Koalitionsvertrag 2018 - Finanzmarktregulierung - Quo vadis?

Nach den Verhandlungen haben sich CDU, CSU und SPD ("Parteien") auf einen Koalitionsvertrag (klick) geeinigt, der im Übrigen nach überwiegender Auffassung lediglich als „politische Geschäftsgrundlage“ für die Bildung und Arbeit der Regierung dient und bloß eine sog. "faktische Wirkungskraft" genießt (vgl. dazu: Wissenschaftliche Dienste, "Koalitionsverhandlungen - Koalitionsvertrag", S. 1 f., klick). Somit sind Koalitionsverträge weder gerichtlich einklagbar noch vollstreckbar (Ebd.).

Finanzmarktregulierung im Koalitionsvertrag

Im Einzelnen sieht der Koalitionsvertrag der Parteien im Hinblick auf die Finanzmarktregulierung die nachfolgenden Maßnahmen vor:

(Hinweis des Autors: frei zitiert; Unterstreichungen sind eigenes eingefügt; der Beitrag verfolgt keinen Anspruch auf Vollständigkeit).

Schließung von Regulierungsarbitrage

Für uns gilt deshalb der Grundsatz: Kein Finanzmarktakteur, kein Finanzprodukt und kein Markt darf in Zukunft ohne angemessene Regulierung bleiben. Dies trägt auch zur langfristigen Wettbewerbsfähigkeit der Finanzmärkte bei.
Im Rahmen einer europäischen oder internationalen Lösung streben wir für Finanzinstitute außerhalb des Banken- und Versicherungssektors, z. B. für Hedgefonds und Schattenbanken, einen Kriterienkatalog zur Prüfung ihrer Bedeutung für das Finanzsystem an. Systemrelevante Finanzinstitute sollen verbindlichen Regulierungsanforderungen und einer Aufsicht unterliegen. Gleiches Geschäft muss gleich reguliert werden.
Um das Potential der Blockchain-Technologie zu erschließen und Missbrauchsmöglichkeiten zu verhindern, wollen wir eine umfassende Blockchain-Strategie entwickeln und uns für einen angemessenen Rechtsrahmen für den Handel mit Kryptowährungen und Token auf europäischer und internationaler Ebene einsetzen

Überprüfung der bestehenden Regulierungsmaßnahmen de lege lata

Wir setzen uns für eine zielgenaue, wirksame und angemessene Finanzmarktregulierung ein. Daher wollen wir die (Wechsel-)Wirkungen der nach der Finanzmarktkrise beschlossenen Regulierungsmaßnahmen untersuchen. Dabei wollen wir prüfen, ob ihre Ziele erreicht wurden und ob die Regulierung und die Aufsicht nach dem Grundsatz der doppelten Proportionalität ausgerichtet sind. Dort, wo es notwendig ist, wer den wir auf eine Nachjustierung auch auf europäischer und internationaler Ebene hinwirken.

Erleichterungen für kleinere und mittlere Kreditinstitute, insbesondere Proportionalität bei der Bankenregulierung

Wir wollen dabei insbesondere kleine Institute entlasten, soweit von ihnen geringe Risiken für die Finanzstabilität ausgehen.
Regional tätige Finanzinstitute wie Sparkassen, Genossenschaftsbanken und Förderbanken sind wichtige Finanzpartner vieler Menschen und Unternehmen in unserem Land. Wir sehen sie als wichtige Säule für die Stabilität im Finanzsystem und kämpfen daher für ihren Erhalt. Wir werden bei der Regulierung danach unterscheiden, ob es sich um Sparkassen, Genossenschaftsbanken, Förderbanken bzw. kleine und mittlere Privatbanken mit risikoarmen Geschäftsmodellen handelt oder um systemrelevante Großbanken.

Kohärente Regulierung und Aufsicht 

Auch eine kohärente Regulierung und Aufsicht sollen dazu beitragen, Deutschlands Rolle als einer der führenden Digitalisierungs- und FinTech-Standorte zu stärken. Wir werden unnötige bürokratische Hemmnisse beseitigen und dafür sorgen, dass Geschäfte mit gleichen Risiken auch gleich reguliert werden.
Die Sicherheit der IT-Systeme ist sowohl für Kundinnen und Kunden als auch für die Stabilität der Finanzmärkte von großer Bedeutung. Die Abwehr von Cyber-Angriffen stellt auch für Finanzdienstleister eine wesentliche Herausforderung dar. Wir wollen die Fähigkeiten der Finanzaufsicht im Bereich Digitalisierung und IT-Sicherheit stärken und auch die Zusammenarbeit mit allen zuständigen Aufsichts- und Sicherheitsbehörden intensivieren.

Verbraucherschutz

Wir werden zur Herstellung einer einheitlichen und qualitativ hochwertigen Finanzaufsicht die Aufsicht über die freien Finanzanlagevermittler schrittweise auf die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht übertragen.

Rechtsharmonisierung - Brexit

Angesichts des bevorstehenden Austritts des Vereinigten Königreichs aus der EU wollen wir den Standort Deutschland für Finanzinstitute attraktiver gestalten. Dazu werden wir es möglich machen, Risikoträger im Sinne von § 2 Abs. 8 Institutsvergütungsverordnung, deren jährliche regelmäßige Grundvergütung das Dreifache der Beitragsbemessungsgrenze in der Rentenversicherung überschreitet, im Kündigungsschutzgesetz leitenden Angestellten gleichzustellen.

Fazit

Erfreulich ist es, dass die Parteien die Verzahnung zwischen den kleineren bzw. mittleren Kreditinstituten und der Realwirtschaft (nun) ausdrücklich anerkennen. Gerade im Zuge dessen ist es sinnvoll, die bestehende Bankenregulierung der vergangenen Jahren auf Ihre Wirksamkeit bzw. Notwendigkeit hin zu überprüfen; hier ist sogar eine Parallele zur Telekommunikationsregulierung erkennbar, die eine solche Validierung und Deregulierung nach Zielerreichung bereits erfolgreich verfolgt. Im Kontext dessen ist auch die Intensivierung der Proportionalität bei der Bankenregulierung wichtig. Unklar bleibt dennoch, ob das für Deutschland prognostizierte "Bankensterben" (klick) durch dieses Maßnahmenbündel verhindert werden kann, denn gerade die deutsche Bankenwirtschaft mit vielen kleineren und mittleren Instituten wurde durch europäischen Regulierungsmaßnahmen (bspw MiFID II) besonders hart belastet, da diese Regime auch von den zahlreichen kleineren und mittleren Banken umgesetzt werden musste, was mit einer hohen Kostenbelastung einherging; dagegen weist beispielsweise die französische "Bankenlandschaft" überwiegend Großbanken auf, die den Kostendruck solcher Regulierungsmaßnahmen leichter "schultern" konnten. Auch ist unklar, wie diese Maßnahmen aufgrund der harmonisierten Regulierung mit Aussicht auf Erfolg verfolgt werden können.

Im Kontext des bevorstehenden Brexit erscheint es sinnvoll, dass die Parteien die Stärkung des hiesigen Finanzplatzes beabsichtigen und dazu beispielsweise Änderungen des Kündigungsschutzes anstreben - allerdings gibt dieser Punkt auch zu erkennen, dass die Parteien einsehen, dass im Hinblick auf die Stärkung des Finanzplatzes Deutschlands aufgrund der europäischen Finanzmarktregulierung wenig "Spielraum" verbleibt.

Es erscheint indes fraglich, ob die Übertragung der Aufsichtsbefugnis über die circa 40.000 Finanzanlagenvermittler nach § 34f GewO auf die BaFin praktisch durchführbar ist; dies würde einen hohen Personalbedarf auf Seiten der BaFin voraussetzen. Möglicherweise wäre dieser aber im Wege der sog. "Organleihe" zu bewältigen. Inwieweit dies zu einem Mehrwert im Rahmen des Verbraucherschutzes führen soll, bleibt aber unklar.

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