Krafttraining für LäuferInnen 1: 
Ein Grund, warum Sprungübungen dich nicht besser als LäuferIn machen
Fotos @Johannes Morath

Krafttraining für LäuferInnen 1: Ein Grund, warum Sprungübungen dich nicht besser als LäuferIn machen

Krafttraining für LäuferInnen – v.a. wenn es über die Kurzstrecke hinausgeht – ist in Deutschland als feststehendes und das eigentliche Lauftraining begleitendes Konzept quasi nicht existent.

Lauftreffs und Laufvereine implementieren kaum bis gar kein Krafttraining in die Trainingspläne die ausgegeben werden.

Das führt zu zweierlei Dingen: zum einen zu extrem hohen Verletzungsraten vor allem unter AmateurläuferInnen (defensive Schätzungen gehen davon aus, dass rund 70% der ambitionierten LäuferInnen in Deutschland nach rund 18 Monaten konstanten Lauftrainings beginnen, chronische Verletzungen zu entwickeln die in nahezu allen Fällen irreversibel sind), zum anderen zu selbständig geplantem und organisiertem Training, das das Laufen unterstützen soll.

Dagegen ist grundsätzlich nichts einzuwenden, wenn es nicht in einigen Fällen nichts besser, in vielen sogar alles schlimmer machen würde.

In kurzen Artikeln sollen hier in der Folge möglichst voraussetzungslos die größten Missverständnisse im Krafttraining für LäuferInnen vorgestellt werden und Hinweise gegeben werden, wie ein sinnvolles Krafttraining tatsächlich aussehen kann.

 

Heute: Sprungübungen

Krafttraining für LäuferInnen findet in aller Regel ohne umfangreiches Equipment statt: ein TRX, einige Bänder und möglicherweise eine Box oder Mauer. So versatil diese Ausstattung auch ist, eignet sie sich allerdings nur bedingt für die Durchführung eines strukturieren Programms zur Leistungssteigerung (was per Definition Training ist).

 

Ein Krafttrainingsprogramm für LäuferInnen wie es nicht sein sollte

Über einen Kollegen wurde mir ein Programm zugespielt, was in diesem Jahr genutzt wurde, um LäuferInnen auf deutschem Top-Niveau auf die 10km und die Halbmarathon-Distanz vorzubereiten.

Im Grundsatz hatte es drei Teile:

Einen relativ überschaubaren „Kraftteil“, in dem unilaterale Bewegungen für die Beine trainiert wurden, vorrangig Split Squats mit erhöhtem hinteren Bein.

In einem zweiten „Power-Teil“ folgte eine Serie verschiedener Sprungübungen, uni- und bilateral, die in Wiederholungszahlen von 10-15 aneinandergereiht wurden.

Ein recht umfangreicher „Stabi-Teil“ schloss das Programm ab.

Schauen wir uns die Power-Serie etwas genauer an, sehen wir, dass vier Übungen in einer Art zirkulären Struktur kombiniert wurden:

Box Jumps (beidbeinige Sprünge auf eine Box),

Jumping Lunges (Wechselsprünge od. gesprungene Ausfallschritte) am TRX,

Single Leg Explosive Lateral Box Jumps (einbeinige Sprünge auf einer Box)

und Rear Foot Elevated Split Jumps (einbeinige Sprünge, bei denen das hintere Bein auf einer Erhöhung abgelegt ist).

Bei allen Übungen handelt es sich somit um Sprungübungen, die aus dem Plyometrics-Training kommen, eine Trainingsform in vielen Sportarten, die Boden-Kontakt-Zeiten reduzieren und Explosivität und Beschleunigung erzeugen soll.

Alle Übungen wurden in Wiederholungszahlen von 10-15 für 4 Sätze durchgeführt, mit rund 60-90 Sekunden Satzpause.

Der Effekt dieses Programms ist relativ klar: extrem hohe Ermüdung, extrem erschöpfte Beine und wenig bis gar kein Übertrag auf das Laufen – oder irgendeine andere Sportart.

 

Sprünge im Training – ein Missverständnis

Denn: plyometrisches Training ist gnadenlos missverstanden, vor allem seit es durch CrossFit eine Renaissance erfahren hat und wieder fleißig auf Kästen gesprungen wird.

Das Programm sollte vermutlich die „Explosivität“ der LäuferInnen fördern und so eventuell einen Übertrag auf die Straße schaffen, um schneller laufen zu können. Was passiert ist allerdings das Gegenteil.

 

Die extrem hohe Wiederholungszahl sorgt zum einen dafür, dass eine exorbitant hohe Zahl an Muskelkontraktionen mit anschließender Exzentrik – der Abbremsbewegung – stattfinden muss, also eine hohe Zahl an Beschleunigung und Abstoppen, was zu – neben der metabolen Komponente (der/die Trainierende „schnauft“ viel) – einem hohen mechanischen Schaden führt.

Dieser mechanische Schaden muss regeneriert werden, was einige Tage dauern kann, worunter dann das eigentliche Lauftraining leidet: die Beine sind nicht in der Lage, ausreichend Arbeit zu erbringen, da sie noch mit der Regeneration des „unterstützenden Krafttrainings“ beschäftigt sind.

 

Doch selbst wenn ausreichend Regeneration zur Verfügung stünde, würde das Programm keinen Effekt haben – weil es seine eigentliche Zielsetzung verfehlt: Boden-Kontakt-Zeiten zu reduzieren und den Dehnungsverkürzungs-Zyklus zu trainieren – also letztlich dafür zu sorgen, dass der oder die LäuferIn nach dem Aufkommen sich möglichst schnell und effizient wieder vom Boden abstoßen kann.

Denn diese Fähigkeit – und damit plyometrisches Training als Ganzes – muss im maximalen Bereich trainiert werden. Prof. Dietmar Schmidtbleicher, der zu diesem Thema sehr umfangreich gearbeitet hat, hat für plyometrisches Training grundsätzlich 3*3 Wiederholungen bei Satzpausen von 5-8 Minuten vorgeschlagen.

Warum?

Jeder einzelne Sprung sollte mit maximaler Beschleunigung unter Rektrutierung möglichst aller bewusst ansteuerbarer Fasern erfolgen, was schlichtweg nicht möglich ist, wenn jemand 10 Wiederholungen eines Sprungs hintereinander ausführt. Die Faserrekrutierung wird defizitär sein und der Trainingsreiz seine Wirkung verfehlen.  

Viele Sprünge hintereinander zu machen fördert weder die Sprungkraft noch die Faserrektrutierung, es verbessert auch nicht die exzentrische Komponente und schon gar nicht die Schnellkraft – es führt lediglich zu einem extrem hohen Ermüdungsgrad. Als „Cardio“-Training können diese Sprünge in hohen Wiederholungszahlen daher in Bootcamp- oder anderen Kursformaten ihren Platz haben, nicht jedoch im sportartspezifischen Training und noch weniger im Training für LäuferInnen.

 

Die exzentrische Komponente des eigentlichen Lauftrainings ist ohnehin schon sehr hoch, weshalb darauf verzichtet werden sollte – vor allem während der Saison – diesen Aspekt noch zusätzlich im Übermaß zu trainieren.

Sprünge und plyometrisches Training können, in Form von Drop Jumps oder Counter-Movement-Jumps, im Krafttraining für LäuferInnen ihren Platz haben, aber definitiv in sehr viel geringerem und spezifischerem Maße und das auch nur nach dem vorhergehenden Training der Exzentrik in einem kontrollierten Setting (also durch klassisches, langsames Krafttraining).

Die Gemeinsamkeiten von Sprungtraining (hohes Belastungsgefühl, hohe aerobe Anforderungen) und Laufen sollten nicht darüber hinwegtäuschen, dass das eine als Training für das andere nur sehr bedingt funktioniert und auch nur sehr bedingt eingesetzt werden sollte.

 

High Intensity Bodyweight Interval Training ist nicht die Lösung, um besser im Laufen zu werden, weil es nichts besser, sondern nur müder macht. Und damit das Gegenteil von dem, was wir möchten: effiziente (wenig Ermüdung, viel Übertrag) Interventionen, die dafür sorgen, dass die AthletInnen resilienter, schneller und ausdauernder im Laufen werden – und nicht noch erschöpfter, als sie es durch 4-5 Läufe pro Woche ohnehin schon sind.  

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