Mord im Gasthaus eine Kurzgeschichte von Heike Altpeter
Wie jeden Freitag, machte Alfred sich auf den Weg zum Männerabend.
Es war gerade acht vorbei, als er mit Schwung die Tür zum Gastraum öffnete.
Ein großes „Hallo“, hieß ihn willkommen. Seine Freunde standen schon mit je einem Glas Bier an der Theke.
„Wo bleibst du? Mal wieder auf der Couch eingeschlafen?“
Alfred winkte ab und grüßte in die Runde: „Auch Euch einen schönen Abend. Ich musste noch den Ofen schüren, damit ich nachher nicht kalt sitze.“
„Bis du gehst, ist es eh schon wieder kalt“, das Gelächter füllte den Raum.
„Na, ihr seid doch auch nicht besser!“ Alfred drückte sich zwischen Heinz und Karl ans Buffet. „Mach mir mal ein Pils.“
Paul, der Wirt grüßte und zapfte frisch an. „Wie sieht es aus? Wollt ihr heute auch was essen? Ich habe noch Gulaschsuppe von heute Mittag oder ich kann ein Steak in die Pfanne hauen. Wie sieht es aus?“
Während er zwei weitere Pils zog, wartete er auf eine Antwort.
Ein Poltern aus der Küche ließ alle aufschrecken. „Ich schau mal kurz. Moment bitte!“
„Hast du noch deine Geliebte in der Küche gelassen?“ Karl war ein Witzbold.
„So ein Quatsch! Ist heute doch Männerabend, was hat denn da eine Frau hier verloren“, sprach Paul auf dem Weg zur Küche.
Heinz, Alfred und Karl hingen schon mit dem Oberkörper über dem Tresen um den Raum etwas abseits vom Buffet besser einzusehen.
„ Unn? Was iss passiert?“ Ganz Heinz, die Neugierde in Person. „Brauchst du Hilfe?“
Es dauerte eine Weile bis Paul, wieder kam. Seltsam weiß um sein Kinn und die Hände an seiner Küchenschütze, die er um den gerundeten Bierbauch trug, abputzend begann die vorgezapften Biere zu vollenden.
„Unn?“, fragte Heinz erneut.
Pauls Blick huschte für einen Moment Richtung Küche. „So fertig! Zum Wohl meine Herrn.“
Die Männer vor dem Tresen schauten sich fragend an. „Na dann! Prost!“
Der satte Klang von bis zum Rande gefüllten Gläsern und diese wunderbaren Schaumkronen ließen jedes Männerherz höher schlagen. Im Nu war der Zwischenfall vergessen und es wurde ausgiebig geredet. Über die Arbeit, die Beerdigung von Alfreds ehemaligem Chef. Dazwischen typische Männerwitze und Sex. Dieses Thema war jeden Freitag Bestandteil des Abends.
„Wer keinen hat, muss halt darüber reden. Gell Karl?“ Heinz schluckte gerade den Rest von seinem fünften Bier. „Mach mir noch eins Paul.“
„Sag mal, hast du nicht vorhin gefragt, ob wir was essen wollten?“ Alfred legte die flache Hand auf seinen leise knurrenden Bauch.
Paul bekam schon wieder so eine vornehme Blässe.
„Iss dir nicht gut? Trink mal was. Du suggelst schon ne Stunde an deinem Glas. Das schmeckt doch nicht mehr?“ Heinz hob sein Glas in die Höhe. „Ich würde die Gulaschsuppe nehmen und Ihr?“ Seine Augen schweiften von Karl zu Alfred.
„Nää! Supp hatts schonn heit Middach geb.“ Alfred nahm einen Zug aus dem Glas. „Mir kannst du ein Steak machen, medium unn Pommes.“
„Was ihr esse kann ich trinke. Ihr wisst doch, ein Bier ersetzt eine Mahlzeit. Mach mir noch eines, Paul“, Karl schob sein Glas mit Schwung über den Tresen.
Paul konnte es gerade noch so auffangen. „Das wird teuer mein Freund. Obacht! Bier ist angezogen, bin dann mal in der Küche.“
Alfred griff zum Würfelbrett. „Ein Spielchen gefällig?“
„Ich fange an“, sagte Heinz. „Habe schließlich letztes Mal den Kürzeren gezogen.“
„Boh! Anfängerglück. 4:21 beim Ersten. Das kann ja heute lustig werden. Ich zeig es dir, warte nur.“
Zeit verstrich wie im Flug.
„Paul? Iss bei dir alles gut? Wir haben Hunger, wie lange dauert es denn noch?“ Alfreds Bauch grummelte deutlich lauter.
„Ich schaue mal nach Paul.“ Karl ließ die Würfel ins Brett fallen und schritt zur Küche.
„Das gibt eine Runde, Karl.“ Heinz grinste ungeniert. Karl winkte ab!
Leichenblass kam Karl kurz darauf aus der Küche zurück. „Feierabend Jungs. Paul ist tot!“
„Lass den Quatsch. Was macht er denn so lange?“ Alfred hatte die Würfel schon in der Hand.
„Kein Quatsch! Der ist Tod. Hängt kopfüber in der Suppe. Ruf mal die Bullen. Ich brauche jetzt einen Schnaps.“ Ohne auf die anderen zu achten schnappte sich Karl eine Flasche Korn vom Buffet, dazu drei Gläser und schenkte ein. „Prost! Das war´s!“
Alfred und Heinz leerten das Glas in einem Zug und gingen zur Küche. „Sieht nicht gut aus! Die Polizei muss ja gleich da sein. Was machen wir denn jetzt?“
Mit Schwung wurde die Eingangstür aufgestoßen. „Sitzenbleiben meine Herrn. Wo ist die Küche. Na kommen sie mal daraus. Das ist ein Tatort. Bitte meine Herrn.“
Es dauerte ewig. Befragung, Protokolle, Spurensicherung. Die Wirkung des Bieres hatte schlagartig nachgelassen. Es hatte auch keiner mehr Hunger.
„Sie können jetzt nach Hause gehen. Wir sehen uns morgen um elf auf dem Revier, dort können sie dann Ihre Aussage unterschreiben. Meine Herrn.“ Der Kommissar tippte sich mit seinem Zeigefinger an die Stirn. „Bis morgen!“
Jeder ging mit einem seltsam bedrückenden Gefühl nach Hause. Das war der letzte Männerabend bei Paul gewesen, da waren sich nun alle einig.
Später stellte sich heraus, dass es wohl an der Gulaschsuppe gelegen haben musste. Man hatte eine hohe Konzentration von Arsen und ein Katzenhalsband darin gefunden.
Was machte das Halsband in der Suppe?