Murphy: Schlachtschiffe sind das einzig Wahre

Murphy: Schlachtschiffe sind das einzig Wahre

Alles, was schiefgehen kann, wird garantiert schiefgehen

Schlachtschiffe sind das einzig Wahre

Von Edward A. Murphy

Es gibt nur eines, was wirklich zählt in der Welt. Und das sind Schlachtschiffe. Gemeint sind nicht mehr die realen Dinger, die Bismarcks, Tirpitz, Dreadnoughts, Auroras, Yamatos und Missouris. Die sind ja leider alle untergegangen, weg, verschwunden, torpediert, versenkt, verschrottet, im besten Fall noch Museum. Aber früher, da waren sie mal was. Da hatte man Angst vor ihnen. Wer da oben stand, auf der Admiralsbrücke, der war was.

Es gab auch noch eine separate Kapitänsbrücke – zur Wahrung der Befehlskaskade. Da hauchte man als Admiral mal «Volle Kraft voraus.» ins Sprachrohr Richtung Kapitänsbrücke. Von dort bellten sie weiter zum Maschinenraum und schon rauschte das Ding mit grosser Bugwelle davon. Man hörte durchs Rohr gerade noch, wie auf dem ganzen Schiff die Hacken zusammenknallen. Dan nahm man als Admiral das andere Sprachrohr und hauchte: «Ziel auf Mittag, drei Grad» in die Befehlskaskade und augenblicklich begannen sich die Geschütztürme zu drehen, hoben sich die Rohre der Schiffsartillerie, alles synchron wie im Ballett. Dann genoss man den Moment für ein paar Augenblicke und säuselte dann in alle Rohre: «Danke Jungs, das war ein Test, ihr beherrscht das perfekt».

Das Mass der Verantwortung

Und in den Geschütztürmen und Maschinenräumen fluchten sie «Blöder W…er, wie wenn wir das nicht schon hundert Mal gemacht hätten!». Aber er hat das noch weitere hundert Male gemacht. Weil er es konnte, weil er es durfte, und weil es so schön war. Nur zu dumm, dass es keine Schlachtschiffe mehr gibt.

Deshalb kommen die CEOs und Staatenlenker dieser Welt nicht drum herum, sich eigene Schlachtschiffe zu bauen. Denn CEOs gibt’s viele. Jeder der ein Büro mit zwei Tischen finanzieren kann, nennt sich so. Damit holt man keinen Headhunter mehr aus der Beiz. Aber vor Schlachtschiffen, da fallen sie vor Ehrfurcht in Ohnmacht. Das allein schon zeigt die Grösse der Kostenstellenverantwortung.

Die heutigen Schlachtschiffe bestehen deshalb aus Beton und Glas, haben Parks und Wasseranstoss, jedenfalls die Standardschlachtschiffe. Schliesslich will man als CEO etwas hinterlassen, was einem überdauert. Denn wer wird sich in zwei Jahren noch an Quartalszahlen, animierte Powerpoint-Präsentationen und zweifelhafte Merger und Acquisitions erinnern? Niemand. Aber so ein Headquarter, das ist es. Und damit es nicht ganz so militärisch klingt nenn man das Schlachtschiff «Campus» oder «Think Space».

Pech ist, wenn man als Nachfolger eines Nachfolgers schon ein Schlachtschiff erbt. Aber dann kann man mit Verweis auf bessere Verkehrsanbindung und Entfaltungsmöglichkeiten den Aktionären das neue Schlachtschiff noch immer als Investition in die Zukunft verkaufen.

Silicon-Valley-Schlachtschiffe

Es gibt verschiedene Formen von Schlachtschiffen. Bei Politikern sind es eher Staudämme, Kraftwerke, Eisenbahntunnels oder wenigstens Mehrzweckhallen. Bei Firmen tun es auch Dienst-Bentleys, Helikopter, Corporate Jets, Ausbildungszentren in den Alpen oder am Meer, Weingüter, Kunstsammlungen. Das wird beschafft, wenn das andere schon da ist und wenn die Phantasie fehlt. Die fehlt im Silicon Valley nicht. Deshalb ist die neuste Schlachtschiff-Idee dort ein «Hyperloop» für die Mitarbeiter, eine hyperschnelle U-Bahn für den Arbeitsweg – ein Schlachtschiff, mit dem die Matrosen schneller zu den Schlachtschiffen rudern können. Und das will eine Stadt, wo die Matrosen praktisch ausschliesslich mobile Geräte und entsprechende Programme erfinden, damit sie eben genau nicht rudern müssen.

Theoretisch natürlich rudern sie nicht. Praktisch nimmt der Admiral immer gegen Mittag die Parade der Truppe ab, in der Kantine, wo er dann «wie ein ganz normaler Mitarbeiter» zu speisen pflegt. Und ein Schlachtschiff ohne Besatzung geht nicht. Das wäre ja geradezu deprimierend. Vielleicht sollte man all den Admiralen mal ins Ohr flüstern: «Schlachtschiffe sind im Fall veraltet.»

Edward Aloysius Murphy (1918-1990) war Luftfahrtingenieur in den USA. Er gilt als der Entdecker von «Murphys Gesetz».

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