Maskenball oder Weg zur Erneuerung?
Bereit, hinter die Fassade zu blicken?
Einen wunderschönen guten Morgen,
Während München viele Talente hat, scheint Fasching leider nicht darunter zu sein. Ein wehmütiger Blick nach Köln oder in meine heimatliche Fasnet zeigt, was uns hier entgeht. Diese Sehnsucht inspiriert mich, die alltäglichen Masken, die uns umgeben, einmal näher zu beleuchten.
Viele Führungskräfte sind heute noch verkleidet als Held:in, der oder die, alles unter Kontrolle hat und sagt, wo es lang geht. Sie tragen Masken der Stärke, der Unverwundbarkeit, der Überlegenheit. Masken, hinter denen das wahre Selbst verborgen liegt. Diese Haltung der Unangreifbarkeit, die viele an die Spitze gebracht hat, stößt jedoch an ihre Grenzen. Vergangene Wirtschaftsskandale haben uns die negativen Folgen deutlich gezeigt, denn es braucht viel Täuschung und Skrupellosigkeit, um die Maskerade aufrecht zuhalten.
Emotionale Panzer und psychische Masken erschweren nicht nur die zwischenmenschliche Zusammenarbeit, sondern entfremden uns auch von unseren grundlegenden Bedürfnissen nach Echtheit, gegenseitiger Wertschätzung und Verbundenheit. Wer sich hinter so einer Maske versteckt, wird nicht als Mensch mit Seele, Ideen und Wünschen wahrgenommen, sondern entsprechend ignoriert oder sogar aus dem sozialen Miteinander ausgeschlossen. Maskenträger können dann oft nicht anders, als mit viel Lärm, falschen Federn und Überlegenheitsgesten andere zu übertrumpfen - nur um doch gesehen zu werden - was sie für das Umfeld so gefährlich macht, denn andere Menschen leiden sehr unter diesem Verhalten. Dazu kommt, dass hinter der Maske viel Potential und schöpferische Kraft ungesehen und daher ungenutzt bleiben. Die Trägheit der emotionalen Panzer schränken die Manövrierfähigkeit ein, man kann sich nicht flexibel an neue Gegebenheiten anpassen. Frischer Wind und Zukunftsszenarien prallen an ihnen ab oder werden gleich zerschmettert.
Mangelndes Bewusstsein der eigenen Maske stellt eine direkte Bedrohung für den Einzelnen, die notwendigen zwischenmenschlichen Beziehungen und letztlich den Unternehmenserfolg dar. Können wir zwischen der Maske und unserem wahren Wesen nicht mehr unterscheiden, werden wir zu fremdgesteuerten Automaten, unfähig zur Zusammenarbeit. Das geschieht meist unbewusst und damit außerhalb unserer Kontrolle. Uns entgleitet die Fähigkeit, kluge Entscheidungen zu treffen. Die Realität verschwimmt, und Emotionen übernehmen die Führung. Die Folgen sind Verwirrung, gegenseitige Abwertung und ein Verlust des Blicks für gemeinsame Ziele. Eine Atmosphäre der Willkür, die Angst und weitere Versteckspiele hinter Masken und Blockaden provoziert, ist die Folge. Diese Dynamik mündet in eine Sackgasse, aus der es scheinbar kein Entrinnen gibt. Eine Entfremdung von sich selbst und anderen entsteht, Beschuldigungen und Verbarrikadierung hinter der eigenen Meinung sind die Folge. Man blockiert sich gegenseitig und ein Weg nach vorne ist unmöglich.
Die lateinische Wurzel des Wortes „persona“ bedeutet „Bühnenmaske“. Das Leben wird zum Schauspiel. Das illustriert treffend, wie wir in unseren verschiedenen soziologischen Rollen Unbehagen und Verletzlichkeit abwehren. Doch dieser Schutz hat seinen Preis: Ohne es zu merken wenden sich die Menschen von Maskenträgern ab. Wir Menschen haben ein sehr gutes Gespür und erkennen instinktiv, ob jemand echt ist oder alles nur Show ist. Isolation und seelische Verletzungen sind die Folge - egal wie heroisch doch die Maske ist. Ironischerweise suchen wir in anderen genau das, was wir selbst zu verbergen versuchen: Echtheit und Verletzlichkeit. Diese Widersprüchlichkeit offenbart eine tiefgreifende Wahrheit: Verletzlichkeit ist nicht Zeichen der Schwäche, sondern eine Einladung mutig zu sein und unsere wahren Ichs zu offenbaren, in der Hoffnung, dass sie angenommen werden.
Interessant ist außerdem, dass die zur Schau gestellten Masken oft die tiefsten Wünsche der Maskenträger verraten. Erkennt man eine:n Maskenträger:in empfiehlt es sich, mit Mitgefühl statt Kritik zu reagieren. Das kann helfen, echte Verbindungen herzustellen, selbst ohne dass die Masken sofort abgelegt werden müssen. Oft bewirkt dieser vertrauensvolle Raum, dass Masken ganz von selbst abgelegt werden, merkt man doch, dass sie nicht mehr nötig sind.
Strebt man den Paradigmenwechsel an, ist es unabdingbar, dass jede:r Einzelne, sich bewusst ist über das eigene Handeln und die eigene Maske. Denn jede kulturelle Veränderung setzt die Veränderung der Einstellung der einzelnen Führungskräfte und Mitarbeitenden voraus, auch Mindset-Shift genannt. Unbewusste Masken machen Veränderung unmöglich. Die Notwendigkeit, diese Masken abzulegen und sich im angemessenen Rahmen verletzlich zu zeigen, ist also entscheidender denn je. Es ist Zeit, dem Maskenball den Kehraus zu zeigen und einen Weg nach vorne zu finden, der Offenheit, Authentizität und echte Verbindung fördert.
Der Schlüssel liegt darin, über unsere eigenen Bedürfnisse Klarheit zu gewinnen, authentisch zu sein und präsent in unserem Selbst zu bleiben. Dabei ist es wesentlich, die richtige Balance zu finden, um im Kontext angemessen Persönliches zu teilen, ohne andere mit dem eigenen Seelenmüll zu überfordern, in Verlegenheit zu bringen oder unprofessionell plump-vertraulich eben jenes Vertrauen zu konterkarieren.
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Es empfiehlt sich, nicht sofort alle Masken fallen zu lassen, sondern sich langsam anzunähern. Es braucht viel Vertrauen, das nur schrittweise aufgebaut werden kann. Ehrliches Interesse an dem Menschen hinter der Maske mit allen Facetten und der integre Umgang mit den Erkenntnissen, kann in persönlichen Gesprächen bewiesen werden. Eine positive, liebevolle und empathische Grundhaltung ermöglicht es uns, zu beurteilen, was, wann und mit wem geteilt werden kann. Diese Haltung fördert nicht nur unsere eigene Orientierung, sondern auch die Verbundenheit mit anderen. Und wir bekommen genau das, was wir uns wünschen: Wertschätzung, Ehrlichkeit und Verlässlichkeit – Aspekte, die Maskenträger niemals in anderen inspirieren können.
Unternehmen, die Transformation ernst meinen, schaffen es, diese persönlichen Metamorphosen zu ermöglichen. Die jeweiligen Personen werden die Bemühungen und das in sie gesetzte Vertrauen zu schätzen wissen und mit viel Engagement das Unternehmen fördern. Dazu braucht es eine klare Werte-Ausrichtung mit Zeit und Struktur für Selbstreflexion, eine starke Feedbackkultur und viel psychologische Sicherheit, die ermutigt sich zu öffnen, sich neu zu finden und für sich neue Verhaltensweisen auszuprobieren. Da sich hinter unseren Masken oft Lebensthemen verbergen, empfiehlt sich ein persönliches Coaching für alle Führungskräfte in Schlüsselpositionen als Begleitung im Transformationsprozess.
Die sinnbildliche Einladung des Karnevals und Faschings, uns unserer Maskerade bewusst zu werden und spielerisch mit ihr umzugehen, dient als kraftvolles Metapher für den beruflichen Kontext. Es ist eine Gelegenheit, die Vielfalt und die Diversität unserer Persönlichkeiten anzuerkennen und andere zu ermutigen, dies ebenfalls zu tun. Indem wir uns der Masken und Panzer bewusst werden, können wir die Potentiale nutzen, um uns zu befreien und freudvolle, nachhaltige und authentische Verbindungen zu schaffen.
Ich wünsche allen einen ausgelassenen Faschingsdienstag mit und ohne Maske.
Herzliche Grüße,
Ihre Irina Hagen