen persönlichen Coach bekommen, der uns in unseren Zielen unterstützt. Dieser Coach wird günstig, verfügbar, zuverlässig und kompetent sein.

KI: „Hallo Steffen, während Du gerade allein beim Frühstück sitzt, wollte ich Dich zu Deiner Bibellese fragen. Du wolltest in zwei Jahren die Bibel durchlesen und bist aktuell im Zeitplan, wenn Du gestern die Bergpredigt beendet hast.“

Ich: „Ja, das habe ich. Was ist als Nächstes dran?“

KI: „Hoheslied. War bisher nicht Dein Favorit. Soll ich Dir etwas dazu erzählen?“

Ich: „Nein, ich würde lieber noch über die Bergpredigt sprechen. Was sagt mir die Berpredigt?“

KI: „Du hast letzte Woche mehrere Telefonate sehr wütend beendet. Wenn Du Sanftmut lernen willst, könnte ich Dir ein paar Tipps geben.“

2. Video-Session mit Mutter Teresa

Der Leiter einer Kirche in Frankfurt möchte eine Obdachlosenarbeit starten. Er liest dazu die Schriften von Mutter Teresa (1910-1997), die natürlich in völlig anderem Kontext standen. Gern würde er mit ihr über seine konkrete Situation in Frankfurt einmal sprechen.

Eine KI hat Mutter Teresas Publikationen und Predigten aufgenommen. Die KI kennt durch das Internet unsere heutigen gesellschaftlichen Werte, und sie kennt auch die konkrete Obdachlosensituation in Frankfurt. Darüber hinaus lassen sich Stimme und Gesicht von Mutter Teresa klonen.

In einer Videosession kann nun der Kirchenleiter mit Mutter Teresa sprechen und Hilfestellung erhalten, die konkreter und weitergehender ist, als ein Buch es könnte.

3. Generationen-Gemeinde

Viele Gemeinden schrumpfen. Seit Corona hat sich der Trend beschleunigt. Alternative Gemeindeformen sind plötzlich per YouTube erreichbar. Der Generation Z ist manche Gemeinde zu altbacken, und Älteren ist der Weg zu weit.

Eine Lösung kann eine Metaverse-Gemeinde sein, also eine Gemeinde auf einer virtuellen und immersiven Plattform. Sie bietet die Vorteile von sozialer Interaktion, ist zielgruppenindividuell und darüber hinaus ortsunabhängig.

Im Gegensatz zu statischen Video-Konferenzen können hier die unterschiedlichen Formen leicht kombiniert werden wie im realen Gemeindeleben. Man kann gemeinsam einer frontalen Predigt folgen, sie mit Sitznachbarn einzeln oder in Gruppe besprechen oder vor die virtuelle Tür gehen und sich mit zufälligen Personen zu anderen Themen austauschen.

Eine solche Metaverse-Gemeinde ist nicht nur in Europa interessant, sondern bietet insbesondere Chancen für Menschen in Ländern, in denen es keine Religionsfreiheit gibt. Mit verschlüsselten Verbindungen können Menschen von Libyen bis Nordkorea sich außerhalb der überwachten Öffentlichkeit zur gemeinsamen Andacht treffen. Darüber hinaus wird KI Sprachprobleme überwinden und damit Bindeglied zwischen verfolgten und westlichen Christen bieten, so dass eine Gemeinde mit weltweiten Teilnehmern möglich ist. Wir könnten von chinesischen Christen lernen, mit Gegenwind zu leben, und sie wiederum könnten von uns Ermutigung und strukturelle Hilfen bekommen.

4. Weltweite Mission

Die weltweite Mission wird mit KI einen mehrfachen Schub erhalten. Bibelübersetzungen gibt es derzeit nur in 720 von insgesamt 7.400 Sprachen. Eine vollständige Bibelübersetzung in einer noch nicht verschriftlichten Sprache benötigt derzeit 23 Jahre Vollzeitarbeit. Dies lässt sich mit heutiger KI bereits auf 4 Jahre reduzieren und damit jeweils eine halbe Million Euro einsparen. Es ist absehbar, dass neue Large Language Modelle diese Zeiten nochmal deutlich verkürzen werden. Das Ziel, dass jeder Mensch eine Bibel in seiner Muttersprache lesen kann, könnte damit von 2044 auf 2032 vorgezogen werden.

Damit nicht genug: KI-gesteuerte Drohnen können sowohl christliche Informationen als auch Medizin und Hilfsgüter in Regionen bringen, die heute schwer erreichbar sind.

5. Finanzierungen

Viele gute Projekte sind heute schwer finanzierbar. Insbesondere in entfernten Regionen oder schwer vermittelbaren Themen fehlt den Spendern oft der unmittelbare Bezug zum Projekt. Spender präferieren, wenn sie sehen können, was mit ihrem Geld passiert quasi virtuelle Teilhaber sind.

Das hat zur Folge, dass christliche Bauprojekte sehr viel besser finanzierbar sind als Hilfs- und Dienstleistungsprojekte. Diese Affinität zu Bauprojekten ist sonst schwer erklärbar, weil im gesamten Neuen Testament nicht ein einziges Bauprojekt empfohlen wird. Eine Lösung kann durch Blockchain-Technologie entstehen, die auch die Basis für Kryptowährungen wie Bitcoin ist. Ein Missionsprojekt, wie beispielsweise eine Bibelübersetzung, erhält ein digitales Bild. Durch die Blockchain wird dies Bild einzigartig, kopiergeschützt und sogar handelbar. Die Spender können dieses Bild in ihrem Handy-Wallet halten und damit eine ähnlich virtuelle Teilhaberschaft erhalten wie bei Bauprojekten.

Automatisierte Verträge mit KI und Blockchain machen nachvollziehbar, dass die Spende für den Verwendungszweck genutzt worden ist. Das bisher fehlende Vertrauen durch Distanz und Immaterialität kann so hergestellt und neue Spenderkreise akquiriert werden.

Offen wie Martin Luther

Ich wünsche mir, dass wir KI nutzen, wie Martin Luther den Buchdruck nutzte. Bei der Einführung des Buchdrucks bestand das Risiko, dass plötzlich sehr viele Buch-Schreiber arbeitslos wurden und dass Fake-News in ungekannten Dimensionen in Umlauf kamen. Aber die Chance war ebenso gewaltig, und wir nutzen sie tagtäglich.

Ich komme zurück zum Bild der Segeltour: Wir sind weiterhin im Nebel unterwegs, und das wird längere Zeit so bleiben. Wir müssen also lernen, bei schlechter Sicht zu navigieren. Wer jetzt das Ruder loslässt und in der Kajüte warten will, dass sich der Nebel lichtet, wird Schiffbruch erleiden.

Dies ist für alle Führungskräfte und Organisationen eine Herausforderung, aber für Kirchen und christliche Organisationen ist sie besonders groß. Führungskräfte in Wirtschaftsunternehmen haben mehr Erfahrung mit Navigation im Nebel: Marktveränderungen sind so normal, dass manche sagen, das einzig Beständige in ihrem Unternehmen sei der Wandel. ChangeManagement-Prozesse wurden eingeführt, um strukturiert mit diesem „neuen Normal“ umzugehen. Rücken Wirtschaft und Kirche zusammen? Kirchen waren in der Vergangenheit weniger Veränderungen ausgesetzt, und da fehlt jetzt Erfahrung. Es ist wichtig, dass Führungskräfte aus Wirtschaft und Kirche enger zusammenrücken und einander in dieser Transformation gegenseitig unterstützen. Unternehmenslenker brauchen Unterstützung bei ethischen Fragen und sicher auch mentale Hilfe. Kirchenleiter brauchen Hilfe im Ausrichten der Organisation auf die neuen Gegebenheiten und dem Umsetzen von Change-Management.

Wenn Wirtschafts- und Kirchenführer zusammenrücken, bin ich sehr optimistisch, dass wir gemeinsam die Chancen der KI nutzen können.

 

Zum Autor: Steffen J. Ehl (52) ist für KI- und Software-Hersteller des Silicon Valley wie Cisco und Oracle tätig gewesen und war zuletzt Vice President bei Qt. Er hat mit dem Topmanagement von DAX-Unternehmen globale KI-Lösungen verhandelt. Auf Adler-Blick.de schreibt er, was christliche Organisationen daraus lernen können. Ehl lebt mit seiner Frau bei Düsseldorf. Sie haben vier erwachsene Kinder und sind Mitglieder einer Evangelisch Freikirchlichen Gemeinde.

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