Meine Analyse zum Ausbau von 4G und 5G
In den letzten Wochen wurde immer wieder über Funklöcher und weiße Flecken auf der Landkarte diskutiert. Die Antwort darauf lautet von vielen Seiten: Flächendeckender 5G-Ausbau!
5G soll das abgeschlagene Deutschland zum Digital-Champion machen und wird leider zur emotionalen und sachlich inkompetenten Diskussion. Selbst mit dem besten 5G Netz hätten wir eine DSGVO und weiterhin nur “kleines” Kapital für Technologie in Deutschland.
5G für Alle hört sich einfach klasse an! Ist in der Praxis aber nicht nur extrem schwer umsetzbar sondern teilweise auch nicht die richtige Lösung für das Problem. Um sich über dieses Thema eine vernünftige Meinung zu bilden, braucht es ein gewisses technisches Grundverständnis. Daher zunächst ein paar Fakten:
Unterschiedliche Anwendungsbereiche erfordern unterschiedliche Frequenzen
Es gibt zwei verschiedene Arten von Frequenzen:
Kapazitätsfrequenzen haben eine kurze Reichweite, dafür aber eine hohe Kapazität
Flächenfrequenzen haben eine längere Reichweite bei geringerer Kapazität.
Bei der aktuellen 5G-Debatte geht es ausschließlich um Kapazitätsfrequenzen, die Vernetzung der “weißen Flecken” auf der Landkarte erfordert aber in erster Linie zweitere, nämlich die Flächenfrequenzen.
Politik, Verbände, Industrie und Verbraucherschützer fordern lautstark „5G an jeder Milchkanne“. Ja, über 5G sollen zukünftig Milliarden Geräte, Maschinen und Sensoren mit dem Internet verbunden werden, da es das Internet of Things (IoT) und somit die Automatisierung vieler Prozesse ermöglicht. Aber nicht alle Geräte und Sensoren haben dieselben Anforderungen. Sensoren in der Landwirtschaft zum Beispiel messen die Feuchtigkeit und den Stickstoffgehalt im Boden und müssen somit geringe Datenmengen zuverlässig und über einen langen Zeitraum übertragen. Hier ist vor allem eine lange Akkulaufzeit von Vorteil und eine Frequenz von 700 Mhz vollkommen ausreichend. Die aktuelle Versteigerung der Frequenz-Lizenzen zum Ausbau des 5G-Netzes beschränkt sich allerdings auf 3,6 Ghz, also Frequenzen, die hohe Kapazitäten und eine schnelle Reaktionszeit haben, dafür aber viel Strom verbrauchen und nur schwer in Gebäude eindringen. Auch für die meisten Normalverbraucher ist das 5G-Netz nicht zwingend notwendig. Wer über das Mobilfunknetz nur Videos gucken und Musik streamen oder Inhalte teilen will, ist mit dem LTE Netz bestens bedient.
Hinzu kommt, dass für einen flächendeckenden Ausbau des 5G-Netzes der Bau von 300.000 Antennen erforderlich ist, wir aktuell aber für die Genehmigung einer einzigen Antenne bis zu zwei Jahre brauchen, teilweise begleitet durch Bürgerinitiativen, da zwar jeder das beste Netz, niemand aber eine Antenne vor der eigenen Haustür haben will. Wenn man das berücksichtigt, erscheint die Forderung nach einem flächendeckenden 5G-Netz nicht mehr sinnvoll. Ein Flächendeckendes LTE-Netz mit gezieltem 5G-Ausbau dort, wo er benötigt wird, ist vielleicht die bessere Lösung.
Was den Unmut über die benötigten Antennen angeht: Hier leistet unsere Digitalministerin Doro Bär übrigens ganze Arbeit. Ihr ist es gelungen, die Bürgerinitiativen in östlichen Unterfranken von über hundert auf eine zu reduzieren. Hier sehe ich die lokalen Politiker in der Pflicht: Aufklärungs- und Überzeugungsarbeit bei den Bürgern leisten, damit nicht nur die Forderung nach dem besten Netz, sondern auch die Bereitschaft für den notwendigen Ausbau da ist.
Die Lizenzgebühren für Frequenzen in Deutschland liegen weit über dem Durchschnitt
Wenn ein Mobilfunkanbieter in Deutschland eine Antenne bauen will, muss er zunächst eine Lizenz für die Frequenzen erwerben. Diese Lizenzen werden versteigert, das Mindestgebot lag bislang bei 1 Milliarden Euro. Die Politik macht nun einen Schritt in die richtige Richtung, indem sie das Mindestgebot auf 100 Millionen Euro senkt. Die Lizenzgebühren sollten aber dringend komplett entfallen, damit ein flächendeckendes Netz auch ökonomisch realisierbar wird. Anstatt die Lizenzen an den Höchstbietenden zu vergeben, der mit den erworbenen Frequenzen natürlich erst mal sein Geld wieder reinholen möchte und sich deshalb auf die Ballungsgebiete konzentriert, in denen mehr Kunden angebunden werden können, sollten sie an denjenigen vergeben werden, der sein Netz am sinnvollsten ausbaut und damit die weißen Flecken auf der Landkarte füllt.
Deutschland liegt im europäischen Vergleich sicherlich nicht zuletzt auch deshalb so weit zurück, weil die Lizenzgebühren hierzulande um ein Vielfaches teurer sind als in anderen Ländern. Zum Vergleich:
In Deutschland lagen die Auktionskosten seit 2000 bei 60,3 Mrd. Euro. In Großbritannien waren es 42,4 Mrd Euro, in Italien 23,2 Mrd. Euro und in Frankreich sogar nur 8,3 Mrd. Euro. Ja, an den Auktionspreisen sind nicht zuletzt die Mobilfunkanbieter selber schuld, da sie sich gegenseitig hochgeboten haben - aber die Politik kann und sollte hier einlenken, da das durch die Auktionen ersteigerte Geld aktuell ohnehin nicht zielführend in den Ausbau gesteckt wird. Im aktuellen Koalitionsvertrag sind 12 Milliarden Euro Einnahmen durch Lizenzen bereits fest eingeplant. Ich finde es klasse, dass wir KI fördern, aber es bringt nichts, hier den Mobilnetzen Kapital zu entziehen, da die Grundlage für alle weiteren, technologischen Innovationen nunmal ein starkes Netz ist.
Deutschland braucht keinen 4. Wettbewerber in der Mobilfunkindustrie, sondern 3 auf Augenhöhe
Ich sage es wie es ist: Tut mir leid O2, aber du ziehst den Klassendurchschnitt runter. In letzter Zeit gab es viel Aufregung um unsere Platzierung im EU-Vergleich in Sachen Mobilnetz-Ausbau. Platz 32 bedeutet aber nicht, dass der Telekom-Kunde, der für sein LTE-Netz mehr zahlt, im europäischen Vergleich nur auf Platz 32 steht. Telekom und Vodafone sind beide sehr stark, O2 hat mit Alditalk und anderen Anbietern wahrscheinlich mit Abstand das günstigste Angebot, aber auch das schlechteste Netz. Für 3,95 Euro kann man eben auch nichts anderes erwarten. Zum Vergleich: Der durchschnittliche Erlös für einen Mobilfunkvertrag in Deutschland liegt bei 12,50 Euro, in den USA sind es 32 Euro.
Ein vierter Wettbewerber, wie die Bundesregierung ihn mithilfe von staatlichen Zuschüssen einführen möchte, würde dieses Problem meiner Meinung nach nicht lösen sondern gegebenenfalls noch befeuern: Betrachtet man die hohen Investitionssummen für Frequenz-Lizenzen und die geringe Bereitschaft der Deutschen, für gutes Netz mehr zu zahlen, könnte ein vierter Mobilfunkanbieter also auch zum Tarifdumping führen, was wiederum die Investitionsbereitschaft in den Ausbau noch weiter einschränken würde. Außerdem würden von dem lokalen Roaming vor allem Mobilfunkdiscounter profitieren, die oftmals Preise auf Kosten ihrer Beschäftigten drücken. Bei unseren drei aktuellen Mobilfunkanbietern arbeiten 135.000 Menschen mit guten Arbeitsbedingungen. Sogar die Gewerkschaften raten also von dem Roaming-Ansatz ab, da dieser potentiell Arbeitsplätze bedroht.
Die Idee des nationalen Roamings, bei dem alle Mobilfunkanbieter ihr Netz miteinander teilen, ist im Grunde der richtige Ansatz - sie wird aber leider in der Praxis nicht funktionieren. Sobald alle auf das gleiche Netz zurückgreifen, gibt es keinen Wettbewerb mehr, was den Ausbau angeht...und somit keinen Ausbau; was der Roaming-Zwang im Festnetz bereits dokumentiert. Anstatt also einen vierten Wettbewerber zu erschaffen, wäre mein Ansatz, das Schlusslicht O2 durch staatliche Bürgschaften zu fördern, damit es zu einem ernstzunehmenden Wettbewerber auf Augenhöhe mit der Telekom und Vodafone wird.
Netz-Ausbau ist nicht nur Aufgabe der Mobilfunkanbieter
Alle Industrien reihen sich aktuell in die Forderungen an die Mobilfunkanbieter ein: Die Bahn fordert besseres Netz, dabei sind ihre Züge nicht mal annähernd ausreichend mit Repeatern und modernen Lösungen ausgestattet, die eine stabile Datenverbindung zusätzlich fördern könnten. Hier kommt noch eine berechtigte, aber leider unrealistische Forderung: Alle Züge sollten so ausgestattet sein wie der neue RRX Zug.
Fast schon ironisch finde ich hingegen die Forderung der Automobilindustrie, 5G-Netz sollte an allen Autobahnen vorhanden sein, um autonomes Fahren zu ermöglichen. Für autonomes Fahren benötigt es nicht nur das richtige Netz, sondern eben auch die richtigen Fahrzeuge, und hier hat gerade die Automobilindustrie gepennt, nicht nur in Sachen E-Mobilität sondern auch, was die nötige Ausstattung angeht, die ein autonomes Fahren erst möglich macht. Anstatt sich über den fehlenden Netzausbau zu beklagen, sollte die Automobilindustrie meiner Meinung nach zunächst selbst den Anschluss kriegen, Stichworte: Ladeinfrastruktur, Batterie-Produktion, Software- und Chip-Entwicklung.
Nur für den Kapitalmarkt attraktive Mobilfunkanbieter können die Kosten für einen weitestgehend flächendeckenden Ausbau von 4G oder sogar 5G stemmen. Hierfür braucht es große Investitionssummen, die nur über den Kapitalmarkt gewonnen werden können. Europäische Telekommunikationsunternehmen stellen aber aktuell im weltweiten Vergleich offensichtlich keinen attraktiven Investment-Case dar: Während China Mobile auf eine Marktkapitalisierung von 178 Milliarden Euro und Verizon sogar auf 215 Milliarden Euro kommt, muss die Telekom mit 71 Milliarden Euro und Vodafone sogar nur mit 48 Milliarden Euro wirtschaften. Um deutsche Mobilfunkanbieter für den Kapitalmarkt wieder attraktiver zu machen, müssen die Lizenzgebühren gesenkt werden und die Vergabe selbiger langfristiger erfolgen.
Ich bin zuversichtlich, dass wir gemeinsam den Ausbau schaffen können, wenn nun Politik, Wirtschaft und die Mobilfunkindustrie zusammenarbeiten. Die Regierung hat die Problematik an vielen Stellen bereits erkannt und gehandelt: Bei den neuen kurzwelligen Lizenzen werden zum Beispiel 25% kostenfrei für “Campus Lösungen” reserviert. Hiermit kann ein Unternehmen, eine Uni oder ein Startup Campus eigene Netze aufbauen, ohne Lizenzgebühren zu zahlen. Wie genau die Vergabe funktioniert muss noch geklärt werden, aber der grundsätzliche Ansatz ist neu und gut. Anstatt auf den staatlichen Aufbau eines vierten Wettbewerbers zu setzen, sollte die Regierung meiner Meinung nach mehr solcher Schritte einleiten, um die Lizenzgebühren langfristig zu senken und so den Ausbau eines flächendeckenden, an die jeweiligen Bedürfnisse angepassten Netzes zu fördern.
Engineering and Sales Manager; The future depends on what we do today!
5 Jahre@Thomas Seyfried Ich finde diesen Artikel zu unserem gestrigen Thema sehr spannend!
Nicht der Schnellste und Stärkste siegt, sondern der, der denkt, dass er es kann.
5 Jahre5G ist für alles Leben das schädlichste was es gibt!! Die Frequenzen in der Umgebung einer Antenne erhitzen jegliche Teilchen und den Organismus, d.h. profitieren wird davon die Pharma und Schäden wird es uns Allen... Deshalb denke ich, bevor man immer nur an die Geschwindigkeit in der Kommunikation denkt, sollte man sich mal über die Gesundheit des Menschen Gedanken machen.
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5 JahreDurchaus valide und interessante Sicht auf die Themen 5G und Digitale Infrastruktur. Ich bin gespannt, wie lange es in der Realität dann dauert, bis wir von Schneckentempo zumindest auf Schrittgeschwindigkeit schalten in Deutschland. Die aktuellen Ausblicke auf die Gesamtwirtschaft sind da sicher nicht förderlich.
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5 JahreKlasse Artikel - kann ich von vorne bis unterstützen 👍