Leitbilder: Auf das Verkünden von Werten verzichten!? Endlich mit der Umsetzung beginnen!
20.11.2015. Umsetzer sind erfolgreicher als Theoretiker. Aber ohne Reflektion und Klarheit funktioniert es scheinbar nicht. Warum haben so viele Unternehmen großartige Leitbilder und sind trotzdem keine „Good places to work“ oder Erfolgs-Stories?
Nach zwei sehr kritischen Beiträgen wurde ich angeregt doch etwas Positives zu schreiben – Erfolgs-Stories zum Thema Unternehmenskultur.
Immer wieder bin ich auf Unternehmen gestoßen, die mit dem Verkünden von Werten eher zurückhaltend sind und stattdessen umso mehr „wertorientiert“ Handeln. Auch Papst Franziskus macht eher durch sein außergewöhnliches Tun aufmerksam anstatt zu predigen.
Werte verkünden, die nicht im Einklang mit der gelebten Kultur sind, ist sogar gefährlich – sie werden „ausgelegt“ bis sie wieder zur Kultur passen. Ein Beispiel: Viele Unternehmen kommunizieren Leistung und Unternehmertum als Kernwerte. Gemeint ist natürlich Leistung für den Kunden, für das Team und das Unternehmen! Dann lässt sich der Vorstand auch in schwierigen Zeiten ein Spitzengehalt auszahlen und der beste Verkäufer fährt im Sportwagen vor. Der Startschuss für internen Wettbewerb, Bereichsegoismus und illegale Praktiken ist gefallen.
Wertorientierte Unternehmer und Führungskräfte reflektieren wohl auch über ihre Werte, legen den Schwerpunkt aber auf Handeln – dafür übernehmen sie Verantwortung, weniger für ihre Absichten. Hierzu drei Praxisbeispiele:
1. Transparenz und Unternehmertum: Nichts ist darüber im Geschäftsbericht oder auf der Homepage zu lesen!? Stattdessen: Alle Mitarbeiter haben Zugang zu Finanzdaten und werden auch aktiv geschult mit diesen Informationen umzugehen. Gleichzeitig haben Manager die Verpflichtung Mitarbeiter jedes Quartal in einem Meeting über den Geschäftsverlauf zu informieren. Selbst Mitarbeiter in der Fabrik haben Team-Budgets mit denen sie Verbesserungen in ihrem Bereich umsetzen können ... es funktioniert einfach!
2. Interner Wettkampf der Kulturen. Es gibt inzwischen viele Unternehmen, die sehr dezentral funktionieren. Eines ist mir besonders aufgefallen: Bereichsmanager haben sich zu einigen, wenigen „Spielregeln“ (=Werte) verpflichtet, ansonsten können Sie ihren Bereich völlig frei gestalten, z.B. eigene Arbeitszeitmodelle einführen. Die Besten unter ihnen beteiligen die Mitarbeiter maximal an der Gestaltung der Bereichskultur – auch Projektmanager haben viele Freiheiten und Verantwortung. Die erfolgreichsten Konzepte setzen sich dann meist im gesamten Unternehmen durch. Mitarbeiter bewerben sich intern in jenen Divisionen, wo sie persönlich wachsen, wo sie am besten dazu passen. Interner Wettbewerb ist nicht schlecht – es kommt auf den Maßstab an!
3. Paradoxe Anreize. Ein Unternehmen zahlt neuen Mitarbeitern eine Kündigungsprämie – „möchtest Du nach der Probezeit nicht bleiben erleichtern wir Dir die Entscheidung!“ Die Idee: Insbesondere der on-boarding Prozess ist kritisch. Wird der neue Mitarbeiter schnell integriert und mit seinen Aufgaben vertraut gemacht fühlt er sich wohl und kann leisten – er wird gerne auf die Prämie verzichten. Vorgesetzte und Kollegen tun Alles, um dies zu erreichen, denn die Kündigungsprämie geht auf das Abteilungsbudget.
In allen drei Beispielen ist der Schlüssel zum Wettbewerbsvorteil die gelebte Kultur – nicht das Leitbild, nicht die Strategie und auch nicht eine besonders inspirierende Zukunftsvision. Alle drei Unternehmen sind in Bereichen aktiv, die nicht besonders sexy sind – keine High-Tech Start-ups!
Unternehmenskultur ist entweder Schicksal oder Strategie!
Was jedoch alle drei gemeinsam haben ist intensive Arbeit an der gelebten Kultur der Zusammenarbeit:
- Es beginnt mit einer Auseinandersetzung mit dem Menschenbild: Sehe ich im Mitarbeiter und Kollegen einen autonomen, verantwortungsvollen und leistungsbereiten Menschen – dann kann ich auf Kontrolle verzichten und stattdessen Mechanismen zur Selbststeuerung schaffen.
- Mit welchen Werten kann die Organisation funktionieren? Was sind die gemeinsamen Ideale, Handlungsziele, Beurteilungsmaßstäbe – kurz was hat Wert!?
- Wie verhandeln wir (permanent!), ob sich jeder Einzelne auch an diese Werte hält? Welche Marktplätze der Ideen, zur Bewertung und zur Verbesserung eröffnen wir im Unternehmen? Insbesondere hier sehe ich in vielen Unternehmen noch Verbesserungspotential: Mehr Selbstregulierung und weniger Top-down.
(Kultur-)Revolutionen beginnen selten ganz oben. Überlegen Sie welchen persönlichen Einfluss Sie auf die Kultur Ihres Umfeldes haben können!
Thema meines nächsten Beitrags wird sein: „Gestalten statt abwarten!“ Persönliche Stellhebel zur Kulturentwicklung. Damit beginne ich einige Fragen zu Unternehmenskultur zu beantworten, welche mich in Kommentaren und E-Mails erreicht haben.
Owner | Geschäftsführer | Business Coach bei Städtli Treuhand GmbH
9 JahreIch teile Ihre Meinung, dass das praktische Ausleben viel wichtiger ist als Glanzprospekte und gerahmte Leitbilder an den Wänden. Sie führen tolle Beispiele an. Die Prüfung der 'Kulturpassung' von Bewerbern erachte ich als ein weiteres effektives Mittel im bewussten Umgang mit 'Werten'. Hier können ebenfalls wervolle Grundsteine gelegt werden, wenn nur Kandidatinnen und Kandidaten mit guter Passung eingestellt werden.