Marktkommentar Oktober 2024
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Marktkommentar Oktober 2024

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Zentraleuropa kämpfte zur Septembermitte mit starken Niederschlägen. Ganze Landstriche in Deutschland, Österreich, Polen und Tschechien wurden zum Katastrophengebiet erklärt. In Wien fiel so viel Regen in kürzester Zeit wie im bisher nassesten Herbst seit Aufzeichnung insgesamt. Zumindest auf den Strommärkten kam es zu keinen Extremzuständen. Die betroffenen Wochenendtage (14.+15.09.24) lagen bei ~50 EUR/MWh und der anschließende Montag kostete sowohl in Deutschland als auch in Österreich ~100 EUR/MWh.

Am Sonntag, dem 8. September, lag beispielsweise die österreichische Wasserkrafterzeugung bei 2,2 GW und stieg dann mit den Niederschlägen sprunghaft an, um am Freitag, dem 13. September, mit 4,7 GW ähnliche Spitzenwerte zu erreichen wie sonst zum Höhepunkt der Schneeschmelze. Anschließend ging die Erzeugung zurück und lag nach 3,9 GW am Samstag nur mehr bei 2,8 GW am Sonntag.

Laufwasserkraft ist zwar im Verlauf eines Tages im Vergleich zu Wind und PV eine recht stetige Stromerzeugung, zeigt aber in weiteren Zeithorizonten eine hohe Volatilität. Einerseits aufgrund der Saisonalität im Hinblick auf die alljährliche Schneeschmelze, die im Frühsommer zu höherer Laufwassererzeugung führt als im Herbst. Andererseits aber auch aufgrund unterschiedlicher Niederschlagsmengen in nassen oder trockenen Jahren. Während die Stromerzeugung einer PV-Anlage die geringste Schwankungsbreite zwischen einzelnen Jahren zeigt (+/- 5%), ist diese Schwankung bei Windkraftwerken bereits deutlich größer (+/- 15%). Die höchste Volatilität in den jährlichen Erzeugungsmengen zeigt jedoch die Laufwasserkraft. Hier gibt es extreme Beispiele im „Wasserkraftland“ Österreich. In starkem Gegensatz zu den 17,7 TWh Laufwasserstrom in den ersten 258 Tagen des Jahres 2022 sind es im aktuellen Jahr 2024 schon 23,8 TWh – der höchste Wert seit mindestens 20 Jahren.

Und auf diese Volatilität muss man sich auch in Zukunft einstellen. Der immer höher werdende Anteil von erneuerbaren Energien im europäischen Stromsystem (von 9,9% im Jahr 2003 auf 47,9% im Jahr 2024), kombiniert mit immer extremer werdenden Extremwetterereignissen, welche die Erzeugungs- und die Verbrauchsseite beeinflussen, werden unweigerlich zu einer höheren Volatilität der Strompreise führen. Dies betrifft nicht nur die Differenzen zwischen einzelnen Tagesstunden, sondern auch die saisonalen Unterschiede und die Preisunterschiede zwischen einzelnen Jahren.

Wir brauchen folglich gut abgestimmte Lösungen, um den Netzausbau, die EE-Förderung und den Umbau des Stromsystems in Europa zu schaffen. Wir haben zu viel Stromerzeugung, insbesondere zur Tagesmitte, und es fehlen zusätzliche, flexible Verbrauchseinheiten – am besten welche, die die Dekarbonisierung in anderen Sektoren vorantreiben: Batteriespeicher, Power2Heat-Anlagen, Elektrolyseure und Wärmepumpen. Letztlich läuft es auf ein Rennen hinaus zwischen dem Ausbau weiterer Erneuerbaren Erzeugungsanlagen und dem Ausbau neuer Verbrauchseinheiten. Ohne diese neuen Verbrauchseinheiten und eine ausreichende Netzertüchtigung wird beispielsweise die PV-Einspeisung nicht gelingen. Das spiegelt auch eine im Sommer erschienene Studie zum Erneuerbaren-Ausbau des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) wider. Ausgeprägte Niedrigpreisphasen in Stunden höchster Solarstromeinspeisung zeigten, dass die vorhandenen Speicher und die Flexibilitätsmechanismen bestehender Liefer- und Bezugsverträge nicht ausreichen. Herausfordernd sei, die im Tages- und Jahresverlauf stark schwankenden Solarstrommengen effizient in den Strommarkt zu integrieren. Dazu passen folgende Zahlen: In Österreich gab es in den letzten 10 Jahren durchschnittlich 90 negative Day-Ahead-Preise pro Jahr. 2024 waren es nach einem halben Jahr bereits 187 negative Stunden. Damit kannibalisieren PV-Anlagen ihren eigenen Erlös.

Außerdem müssen Netzausbau und Speicheroptimierung dazu dienen, dass die Netzkosten wieder sinken. Sonst werden die Gesamtkosten aus Markt- und Netzkosten in Europa dauerhaft im Vergleich mit den USA oder China signifikant höher bleiben. Da die weltweite Stromnachfrage perspektivisch weiter steigen wird, bedeutet das Zieldreieck aus Energiesicherheit, Bezahlbarkeit und Dekarbonisierung, dass erhebliche Investitionen in alle Energiequellen notwendig sind.

An den (bearishen) Fundamentaldaten der europäischen Energiepreise hat sich im Monatsvergleich nicht viel geändert. Vorbei sind die Zeiten einer extremen Energiekrise, wenngleich die geopolitischen Risiken für das im Vergleich zum 20-jährigen Durchschnitt hohe Niveau verantwortlich sind. Wirtschaft und Energieverbrauch erfahren nur einen moderaten Anstieg. Zahlen vom ersten Halbjahr 2024 zeigen die Stagnation: Im Jahresvergleich ist die Stromnachfrage in Deutschland wie auch im EU-Raum um ca. 1% angestiegen. Dazu passt der „Euro Area Manufacturing PMI“, dessen September-Wert ein verschlechtertes Stimmungsbild zeichnet. Während die Wachstumsraten in Frankreich und Österreich schwach sind, ist die Lage leicht optimistischer in Deutschland und Großbritannien. Dazu kommen die vollen Speicher, die EU-weit zu 94% gefüllt sind. In den letzten beiden Jahren folgte auf volle Gasspeicher jeweils eine deutliche Reaktion der Gasspotpreise.

Nach dem August, der die Energiepreise generell anstiegen ließ, konsolidierten sich die Preise im September im Zuge des geringen Einspeicherbedarfs sogar auf einen 2-monatigen Tiefstwert, stiegen zum Ende aber wieder an. Fundamentale Faktoren sind die spekulativen CO2-Positionen, deren Nachfrage demnächst auf niedrigem Niveau bleibt. Dazu kommen der konstante Energieverbrauch und die schwache Wirtschaft. Aktuell preistreibend wirken Gaslieferschwierigkeiten sowie geopolitische Konflikte. Mit dem Ende des Sommers setzte in Zentraleuropa direkt der Herbst ein. Das führt am Gasmarkt zu einer deutlich steigenden Heizlast. Zudem bleiben die norwegischen Liefermengen weiterhin reduziert. Auch in den USA gibt es aktuell aufgrund der Hurrikan-Saison leichte Rückgänge bei den LNG-Exporten. Dennoch steigen die LNG-Kapazitäten der USA kontinuierlich an – noch im vierten Quartal 2024 sollen die Exportkapazitäten um 10 % erhöht werden. Bis dahin reagiert der LNG-Markt sensibel auf Angebotsschwankungen. Die Zuspitzung des Konflikts zwischen Israel und dem Libanon belastet die Märkte ebenfalls. Es wird befürchtet, dass Ägypten israelische Pipelineexporte durch LNG-Importe ersetzt, was das globale LNG-Angebot verknappen könnte. Einen Iran-Israel-Konflikt mit fortschreitender Gewaltspirale ist im Bereich des Möglichen. Jeglicher militärische Konflikt mit dem Iran bringt auch die Diskussion um den Transport durch die Straße von Hormus. Nicht nur ein wesentlicher Teil des Ölhandels passiert dieses Nadelöhr, auch die katarischen LNG-Mengen, die ca. 20 % des weltweiten LNG-Angebots ausmachen, werden durch dieses Nadelöhr transportiert und wären bei einer Sperre betroffen. Wir hoffen, dass die Welt von einem Brand in Nahost verschont bleibt.

Für diesen Herbst erwarten wir rein fundamental eine Seitwärtsentwicklung der Preise. Die geopolitische Gefahrenlage ist zu risikobehaftet und die Preisbildung zu einem signifikanten Teil psychologischer Natur. Einen Preisabbau erwarten wir erst, wenn volle Gasspeicher wieder auf einen milden Winterbeginn treffen. Bis dahin werden die Preise volatil bleiben. So werden beispielsweise im Oktober leicht unterdurchschnittliche Temperauren und LNG Lieferungen von Destinationen erwartet, die nicht sicher pünktlich bei uns eintreffen. Viel Erfolg bei Ihren Entscheidungen mit Energie!

Ihre André Masannek, Marlene Aschauer und Felix Diwok

Für das Team der Inercomp


Market comment October 2024

Central Europe struggled with heavy rainfall in the middle of September. Entire regions in Germany, Austria, Poland and the Czech Republic were declared disaster areas. In Vienna, as much rain fell in a very short space of time as in the wettest autumn on record. At least on the electricity markets there were no extreme situations. The affected weekend days (14 + 15 September) were ~50 EUR/MWh and the following Monday cost ~100 EUR/MWh in both Germany and Austria.

On Sunday, 8 September, for example, Austrian hydropower generation was 2.2 GW and then rose sharply with the precipitation to reach a peak of 4.7 GW on Friday, 13 September, similar to the peak of the snowmelt. Generation then fell and, after 3.9 GW on Saturday, was only 2.8 GW on Sunday.

Although run-of-river power is a fairly steady source of electricity generation over the course of a day compared to wind and PV, it is highly volatile over longer time horizons. On the one hand, this is due to seasonality with regard to the annual snowmelt, which leads to higher run-of-river generation in early summer than in autumn. On the other hand, it is also due to varying amounts of precipitation in wet or dry years. While the power generation of a PV system shows the smallest fluctuation range between individual years (+/- 5%), this fluctuation is already significantly greater for wind power plants (+/- 15%). However, the highest volatility in annual generation volumes is seen in run-of-river power. There are extreme examples of this in the ‘hydropower country’ of Austria. In stark contrast to the 17.7 TWh of run-of-river power in the first 258 days of 2022, the figure for 2024 is already 23.8 TWh - the highest value for at least 20 years.

And this volatility is something we must also be prepared for in the future. The ever-increasing share of renewable energies in the European electricity system (from 9.9% in 2003 to 47.9% in 2024), combined with increasingly extreme weather events that affect the generation and consumption side, will inevitably lead to greater volatility in electricity prices. This applies not only to the differences between individual hours of the day, but also to seasonal differences and price differences between individual years.

We therefore need well-coordinated solutions to manage the expansion of the grid, the promotion of renewable energy and the restructuring of the electricity system in Europe. We have too much electricity generation, especially in the middle of the day, and there is a lack of additional, flexible consumption units - preferably ones that drive decarbonization in other sectors: Battery storage, Power2Heat plants, electrolysers and heat pumps. Ultimately, it comes down to a race between the expansion of further renewable generation plants and the expansion of new consumption units. Without these new consumption units and sufficient grid upgrading, PV feed-in, for example, will not succeed. This is also reflected in a study on the expansion of renewables published by the German Institute for Economic Research (DIW) in the summer. Pronounced low-price phases during hours of maximum solar power feed-in showed that the existing storage facilities and the flexibility mechanisms of existing supply and procurement contracts are not sufficient. The challenge is to efficiently integrate the solar power volumes, which fluctuate greatly throughout the day and year, into the electricity market. The following figures fit in with this: In Austria, there has been an average of 90 negative day-ahead prices per year in the last 10 years. In 2024, there were already 187 negative hours after six months. This means that PV systems are cannibalizing their own revenue.

In addition, grid expansion and storage optimization must serve to reduce grid costs again. Otherwise, the total costs from market and grid costs in Europe will remain significantly higher in the long term compared to the USA or China. As global demand for electricity will continue to rise in the future, the target triangle of energy security, affordability and decarbonization means that considerable investment is required in all energy sources.

The (bearish) fundamentals of European energy prices have not changed much month-on-month. The times of an extreme energy crisis are over, although geopolitical risks are responsible for the high level compared to the 20-year average. The economy and energy consumption are only experiencing a moderate increase. Figures from the first half of 2024 show stagnation: year-on-year, demand for electricity in Germany and the EU has risen by around 1%. The ‘Euro Area Manufacturing PMI’, whose September value paints a deteriorating picture of sentiment, fits in with this. While growth rates in France and Austria are weak, the situation is slightly more optimistic in Germany and the UK. Added to this are the full warehouses, which are 94% full across the EU. In each of the last two years, full gas storage facilities were followed by a significant reaction in spot gas prices.

After August, which saw a general rise in energy prices, prices even consolidated to a two-month low in September due to the low demand for storage, but rose again towards the end. Fundamental factors are the speculative CO2 positions, the demand for which will remain at a low level in the near future. Added to this are the constant energy consumption and the weak economy. Gas supply difficulties and geopolitical conflicts are currently driving up prices. Autumn set in immediately in Central Europe with the end of the summer. This is leading to a significant increase in heating demand on the gas market. In addition, Norwegian supply volumes remain reduced. The hurricane season is also currently causing a slight decline in LNG exports in the USA. Nevertheless, LNG capacities in the USA are rising continuously - export capacities are set to increase by 10 % in the fourth quarter of 2024. Until then, the LNG market will react sensitively to fluctuations in supply. The escalation of the conflict between Israel and Lebanon is also weighing on the markets. There are fears that Egypt will replace Israeli pipeline exports with LNG imports, which could reduce the global supply of LNG. An Iran-Israel conflict with a progressive spiral of violence is within the realms of possibility. Any military conflict with Iran also raises the issue of transport through the Strait of Hormuz. Not only does a significant proportion of the oil trade pass through this bottleneck, but the Qatari LNG volumes, which account for around 20 % of the global LNG supply, are also transported through this bottleneck and would be affected in the event of a blockage. We hope that the world will be spared a fire in the Middle East.

In purely fundamental terms, we expect prices to move sideways this autumn. The geopolitical threat situation is too risky and pricing is largely psychological in nature. We do not expect prices to fall until full gas storage facilities meet a mild start to winter again. Until then, prices will remain volatile. For example, slightly below-average temperatures and LNG deliveries from destinations that are not certain to arrive on time are expected in October. Good luck with your energy decisions!

Ihre André Masannek, Marlene Aschauer und Felix Diwok

Für das Team der Inercomp

 


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