Legal Disruption! 10 gravierende Veränderungen in der Rechtsbranche infolge COVID19
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Legal Disruption! 10 gravierende Veränderungen in der Rechtsbranche infolge COVID19

Die durch die globale Corona Pandemie verursachten Störungen haben nicht nur weitreichende Auswirkungen auf nahezu alle Branchen, sondern auch zu einem weitreichenden Erkenntnisgewinn der Entscheidungsträger geführt.

In der Folge beobachten wir disruptive Veränderungen nicht nur im persönlichen und beruflichen Umfeld, in der Gesellschaft und Politik sowie im Bereich der globalisierten Warenwirtschaft, sondern auch in der Rechtsbranche.

Viele Unternehmen haben spätestens jetzt erkannt, dass eine Digitalisierung nicht nur Effizienzpotentiale und Zukunftschancen bietet, sondern in Extremsituationen überlebenswichtig sein kann, nicht zuletzt mit Blick auf den laufenden Geschäftsbetrieb in der Rechtsabteilung, Kanzlei und Justiz aus dem Homeoffice heraus.

Wurde bis dato selbst die teilweise digitalisierte Mandatsbearbeitung immer wieder durch analoge und papiergebundene Arbeitsschritte unterbrochen, so haben die letzten Monate die konsequente Digitalisierung des Arbeitsplatzes und der Arbeitsprozesse fast über Nacht zur Pflicht gemacht.

Unternehmen, Kanzleien und Institutionen, die bereits vor der Gesundheitskrise auf digitale Lösungen gesetzt haben, sind mehr oder weniger unbeschadet aus dem Lockdown herausgekommen, zumindest was die operative Erbringung von Rechtsdienstleistungen betrifft. Denn die folgenden Fragestellungen hatten bei der „richtigen“ IT Ausstattung keine größere Relevanz:

  • Wo liegt die Akte / der Schriftsatz / die Eingangspost / der Entwurf und wie komme ich aus meinem Homeoffice an die Informationen ran?
  • Wie organisiere ich die Zusammenarbeit am Projekt / am Rechtsdokument im Team und standortunabhängig online?
  • Wie unterzeichne ich außerhalb der traditionellen Büroorganisation die relevanten Dokumente mittels elektronischer Signatur?
  • Wie kann ich die datenschutzrechtlichen Anforderungen (Datenminimierung, Zugriffsbeschränkung, Löschpflichten) auch bei einer dezentralisierten Datenverarbeitung und im Privatumfeld der Bearbeiter (Homeoffice) wahren?

In den Unternehmen hingegen, die noch bis zuletzt auf traditionelle Werkzeuge und Methoden gesetzt hatten, wirkt COVID19 nunmehr wie ein Katalysator und beschleunigt die Digitalisierung von Dokumenten, Akten und Workflows.

Bereits vor der Krise befand sich die Rechtsbranche im Wandel, der durch regulatorische, technologische, demografische und wettbewerbliche Einflüsse vorangetrieben wurde. Diese Kräfte werden auch weiterhin auf die Kanzleien, Rechtsabteilungen und juristischen Institutionen einwirken, wobei einige von ihnen durch die anhaltende Gesundheits- und Wirtschaftskrise noch verstärkt wurden.

10 disruptive Veränderungen des Rechtsmarktes durch COVID19:

  1. Web-Meetings etablieren sich bei Entscheidungsträgern, Mitarbeitern und Mandanten als akzeptierte Alternative, nicht zuletzt deshalb, weil Fahrt- bzw. Reisekosten gespart werden können. Die Arbeit im Homeoffice wird sich als eine von Arbeitgebern zunehmend akzeptierte Ergänzung zur Präsenzpflicht im Büro etablieren.
  2. Mobile Endgeräte (Laptop, Tablet, Mobiltelefon, Headset) ersetzen oder ergänzen den stationären PC Arbeitsplatz und das Bürotelefon. Zugleich werden flexible und sichere Cloud Services immer wichtiger, um Informationen unabhängig von der jeweiligen IT Infrastruktur und den Bedingungen vor Ort abzurufen und weiterverarbeiten zu können.
  3. Die elektronische Akte ersetzt die Papierakte und ergänzt sie nicht nur, Dokumente werden zukünftig nur noch elektronisch erstellt, gespeichert und versendet. Automatisierte Workflows ersetzen Papier-orientierte Prozesse, zumal man analoge und digitale Arbeitsprozesse nicht effizient nebeneinander abbilden kann.
  4. Voll integrierte E-Signatur-Tools ersetzten das handschriftlich unterzeichnete Dokument, was sich wiederum auf die Archivierung der Rechtsdokumente und auf die Arbeitsprozesse (eSign Dashboard statt E-Mails) auswirkt.
  5. Rechtsrelevante Dokumente und Vorgänge werden zentral gespeichert in einer einzigen Datenquelle als „Single Source of Truth“; Informationen können somit im Rahmen der individuellen Zugriffsberechtigung jederzeit eingesehen und ausgewertet werden. Zugleich können datenschutzrechtliche Verpflichtungen (Datenvermeidung, Auskunftsrechte, Löschpflichten etc.) effizient wahrgenommen werden.
  6. Die abteilungs- und standortübergreifende Zusammenarbeit in gemeinsamen Rechtsprojekten erfolgt mehr und mehr über Legal Collaboration Tools, die einen Ideenaustausch im Team und im Rahmen der jeweiligen Rolle und Berechtigung ein zeitgleiches Arbeiten am Rechtsdokument über eine Web-Oberfläche unterstützen und dabei jede Änderung ohne komplizierte Versionierung jederzeit nachvollziehbar machen.
  7. Die gedruckten Ausgaben von Gesetzes-, Entscheidungs- und Formularsammlungen sowie Kommentaren, Zeitschriften und Fachbüchern werden in digitalen Wissensdatenbanken bereitgestellt, um ortsunabhängig (auch im Homeoffice und unterwegs) jederzeit auf die notwendigen Fachinformationen zugreifen zu können. Dieser langjährige Trend wird sich fortsetzen und intensivieren, Präsenzbibliotheken und Loseblattwerke mehr und mehr verschwinden.
  8. Die internen und externen Mandanten suchen zunehmend nach web-basierten Legal Self-Services ohne notwendigen Kontakt zum Berater, vor allem auch um Abhängigkeiten und Zeitverlust zu vermeiden; innovative Rechtsdienstleister erarbeiten sich mithin zunehmend einen Wettbewerbsvorteil.
  9. FAQ und Ticket-Systeme ergänzen insbesondere in den Rechtsabteilungen die traditionelle Rechtsberatung innerhalb des Unternehmens, um massenweise aufkommende Beratungsanfragen zu akuten Rechtsproblemen gerade auch in Krisenzeiten nicht in jedem Einzelfall immer wieder gleichartig beantworten zu müssen.
  10. Um den aktuellen, bereits bewältigten und zukünftig erwarteten Arbeitsanfall quantitativ messen und qualitativ bewerten zu können sowie um mögliche Ressourcenengpässe und Potentiale aufzudecken, werden KPI Dashboards eingesetzt, die eine verlässliche Leistungsmessung anhand der maßgeblichen „Key Performance Indikatoren“ sowie eine grafische Darstellung der Entwicklung über den abgefragten Zeitraum ermöglichen. Um aktuelle Risiken „auf Knopfdruck“ zu ermitteln, in kritischen Situation Alarm zu schlagen und um das Berichtswesen zur Geschäftsführung zu gewährleisten, werden automatisierte Reporting Tools und E-Mail Push Services eingesetzt.

Die Pandemie des Jahres 2020 wird mithin weitreichende, langfristige und strukturelle Folgen für den gesamten Rechtsmarkt nach sich ziehen. Insoweit hat COVID19 zu disruptiven Veränderungen geführt, wie es sonst kein anderes Ereignis, kein Legal Tech Event oder Startup und keine KI-Technologie auch nur ansatzweise bewirkt hat.

Somit dürfte auch die Investitionsbereitschaft der Unternehmen in spezifische Legal Management Systeme steigen. Die Anschaffung einer produktiven Fachsoftware wird zunehmend auch dem juristischen Personal zugestanden, nicht zuletzt auch um die Informations- und Rechtssicherheit zu erhöhen.

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