Mit einem Satz ist alles zu Apple gesagt
Apple-Boss Tim Cook während seiner Präsentation im neuen Steve Jobs Theater in Cupertino. (Screenshot: PD)

Mit einem Satz ist alles zu Apple gesagt

Der iPhone-Hersteller hat an seiner Produktpräsentation die Erwartungen erfüllt. Das ist auf Dauer zu wenig.

Wenigstens war die Veranstaltungshalle neu: Apple hat heute im gerade noch zur Keynote fertig gewordenen Steve Jobs Theater neue Produkte präsentiert, die wenig Neues bieten: Apple TV für 4K-Inhalte (können andere Streaming-Boxen wie Nvidias Shield Android TV schon lange und das Fernsehen wurde auch nicht revolutioniert), eine Apple Watch mit eigenem Mobilfunkmodul (bietet etwa die Huawei Watch 2), das von Marketingchef Phil Schiller als "Zukunft des Smartphones" gefeierte iPhone X (ausgesprochen iPhone ten) nahezu ohne Displayrand und Home-Button, mit kabelloser Ladefunktion nach Qi-Standard und der Gesichtsentsperrung Face ID (siehe zum Vergleich unter anderem Samsungs Galaxy Note 8). Wie man in folgender Grafik von Bloomberg.com sieht, war Apple oft Nachzügler bei Smartphone-Innovationen:

Zum von Schiller mit gedämpftem Enthusiasmus präsentierten iPhone 8 beziehungsweise iPhone 8 Plus muss an dieser Stelle nichts geschrieben werden. Randnotiz: Die Börse goutierte die präsentierten Gadgets nicht. Und noch eine Randnotiz: Samsung hat heute für 2018 ein Galaxy Note mit biegsamem Display in Aussicht gestellt.

Alles Wesentliche durchgesickert

Mit zwei Dritteln Umsatzanteil ist das iPhone seit Jahren das wichtigste Produkt des kalifornischen Unternehmens. Dementsprechend richten sich im Herbst alle Augen nervös auf das neue Modell. Aber nicht einmal Geheimnisse kann Apple mehr für sich behalten. Am Wochenende waren offenbar ungeplanterweise bereits die wichtigsten Informationen zu den neuen Apfel-Smartphones durchgesickert. Nicht einmal das ist neu: Man denke ans iPhone 4.

Klar: Die neuen Geräte werden ihre Käufer finden, Apple wird ein triumphales Weihnachtsgeschäft erleben und Tweets wie diesen wird man in den nächsten Tagen wieder gehäuft sehen:

Das kann aber nicht dauerhaft Apples Ziel sein: Im Juni liess CEO Tim Cook nach der hauseigenen Entwicklerkonferenz WWDC in bekannt grossspuriger Unternehmensmanier verlauten: "Wir spüren keinen Druck, die Ersten zu sein. So ticken wir nicht. Wir möchten die Besten sein und dem Kunden etwas geben, das sein Leben verändert." Cook sprach damals über den vernetzten Lautsprecher HomePod, der zum Jahresende auf den Markt kommen wird – Google Home und Amazon Echo waren hier mit wohl besseren Produkten Vorreiter. HomePod spielte in der heutigen Keynote übrigens keine Rolle. Das an der WWDC gross präsentierte Thema Augmented Reality (AR) wurde relativ kurz abgefeiert.

Der Apple-Chef hätte mit der erwähnten Aussage aber auch alle heute präsentierten Produkte meinen können. Man kann das im Reality-Distortion-Field so gelten lassen, muss aber ausserhalb anmerken, dass vieles nicht besser sein dürfte als bereits von der Konkurrenz Erhältliches. Man könnte sich aber auch fragen, wann der iPhone-Hersteller dem Mann, nach dem der heutige Veranstaltungsort benannt wurde, endlich mal wieder alle Ehre machen und etwas Steve-Jobs-Esques vorstellen wird.

One more thing

Dass Cook das iPhone X ("der grösste Sprung seit dem Original-iPhone") mit dem legendären Jobs-Zitat "One more thing" einführte, wirkte da wie eine klägliche Reminiszenz an vergangene Zeiten. Der Applaus bei einem Apple-Event war insgesamt auch schon mal lauter. Symptomatisch: Softwarechef Craig Federighi scheiterte bei seinem ersten Versuch, Face ID auf der Bühne zu präsentieren. Sein Satz "Let's go to backup", nachdem er den Passcode-Lockscreen hatte sehen müssen, dürfte unzählige Memes inspirieren.

Als er 2007 das erste iPhone präsentierte, sagte Steve Jobs: "Man darf sich glücklich schätzen, wenn man an einem solchen Produkt einmal im Leben arbeiten darf." Mit diesem Satz ist derzeit alles zu Apple gesagt. Wobei – nicht ganz: "Steve wäre stolz auf die Produkte gewesen, die wir heute präsentiert haben", brüstete sich Tim Cook am Ende der Keynote und lieferte damit den Beweis, dass mancher offenbar immer noch im Reality-Distortion-Field gefangen ist.

Das könnte man natürlich als Polemik abtun, bei diesen Fakten, die wohl erst in den nächsten Tagen publik werden dürften, ist das nur schwer möglich: Apple TV 4K wird zum Marktstart nicht VP9 unterstützen. Dabei handelt es sich um den von YouTube, immerhin das grösste Videoportal, verwendeten Codec. Im Klartext: Apple TV 4K wird zum Launch nicht 4K-Videos von YouTube in dieser Auflösung wiedergeben können. Was auch in der Branche zu vernehmen ist: Die neuste Apple Watch wird kein Roaming unterstützen, im Ausland also doch wieder aufs Smartphone angewiesen sein. Ausserdem wird es in vielen Ländern, etwa in der Schweiz, erst ab dem Jahresende möglich sein, sich direkt mit der Uhr ins Mobilfunknetz einzuwählen. Nicht zuletzt wird der Akku im LTE-Modus mit einer Ladung nur noch knapp einen halben Tag halten. All diese mögen relativ kleine Mängel sein. Doch eines Giganten wie Apple sind sie unwürdig.

Update 22. September: Die im letzen Absatz aufgeführten Mängel wurden mittlerweile bestätigt. Die Apple-Aktie gab vergangene Woche übrigens rund fünf Prozent nach. Der Andrang für das iPhone 8 (Plus) war weniger stark als erwartet.

Update 25. September: Laut dem Analysedienst Localytics verlief das Startwochende fürs iPhone 8 und 8 Plus durchwachsen. Die Geräte kamen nach dem Launch bei den iOS-Gadgets auf einen Markanteil von 0,3 beziehungsweise 0,4 Prozent. Im Vergleichszeitraum des Vorjahres erzielte das iPhone 7 rund 1 Prozent, das iPhone 7 Plus erreichte 0,2 Prozent. Natürlich sind das keine offiziellen Zahlen, angesichts einer Datenbasis von 70 Millionen Geräten dürfte die Statistik aber von der Grundaussage her stimmen.

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Disclaimer: Der Autor schreibt hier seine persönliche Meinung, nicht zwangsläufig die des Unternehmens, für das er hauptberuflich arbeitet.

Also, ich kann dieses kritisieren und abwerten nicht verstehen. Ich bin seit 1992 Apple Nutzer, und ja es war nicht immer alles gut und zeitweise auch nicht schön, aber immer von Innovationen und einfach verständlicher Benutzung getrieben. Seit nunmehr 17 Jahren setzen wir bei allen betrieblichen Endgeräten auf Apple Produkte , sind dadurch effektiver, betriebswirtschaftlich besser aufgestellt und haben zudem erheblich weniger Supportaufkommen. Die IPhones halten ohne Probleme ihre 2 Jahre und sind einfach zu bedienen. Nur weil die Produkte aus dem Hause Apple kommen und teurer sind, sind diese trotzdem nicht schlechter. Die Investitionen rechtfertigen sich mit jedem Tag der Benutzung .

Ulrich Walder

Prof. i.R. Dr. Dipl. Ing. ETHZ, Div aD, Wissenschaftshistoriker

7 Jahre

Es ist kaum zu glauben wie sich hier die Diskussion um Nebenschauplätze dreht, als ob die Hardware und das Betriebssystem den Nutzen eines Smartphones ausmachen. Ein heutiges Smartphone ist ein Hochleistungsrechner dessen Leistung und Möglichkeiten nicht im geringsten genutzt werden, ja noch schlimmer: von der Mehrzahl der Nutzer gar nicht genutzt werden können und im worst case nicht genutzt werden dürfen. Man stelle sich vor für jede Webseite müsste ein Programm mitgeliefert werden, um sie zu lesen: undenkbar! Für das gibt es Safari, den Explorer, usw. Viel wichtiger ist aber, dass jedermann eine Webseite rasch und kostengünstig erstellen kann und niemand die Publikation verhindern kann, wenn nicht gegen elementare Regeln verstossen wird. Die echte Revolution bei Smartphones wird es erst dann geben, wenn sich eine vergleichbare Technologie wie für Webseiten durchsetzt. D.h. wenn es jedermann möglich ist anspruchsvolle Apps ohne Programmierung so zu erstellen, dass sie ohne wenn und aber, auf allen Smartphones laufen und auch selbst sofort veröffentlicht werden können. 90% der Nutzungsdauer von Smartphones fällt bereits auf Apps; das Bedürfnis ist also da. Die Technologie und die Produkte für die Umsetzung (aionav App Studio und die aionav App Player) sind im übrigen auch bereits vorhanden und erst noch in Europa (CH, A) entwickelt worden (www.appyourpassion.com).

Rainer Bachmann

100% mehr Messe-Erfolg | Entwickler der 5-R-Methode | #kmumessedoktor | >35 Jahre Messe-Praxis | Konkrete Zielerreichung mit der Formel "Erfolg=Potenzial-Störfaktor" | Amazon-Bestseller-Autor | Weltethos-Ambassador

7 Jahre

Interessant wie sich hier Befürworter und Gegner des Apfels konversationieren. Amüsant. Ich nutze ein iPhone und ein LG, bin mit beiden mal mehr oder weniger glücklich...

1.149 EUR für ein Smartphone (iPhone X) ist einfach nur noch absurd. Erst recht, wenn es dann noch mit 3GB RAM und 64 GB Speicher daherkommt und die größte Innovation darin besteht, den praktischen Home Button abzuschaffen und durch eine unintuitive Geste zu ersetzen sowie die Entsperrung nur noch über eine Face Recognition zu erlauben. Das wird bestimmt ein lustiges Bild in Cafés und Restaurants werden, wenn Face ID genauso viele Anläufe braucht, wie auf der ersten Präsentation von Apple. Und eineiigen Zwillingen kann man nur wünschen, dass sie sich gegenseitig immer blind vertrauen. ;-)

Julian Ziegler

Senior Supply Planner bei Stryker

7 Jahre

Von 15 aufgeführten Innovationen im Mobilfunk hat Apple sechs Stück entwickelt. Gute Quote! Warum wird erwartet, dass Apple jedes Jahr das Rad neu erfindet? Als Apple-Kunde kann man sich eines Gewiss sein: Das Produkt funktioniert. Und zwar so, wie im Produktdesign vorgesehen. Die Geräte und das Unternehmen haben mich bisher noch nie enttäuscht, was ich von Samsung nicht sagen könnte. Lieber nutze ich ein Gerät mit ausgereiften Innovationen, als Prototypentester zu sein.

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