Methoden … Sinn oder Wahnsinn?
Während ich gerade diesen Text schreibe, liegt neben mir ein Katalog mit unerhört vielen Angeboten. Von der 101 Methodensammlung über die Toolbox Training bis zum Beratungs-Kit Reloaded. Methoden, Stile, Toolboxen, Leitfäden, Workbooks, Fragen-Kollektionen, Designs aller Arten u.v.a.m.
Wo es um Funktionen geht, um (wiederholbare) Ziele, die exakt erreicht werden sollen, da machen methodische Ansätze, Strategien, Formen wirklich viel Sinn. So werden im Business fortlaufend neue Ansätze entwickelt oder wie ein Autor schrieb in regelmäßigen Abständen die (neue) methodische Sau durchs Dort getrieben.
Ich möchte das einmal hinterfragen? Möglicherweise auch mit dem Ziel, wieviel Methode macht in der Tat Sinn? Oder was braucht es vielleicht noch? Aus der Systemik gibt es den Impuls, dass je trivialer ein Kontext ist, desto einfacher kann auch eine Lösung sein. Um das Licht ein- bzw. auszuschalten, braucht es einen Schalter mit nur zwei Optionen (an/aus). Aber was ist mit nichttrivialen Kontexten, der immer mehr zunehmenden Komplexität von Abläufen, von Wechselwirkungen und Rückkopplungsprozessen?
Manchmal kommt es mir vor (auch ich nutze Konzepte und Methoden – keine Frage) als wären das alles Hilfskonstruktionen, quasi Geländer, Trittsteine zur Orientierung in einer ziemlich chaotischen Wirklichkeit. Gerade oder besonders dann, wenn wir wiederholbare Effekte beabsichtigen.
Nun komme ich selbst ja aus der Kommunikationsecke. Ja, auch dort geht es oft um Ergebnisse, die aber unterschiedlich erreicht werden können. Lassen Sie mich dies am Beispiel des Tanzes erläutern. Tanz könnte man ja auch als eine Art Kommunikation oder Sprache betrachten. Tanz besteht zunächst aus Schritten, methodischen (erlernbaren) Formen. Aber solange der Fokus auf dieser Ebene liegt, sind auch die Ergebnisse entsprechend. Jemand der nur Tanzschritte tanzt, tanzt mechanisch und das wird auch im Ergebnis sichtbar deutlich. Wird jemand in den Schritten freier, so kann er die Informationen der Musik, die eigene und die Agilität des Gegenübers verstehen und so zu einem interessanten (emergenten) Ergebnis gelangen. Was will ich damit sagen? Vielleicht, dass Methoden ihren Platz, Ihren Wert haben, aber dass es Menschen braucht, die sie mit Leben erfüllen. Aber wo (und wie) lernt man letzteres? Beginnt man mit dem Tanzen, so lernt man die Schritte. Aber die Schritte allein sind (noch nicht) nicht das Tanzen, oder? Wie entwickelt man das, was über die reinen methodischen Schritte hinaus geht? Wie können wir uns zunehmend von einer mechanistischen Weltsicht lösen. Zumindest da, wo es notwendig ist – z.B., wenn es über Lichtschalterniveau hinausgeht.
Das sind Fragen, die mich beschäftigen und ich würde mich freuen, wenn ich Sie zu solchen oder ähnlichen Überlegungen inspirieren konnte.
Herzlichst Ihr Jürgen Weist