Mit gutem Gewissen
Foto: Michael Hillmann

Mit gutem Gewissen

Dieses Jahr zu Ostern werden wir meine Oma nicht besuchen. Obwohl es die Rechtsverordnung womöglich hergegeben hätte.

Meine Oma ist 93 Jahre alt und lebt, eine Stunde von uns entfernt, allein in ihrem Haus. Dreimal am Tag kommt der Pflegedienst. Sie hat den 2. Weltkrieg überlebt, ist aus ihrer Heimat weggezogen, hat die Herausforderungen der beruflichen Selbstständigkeit in der DDR miterlebt. Und sie weiß, was es heißt, schwere Krankheiten zu überstehen. Krebs. Herzstillstand. Dazu einen Herzinfarkt und eine Lungenentzündung, nachdem ihr das Schlimmste widerfahren ist: Der Verlust ihrer Tochter, meiner Mutter, nach jahrelangem fürchterlichen Krebsleiden. Nur zweieinhalb Jahre nach dem Tod ihres Mannes, meines Opas.

Ich bin kein Jurist. Mein innerer Kompass ist die Intuition. Es hat durchaus etwas von einem Gewissenskonflikt, dieses Ostern nicht gemeinsam zu feiern. Aber wir sind vernünftig und bleiben zu Hause.

Draußen beherrscht Corona die Welt. Diese Krise zu ertragen, fällt schwer. Dazu die Szenarien für Wirtschaft und Gesellschaft. Vor allem: Wir werden mit dem Thema konfrontiert, welches wir gern verdrängen.

Dem Tod.

Jeder Einzelne, der mit dieser Infektion stirbt, jeder Angehörige verdient unser Mitgefühl. Wie jeder Mensch, der einer Herzkrankheit, Krebs oder einem Unfall erliegt und eine trauernde Familie hinterlässt.

In meiner Arbeit begleiten mich diese Themen Woche für Woche. Menschen in den schweren Stunden des Abschieds von einem lieben Menschen beizustehen, es bringt mich immer wieder mit Trauer und Schmerz in Berührung. Und wenn ich mich zurückerinnere, wie viel Zeit ich schon in Krankenhäusern verbracht habe, auf Intensivstationen, in Notaufnahmen, dann ist mir bewusst, was wirklich zählt im Leben.

Viele Menschen haben Angst. Mitunter kann das sinnvoll sein. Auf Dauer ist Angst ein schlechter Begleiter. Denn sie führt zu Stress und der macht krank. Ich weiß, wovon ich spreche.

„Der Verstand kann uns sagen, was wir unterlassen sollen. Aber das Herz kann uns sagen, was wir tun müssen.“

Vielleicht hilft uns diese Weisheit über Ostern und durch diese schwere Zeit. Hin zu einem bewussteren Leben, zu Gesundheit und Liebe, Glück und Erfüllung.

Sozusagen: Mit gutem Gewissen.

Michael Hillmann

Claudia Lutschewitz 🎶

Dialog-Begleiterin & Moderatorin | Podcast-Host | Autorin | humorvoll Vortragende | Gastgeberin des Sokrates Forums ☘️ | Musik-Impulsgeberin 🎶

4 Jahre

Lieber Michael Hillmann, mein herzlichster Dank an Dich für diesen Beitrag! 🌸 Danke dafür, das Du Deine Gedanken und Gefühle teilst!💐 Deine Oma ist eine starke Frau und sehr bewundernswert. Auch Du und Dein Tun sind sehr bewundernswert - ich bin sehr, sehr dankbar, dass sich unsere Wege gekreuzt haben. Auf das wir in Zukunft noch viele Wegstrecken gemeinsam durchschreiten und begehen.🌺

Anke Naumann

Sterne fallen nicht vom Himmel, sie werden geboren. Ich häkele für Neugeborene süße Babycocons und schenke damit schlafarmen Eltern, Großeltern, sowie den Kleinen selbst sanftere Nächte

4 Jahre

Was für eine starke Frau, deine liebe Oma! Sehr bewundernswert! Soviel Schicksalsschläge erlebt und doch so ein hohes Alter erreicht. Dieses Leben ist es sicher wert, einmal in einem Buch verewigt zu werden.  Mein Papa ist heute fast 85 Jahre alt, und hat mir auch viel von seinen Erlebnissen als Kind aus der Kriegs- und Nachkriegszeit erzählt. Jedoch hatte er das Glück hier in seinem Haus geboren zu sein, seine Kindheit hier erleben zu dürfen und seine Kinder hier groß ziehen zu können.  Ebenso meine Oma mütterlicherseits, welche 88 geworden ist, leider nicht mehr lebt ist in den Kriegsjahren sehr jung Witwe geworden und stand mit einem Baby (meiner Mutter) alleine da mit nichts, hat auch den Tod ihrer Tochter miterleben müssen, war ihr Leben lang herzkrank und war stets optimistisch und standhaft. Sie alle haben mehrere Währungsunionen miterlebt, hatten mühsam gespart und wieder nichts. Trotz allem erzählten sie alle von glücklichen Zeiten, auch wenn es manchmal nichts zu essen, die Kleidung knapp, im Winter oft der Ofen kalt blieb und sie sich im Bett gegenseitig wärmten, ja nicht einmal Strom hatten. Es gab Wellen von Krankheiten, wie Diphtherie, Tuberkulose usw. Da wurde niemand so auseinander gesperrt wie heute und trotzdem hat die Menschheit überlebt. Hm.... Wie auch immer, wenn wir uns überlegen, was unsere Vorfahren durchlebt haben im Vergleich zur Corona-Krise, gibt es keinen Grund Angst zu haben. Im Gegenteil sollten wir uns im wahren Urvertrauen üben. In der vermeintlichen Sicherheit, welche wir vor der Krise hatten, konnten wir gar nicht lernen, was Urvertrauen ist. Jetzt ist die beste Zeit dafür. Die Krisen gehören zum Leben dazu um wachsen zu können. Ohne sie wären wir kleine Raupen, die in ihrem Cocon verharren und einfach vergessen ein Schmetterling zu werden und zu fliegen. Wenn wir alles mit Liebe tun und betrachten, auch die weniger schönen Dinge, tragen uns unsere Flügel mit Leichtigkeit ins nächste Level. Wir wissen nicht ob es gut werden wird, aber wir wissen auch, dass es anders werden muss, wenn es gut werden soll. Und es wird gut werden, wenn wir vertrauen. 

Gunter Hörnig

Mitglied in der Fachgruppe Elbeschifffahrt Dresden / Flagggenwart im SV Fortschritt Pirna e:V. Abteilung: Segeln/ Pressesprecher und Schriftführer im Friedensfahrtkuratorium Klein Mühlingen

4 Jahre

Es gibt auch Menschen, die zur Risikogruppe gehören, die aber Menschlichkeit vermissen und Nähe zu Freunden, die eine seelische Erkrankung haben wie ich. Selbst meine Familie sehe ich nicht. Bei mir hat sich eine Seelische Traurigkeit und Dunkelheit eingestellt, trotz Sonnenschein. Konnte mich nicht richtig freuen, über das Ostern von meiner Schwester Ute. So tief war ich noch nicht gesunken. Selbst Besuche reissen dies nicht raus, wie der Getränkelieferant oder der Essenlieferant. Lachen kann ich schon lange nicht mehr. Ob mein Urvertrauen zum normalen Leben wiederkommt steht in den Sternen. Auch ein Mensch der sonst Hoffnung vermittelt steckt in einer sehr tiefen Krise. Alles Liebe zu Ostern Euer Gunter

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