Makro-Blick 25.05.2023
Liebe Leserinnen und Leser,
heute etwas weniger klassisches Makro, dafür mehr Marktsentiment. Im Sinne von:
Alpha, wo ist das Alpha?
Komplexe Frage, schnelle Antwort: Definitiv in den Mega-Tech-Stocks!
Breit diversifizierte Investments sind erkennbar „Minderleister“, der Preis der Diversifikation war über die Jahre hinweg eine fulminante Underperformance (zugegeben bei einer niedrigeren Vola).
Blickt man nun auf die gestrigen Zahlen von Nvidia, dann unterstreicht das nur diese bisher überaus erfolgreiche Strategie eines fokussierten Investments.
Nachbörslich rauschte die Aktie +25% nach oben, erreicht eine zusätzliche Market Cap von +180 Mrd. USD (!) und wird damit die Nr. 5 im S&P 500. GS fasst die Zahlen wie folgt zusammen:
Abbau von Lagerbeständen, solides Gaming und KI; "materielle Gewinnüberschreitung (um 50%+) und Ausblick dank starker KI-Nachfrage und deutlich steigendem Angebot an Rechenzentrumsprodukten; beachten Sie, dass der Markt für das 2. Quartal einen Rückgang von -13% gegenüber dem Vorjahr erwartet hatte, während NVDA mgmt ein Wachstum von +33% prognostizierte; der CFO erwartet, dass das 2. Quartal trotz der großen Gewinnüberschreitung im 1. Quartal "wesentlich größer" sein wird als das 1. Quartal. Das vorläufige Feedback der Investoren besagt, dass der EPS-Kons für CY24 um 100% nach oben korrigiert werden könnte, was das KGV auf 30x senken würde."
NVDA-CEO: "Die Computerindustrie durchläuft zwei gleichzeitige Übergänge – beschleunigtes Rechnen und generative KI. Eine Billion Dollar an installierter globaler Rechenzentrumsinfrastruktur wird von Allzweck- zu beschleunigtem Computing übergehen, da Unternehmen darum wetteifern, generative KI in jedes Produkt, jede Dienstleistung und jeden Geschäftsprozess anzuwenden“.
KI ist also der Gamechanger, der iPhone-Moment - und das weiß nun auch jeder!?
Der ehemalige Direktor des Forschungslabors für Computerwissenschaft und künstliche Intelligenz am Massachusetts Institute of Technology (MIT) sowie Gründer der Firmen Rethink Robotics und iRobot zeigte in seinen Studien auf, wie „falsche Extrapolationen, begrenzte Vorstellungskraft und andere häufige Fehler“ uns davon abhalten „produktiver über die Zukunft nachzudenken“. Denn auch beim Diskutieren über künstliche Intelligenz würden dieselben Denkfehler wiederholt, die uns seit Jahrzehnten in der Debatte über den technischen Fortschritt begleiten.
Dieses Statement ist übrigens aus dem Jahr 2018.
Anmerkung zu KI: McKinsey liefert hier eine sehr gute Zusammenfassung mit Blick auf die Auswirkungen und Einsatzmöglichkeiten im Geschäftsalltag:
„Wir neigen dazu, die kurzfristigen Effekte einer Technik zu überschätzen und ihre langfristigen Auswirkungen zu unterschätzen“, sagte schon vor vielen Jahren Roy Charles Amara.
Der zitierte Hype-Zyklus kennt insgesamt 5 Phasen:
Das Gesetz von Amara adressiert im Laufe der Zeit vor allem zwei Phasen des Hype-Zyklus:
Was also tun? Lohnt sich der Einstieg in KI-Aktien noch auf diesem Niveau?
Ich denke, niemand kann das (vor allem auf Einzeltitelebene) verlässlich einschätzen. Natürlich ist das Narrativ bestechend - nur wie viel davon ist in diesen Kursen eingepreist?
Welcher CEO macht die wenigsten Fehler in diesem dynamischen Marktumfeld - siehe Nokia vs. Apple bei Mobiltelefonen - und welcher Disruptor wird selbst disruptiert?
Die Historie bietet jede Menge Anschauungsmaterial an Unternehmen, die trotz weiterhin starker operativer Zahlen, eine langjährige Korrektur (ähnlich des Hype-Zyklus) im Aktienkurs zeigten. Ältere Semester erinnern sich an die „Must-Haves“ der späten 90er - eine Microsoft, Cisco, Qualcomm. Oder auch ein Marktführer wie GE, welche über Dekaden als Vorbild für eine Siemens genannt wurde.
Auf reiner Kursbasis (ohne Dividenden) benötige Qualcomm 14 Jahre, Microsoft 16 Jahre um die seinerzeit erzielten Höchststände wieder zu erreichen. Und wie gesagt, Umsätze und Gewinne konnten in dieser Zeit deutlich ausgeweitet werden.
Cisco liegt weiterhin unter dem ehemaligen Top, obwohl sich das Internet erwartungsgemäß „durchsetzte“.
GE ist nach Jack Welch (Mr. „fix it, sell it or close it“) ein Schatten seiner selbst. Und ich denke, dass heute in der Nachschau seine Managementleistung insgesamt etwas kritischer beurteilt wird.
Und zu guter Letzt die altehrwürdige Citigroup: 90% Verlust vom Top 2008 und welche Chance auf einen rebound?
Fakt ist, die Aktienwelt ist voller Enttäuschungen und wer denkt, dass die Mehrzahl der Unternehmen positive (Über)Renditen für die Aktionäre erwirtschaftet, sollte sich diese Grafik verinnerlichen:
Stock Picking, um den Marktdurchschnitt zu übertreffen, ist eine Herausforderung. Tatsächlich sind die meisten professionellen Manager nicht in der Lage, dies dauerhaft erfolgreich umzusetzen. Einer der schlichten Gründe dafür ist, dass die meisten Aktien keine überdurchschnittlichen Renditen liefern.
Um es rund zu machen, ein weiterer Blick auf das gleiche Thema:
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Laut S&P Dow Jones Indices haben von 2000 bis 2020 nur 22 % der Aktien im S&P 500 den Index selbst übertroffen.
„Wenn eine zufällig ausgewählte Aktie ungefähr die Chance von 1:5 hat, einen Indexfonds zu schlagen, ist eine erfolgreiche Aktienauswahl sehr schwierig“, schrieb Craig Lazzara, Managing Director bei S&P Dow Jones Indices, Anfang 2021.
Dem ist nichts hinzuzufügen…
Im gemessenen Zeitraum legte der S&P 500 um 322 % zu, während der Median der Aktie nur um 63 % stieg.
Ein Aktienportfolio, welches hauptsächlich aus Underperformern und einigen Outperformern besteht, bedeutet jedoch nicht zwangsläufig, dass die Indexperformance unterboten wird.
Das liegt daran, dass die Renditen an den Aktienmärkten tendenziell positiv verzerrt sind. Anstatt symmetrisch um einen Durchschnitt verteilt zu sein, haben Renditen typischerweise einen sehr langes rechtes Ende (siehe oben > 1000%). Eine relativ kleine Anzahl exzellenter Performer hat einen überproportionalen Einfluss auf die Gesamtrendite des Marktes.
Mit anderen Worten, wenn die Outperformer ganz rechts außen liegen, dann lässt sich die Underperformance der anderen Aktien mehr als ausgleichen. Deshalb sind die Nvidias dieser Welt so wichtig und gesucht.
Leider hat m.W. niemand eine großartige Erfolgsbilanz bei der Identifizierung der Aktien, die zu „exzellenten Performern“ werden.
Wenn es also eine ungünstige Wahrscheinlichkeit auf einen Treffer gibt, benötigt ein langfristig erfolgreiches Portfolio 3 Dinge:
Feuer, Pfeife, Stanwell?
Nicht ganz. Eher eine gesunde Diversifikation, vernünftige Positionsgrößen (Money-Management) und Risikomanagement.
Wichtig ist, in unsicheren Zeiten nicht aus der Kurve getragen zu werden. Ein Statement der letzten Wochen passt hier ganz gut:
Man kann die Tour de France ohne Etappensieg gewinnen, aber man darf nicht vom Rad fallen.
Werfen wir abschließend (und als Ergänzung zum Eingangschart) einen Blick auf die Marktbreite:
Die Entwicklung seit Jahresanfang zeigt eine Outperformance des S&P 500 (blau) zu seinem gleichgewichteten Pedant (grün) - beginnend mit dem März 2023. Der S&P 100 führt mit 12 % das Feld an, die Konzentration auf die Big-Caps zeigt sich deutlich. Danach der S&P 500 mit 7,6 % YtD.
Deutlich schwächer entwickelten sich dagegen Mid-/Small- und Microcaps -allerdings mit einem Lichtblick in den letzten Wochen.
Nach dem Motto: die Chancen suchen, wo der Mainstream noch nicht angekommen ist, könnte künftig ein Blick darauf lohnen. Insbesondere wenn der Markt durch die Rezessionsgefahr hindurchschaut und ein neuer Zyklus startet.
Bewertungsseitig ist der Faktor „Size“ (auch global) im Vergleich eher günstig bewertet.
Wenn wir von „Marktbreite“ sprechen, reden wir letztlich über die Anzahl der Aktien, die an einem Trend teilnehmen. Je mehr Aktien steigen, desto gesünder ist ein Trend und desto wahrscheinlicher ist es, dass dieser anhält.
Weniger als 40% aller Aktien notieren über ihrem gleitenden 200-Tage-Durchschnitt. Die Mehrzahl der Aktien befindet sich aus dieser Sicht in einem technischen Abwärtstrend - und diese Zahl der „schwachen Aktien“ hat in den letzten 4 Monaten zugenommen, obwohl der S&P 500 selbst gestiegen ist.
Das Gleiche sehen wir bei einem etwas kurzfristigeren Blick. Nur gut 30 % der S&P 500-Unternehmen liegen über ihrem gleitenden 50-Tage-Durchschnitt - und diese Zahl ist ebenfalls rückläufig.
Fazit:
Eine schwache Breite im Gesamtmarkt ist ein Warnsignal, das sich allerdings auch bereinigen lässt. Die Hürden bei Zins und Konjunktur sind vielfach beschrieben, limitieren die Unternehmensergebnisse und folglich die Risikobereitschaft - gerade auch der institutionellen Investoren.
Wer den Big-Techs nicht hinterherlaufen möchte, findet Ideen für Investments u.a. im Segment der Mid- und Smallcaps.
„KI-Aktien“ als führende Titel dieser laufenden Aufwärtsbewegung haben kurzfristig einen ordentlichen Schluck aus der „Perfomance-Pulle“ genommen.
Langfristig wird KI immer mehr im Alltag Fuß fassen und bestehende Abläufe disruptieren. Das wird Gewinner und Verlierer mit sich bringen - bei Unternehmen wie im Arbeitsmarkt.
Das ist nicht neu. Buchdruck, Dampfmaschine, Eisenbahn, Computer, Robotik - das alles hat Altes weggenommen und Neues hinzugefügt.
Investments in diesem Bereich sollten sich somit auszahlen. Geduld ist anzuraten, Diversifikation ebenso.
Herzlichst
Ihr Rainer Brixel
einfach gerne Zahnärztin
1 JahrLesenwert! 👏
Senior Partner
1 JahrTolle Analyse👍
Certified Estate Planer
1 JahrSehr gut recherchiert und kommuniziert. Vielen Dank