Lünendonk-Digitalisierungs-Talk: Relevante Kundenerlebnisse sind der Treibstoff für die digitale Transformation

Lünendonk-Digitalisierungs-Talk: Relevante Kundenerlebnisse sind der Treibstoff für die digitale Transformation

Im Rahmen der Lünendonk-Studie "Der Markt für integrierte Digital Customer Experience Services" sprachen wir mit Rainer Balensiefer, Geschäftsführer von Accenture Interactive, über neue Möglichkeiten zur Gestaltung der Customer Experience sowie über den steigenden Fokus auf die Customer Centricity. Hier geht´s zur Studie

LÜNENDONK: Der Markt für Entwicklung, Einführung und Vermarktung von digitalen Produkten und Services befindet sich im Aufbruch mit entsprechenden Wachstumsraten. Kunden erwarten aber auch immer häufiger einen ganzheitlichen Kreativ-, Beratungs- und Transformationsansatz. Was treibt aus Ihrer Sicht das Geschäft und warum möchten die Kunden eine umfassende Beratung aus einer Hand?

BALENSIEFER: Im Zeitalter der digitalen Transformation sind die Kundenerwartungen „liquide“ geworden, das heißt klassische Marktgrenzen verschwimmen und viele Kundenerwartungen werden branchenübergreifend bestimmt. Unternehmen jeder Größe haben verstanden, welches disruptive Potenzial in der durch die Digitalisierung entstandenen Konvergenz der Märkte und Kundenerwartungen steckt.

In Zukunft werden nicht mehr allein Produkt und Marke ein Differenzierungsmerkmal sein, sondern auch die Services und die durchgängige Kundenerlebniskette. Neue Technologien rund um Cloud, Big Data & Analytics, Internet of Things, Mobile und Security eröffnen vollkommen neue Möglichkeiten, die „Customer Experience“ zu gestalten. Der Kunde rückt immer mehr in den Fokus (Customer Centricity). Etablierte Strukturen und Prozesse müssen aufgebrochen werden, Unternehmen müssen sich neu erfinden, um Markenerlebnisse zu schaffen, die auf ihre Kunden zugeschnitten sind. Skalierung spielt hier eine wichtige Rolle. Kundeninteraktionen werden zunehmend automatisiert, Daten müssen in Echtzeit nutzbar sein und technische Lösungen müssen weitestgehend einheitlich über Geschäftsfelder oder Länder hinweg etabliert werden.

Daher ist es aus Sicht vieler Unternehmen sinnvoll, alle notwendigen Fähigkeiten rund um die Gestaltung des Kundenerlebnisses aus einer Hand anzubieten. Dies beinhaltet Kompetenzen in Strategie, Technologie, Kreativität und Betrieb. Auf diese Weise entstehen weniger Brüche und Schnittstellen, die ein Kundenerlebnis im Hinblick auf seine Relevanz und Geschwindigkeit beeinträchtigen könnten. Ein Endkunde lässt sich im digitalen Zeitalter nicht auf einen Kanal, eine Technologie oder auf ein bestimmtes Zeitfenster beschränken.

LÜNENDONK: Warum können das Ihre Kunden nicht selber? Was fehlt ihnen an Skills und Kompetenzen auf ihrer digitalen Reise?

BALENSIEFER: Schauen Sie sich die Entwicklungsgeschwindigkeit und die Halbwertszeiten von Technologien und digitalen Innovationen an. Nach PC, Internet und Smartphone ist die nächste große Digitalisierungswelle rund um AR/VR (Mixed Reality), Internet der Dinge, Mensch-Maschine- und Voice-Interfaces sowie künstlicher Intelligenz in vollem Gange. Das bringt durchaus neue Herausforderungen auch für große, internationale Unternehmen mit sich, etwa die Möglichkeiten, die neue Technologien bieten, für alle Geschäftsprozesse richtig einzuschätzen, deren Anwendung zur richtigen Zeit auszurollen oder kontinuierlich Innovationen an digitalen Produkten und Services für die Endkunden zu erzeugen.

Viele Großunternehmen haben sich angeschaut, wo sie in der Kundeninteraktion stärker automatisieren können, um besser zu skalieren. Automatisieren erfordert in dem Fall, die Datenpunkte über die Kanäle Digital, Social, Mobile oder Loyality-Programme hinweg zu kombinieren, um Kunden besser zu verstehen. Dafür braucht es hoch spezialisierte Fachkräfte, die in der Lage sind, die riesigen Datenmengen aus dem Betrieb auszuwerten. Sie brauchen aber auch gleichzeitig Mitarbeiter, die dies aus Kundensicht tun, den Menschen/Nutzer in den Mittelpunkt stellen. Nur so kann das Potenzial an Daten und Technologien ausgeschöpft werden. Dies alleine intern zu bewerkstelligen, ist bei der Komplexität und Geschwindigkeit schwierig. Daher haben viele CDOs und CMOs dies in ihre Anforderungen an die Dienstleister übersetzt. Und genau da setzen wir mit Accenture Interactive an.

LÜNENDONK: Es geht also auch darum, Customer Experience nicht nur aus der Marketing- und Vertriebsperspektive zu sehen?

BALENSIEFER: Accenture Interactive hat das Ziel, Kundenerlebnisse in einer Art und Weise zu gestalten, die nachhaltig und relevant sind. Daher reicht es schlicht und ergreifend nicht mehr aus, Customer Experience aus der Marketing- und Vertriebsperspektive zu sehen.

Unser Angebotsspektrum reicht weit darüber hinaus und umfasst auch die Produkt- und Serviceentwicklung und folgt somit den komplexen Anforderungen der Unternehmen, die ihr Produktangebot und ihre Prozesse auf den Endkonsumenten anpassen müssen. Kundeninteraktion muss einheitlich geschehen, über alle Touchpoints hinweg. Alle Interaktionspunkte müssen systematisch integriert sein, um die Kundenerlebniskette nicht zu unterbrechen.

Der Fokus auf Customer Centricity und die Transformation vom Produkt zum Service erfordert eine einheitliche Sicht auf den Kunden und die Kundenerlebniskette über alle Unternehmensabteilungen hinweg. Diese Kundenerlebniskette umfasst Produkt- und Service-Innovationen, alle Kanäle von Marketing, Vertrieb und Kundenservice, die Logistik bei der Zustellung oder die Finanzabteilung für Zahlungsprozesse. Wenn man das alles nicht systematisch integriert hat, hat man genau die Brüche in der Kundenerlebniskette und da reden wir nicht über eine einzigartige Kampagne. Schon jeher war Marketing definiert als marktzentrische Unternehmensführung. Das war früher eher ein theoretischer Ansatz, eine Vision. Ich glaube, das haben wir heute sehr stark in die Realität übersetzt und deshalb betrifft es eben auch alle Abteilungen.

Unser Erfolg bei Accenture Interactive beruht auf der Kombination aus datenbasiertem, ganzheitlichem Kundenverständnis, strategischer und ökonomischer Bewertung von Services und Kontaktpunkten, kreativen Ideen und Innovationen gebündelt mit technischem Know-how und skalierbarer Betriebskompetenz – und genau diese Kombination schätzen unsere Kunden.

LÜNENDONK: Accenture hat, auch mithilfe diverser Übernahmen im Agenturbereich, die Marke Accenture Interactive als führende Digitalagentur positioniert. Warum muss ein globales Serviceunternehmen wie Accenture, das bisher für IT- und Managementberatung und Outsourcing bekannt war, nun seinen Kunden auch Leistungen im Umfeld von Customer Experience und Digital Marketing anbieten?

BALENSIEFER: Die wesentliche Herausforderung in der digitalen Transformation vieler Unternehmen ist die kundenzentrische Ausrichtung auf neue digitale Geschäftsmodelle und Services. Bisherige Geschäftsmodelle, deren Wettbewerbsvorteil auf „Economies of Scale“ in der Produktion oder auf einer langjährigen Forschung und Entwicklung beruhen, laufen aus.

Mit den GAFAs (Google, Apple, Facebook, Amazon) und weiteren digitalen Unternehmen wie AirBnB, Uber, Netflix, Spotify & Co haben neue Wettbewerber klassische Marktgrenzen aufgebrochen und vor allem die Endkundenschnittstelle direkt und bedingungslos besetzt. Dies fordert von vielen unserer deutschen Großunternehmen eine noch stärkere Kundenzentrierung, Innovationsstärke und digitale Technologiekompetenz. Insofern haben wir mit Accenture Interactive seit rund 15 Jahren unser Serviceangebot auch auf Dienstleistungen rund um das Kundenerlebnis ausgebaut. Dazu zählen die Entwicklung und Umsetzung kundenzentrischer Strategien, die Ausgestaltung der Kundenerlebniskette und aller Kontaktpunkte, alle Formen des digitalen Marketings inklusive Social, Mobil sowie Content, Commerce und Kundenservicethemen. Das Dienstleistungsportfolio von Accenture Interactive umfasst dabei Strategie- und Managementberatung, Technologiebera-tung und -umsetzung, Kreation und Betrieb. Laut AdAge sind wir mit rund 4,5 Milliarden US-Dollar Umsatz die größte Digitalagentur der Welt.

LÜNENDONK: Worauf kommt es bei einer Digital Customer Experience an? Was müssen Kunden bei ihrer Strategie beachten?

BALENSIEFER: Wie gesagt, kundenzentrische Neuausrichtung und die Customer Experience sind der Kern der digitalen Transformation und der damit einhergehenden digitalen Serviceangebote. Das Thema muss integral in die Unternehmensführung eingebunden sein, um alle Geschäftsfelder grundlegend neu auf die Kundensegmente und -bedürfnisse von morgen auszurichten. Digital Customer Experience funktioniert nur, wenn Fach- und Bereichssilos aufgebrochen werden und eine einheitliche Kundenerlebniskette aufgebaut wird. Wir sehen durch die digitale Transformation zwei Entwicklungen: Das eine ist die grundsätzliche Direct-to-Consumer-Orientierung: also Customer Centricity.

Das andere ist eine Product-to-Service-Transformation. Das physische Produkt ist zwar Bestandteil der Erlebniskette, aber nicht mehr der alleinige. Die Services entlang einer Kundenerlebniskette und das ganzheitliche Verständnis des Kundenerlebnisses gehen ein Stück weit tiefer – und über alle Abteilungen in den Unternehmen. Das erfordert strategische, konzeptionelle und technologische Fähigkeiten, aber auch viel Kreativität, um die kleinen Wow-Momente entlang dieser Erlebniskette systematischer zu bespielen, als wir es vielleicht noch vor einigen Jahren gesehen haben.

LÜNENDONK: Gibt es Unterschiede zwischen B2B- und B2C-Geschäftsmodellen?

BALENSIEFER: Das Kundenerlebnis macht den Unterschied, das gilt sowohl für B2C- als auch für B2B- Geschäftsmodelle. Viele B2C-Unternehmen haben sich bereits der Bedeutung des Themas Customer Experience angenommen, aber insbesondere in B2B-Industrien be-steht aufgrund der direkten Kundenkenntnis und -interaktion hohes Potenzial für neue Geschäftsmodelle und Services. Das Kundenerlebnis hat nicht nur im Endver-brauchergeschäft enorme Auswirkungen, auch Geschäfts- und Industriekunden legen vermehrt Wert auf relevante, zusammenhängende und themenbezogene Customer Experience und wählen so ihre Lieferanten und Geschäftspartner aus.

Auch B2B-Unternehmen brauchen fundierte, aktuelle Daten als Basis für zielgenaues Targeting, die Personalisierung von Angeboten und Services sowie relevanten Content. Themen wie Internet of Things, vernetzte Endgeräte und künstliche Intelligenz helfen auch im Geschäftskundenbereich, die weitere Individualisierung und Personalisierung voranzutreiben. Dabei werden auch Vertrieb und Marketing noch enger miteinander verzahnt, was im B2B-Umfeld seit jeher schon stark ausgeprägt ist.

LÜNENDONK: Können Sie schon einen Ausblick geben, wie sich Accenture Interactive in den kommenden Jahren verändern wird? Wir stehen ja erst am Anfang der digitalen Transformation. Worauf müssen sich Dienstleister wie Ihr Unternehmen künftig noch einstellen?

BALENSIEFER: So viel Bewegung wie jetzt gab es selten im Markt. Die Digitalisierung durchdringt und verändert alles. Es geht vor allem aber um die Antwort auf die Frage, wie heute digitale Produkte und Services entwickelt werden können, die erfolgreich sind, die etwas verändern – zum Besseren versteht sich. Die GAFAs dieser Welt, aber auch Booking, Netflix, Uber, LinkedIn & Co zählen heute zu den wertvollsten Marken der Welt, weil sie genau das verstanden haben und die Kundenerwartungen mit ihren herausragenden Services prägen.

Einzig erfolgversprechende Antwort auf diese Herausforderungen: tatsächliche Innovation, die Entwicklung von transformationalen Produkten, Entdeckung eines neuen Kundennutzens als Startpunkt für die Produktinnovation. Wirklich transformationale Produkte zeichnen sich dadurch aus, dass sie Nutzererwartung, Nutzerverhalten und Wertschöpfungsmodell eines Unternehmens verändern. Die Entwicklung solcher Produkte ist alles andere als einfach. Es geht um die Entdeckung des Kundennutzens, eine schlüssige Produktform und natürlich die Gestaltung eines Geschäftsmodells.

Unsere Unternehmen in der DACH-Region brauchen in einer GAFA-Welt mehr "Waffengleichheit", um weiterhin bestehen zu können. Der Umsatz der Top-15 Digi-talagenturen im Vergleich zu den Top-15 Klassikagenturen ist in den letzten zwei Jahren explodiert und liegt mittlerweile 50 Prozent höher. Dies untermauert die hohe Marktnachfrage, da immer mehr Unternehmen massiv in ihre Marke durch digitale Produkte und Services investieren, um – genau – etwas unabhängiger von den GAFAs in der Gestaltung ihrer Endkundenschnittstelle zu werden. Und dabei können wir ihnen mit fast 430.000 Mitarbeitern als „Innovationsführer-at-Scale“ helfen.

LÜNENDONK: Wie sieht aus Sicht von Accenture der Markt für Digital Customer Experience Services in fünf Jahren aus?

BALENSIEFER: Wir sehen große Wachstumsfelder im Bereich Artificial Intelligence und Virtual Reality, wie auch aus unseren Studien "Fjord Trends 2017" und "Technology Vision 2017" hervorgeht.

Artificial Intelligence wird ein großes Thema sein, das die Kundenerlebnisse verändert. Bei Augmented Reality und Virtual Reality verschmelzen digitale und reale Welt. Das wird ein großer Touchpoint, der Kundenerlebnisse ebenfalls fundamental verändern wird. Zudem werden Chatbots fester Bestandteil in der Kundeninteraktion. Mit Chatbots haben wir selbstlernende Systeme im Kundenservice, die schnell erkennen, ob sie das Problem lösen können oder an einen Menschen weitergeben müssen. Voice Interfaces und Smart-Home-Lösungen wie Alexa, Google Home oder Apple Homekit ändern die Customer Experience in den eigenen vier Wänden. Es ist längst Normalität, mittels datenbasierter Dienste wie Google Home die aktuelle Verkehrslage für den Weg zur Arbeit abzufragen.

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