„Nehmen Sie immer eine Nummer größer, Sie werden schon reinwachsen“

Die Vorstandsgremien der DAX-Unternehmen sind in den vergangenen Jahren etwas weiblicher geworden – trotzdem werden gerade einmal rund 13 Prozent der Vorstandsposten von Frauen besetzt. Die Top-Etagen sind also immer noch überwiegend eine Männerdomäne. Auch deshalb werde ich beruflich und privat oft gefragt, wie ich es in den Vorstand eines börsennotierten Unternehmens geschafft habe. Meine Antwort: Dafür gibt es keinen Masterplan. Und ganz ehrlich: Nach meinem Germanistik- und Philosophie-Studium habe ich mir keinen detaillierten Plan zurechtgelegt, wie ich eines Tages in den Vorstand eines erfolgreichen Medienkonzerns aufsteige. Auf meinem Weg habe ich einige Erfahrungen gesammelt, die ich mit Ihnen teilen möchte.

Ich bekam meine erste Führungsposition mit Anfang 30. Für mich kam das damals recht überraschend und ich war immer dankbar, dass ich schon früh Verantwortung übernehmen durfte. Dabei habe ich die Erfahrung gemacht, dass ein permanentes „gefordert sein“ anspornt, über sich hinauszuwachsen und Höchstleistungen zu bringen. Deshalb meine Empfehlung: Nehmen Sie immer eine Nummer größer. Sie werden schon reinwachsen.

Sprechen Sie Probleme früh, mutig und klar an. Das war mein erstes Learning in meiner neuen Rolle als junge Geschäftsführerin: Man muss manchmal allen Mut zusammennehmen und den Stier bei den Hörnern packen. Warten Sie nicht ab und hoffen, dass sich Probleme von allein erledigen – denn das tun sie nur selten. Es wird meistens eher schwieriger.

Ich halte nichts davon, immer nur einen strikten Karriereplan durchzuziehen und nie nach links oder rechts zu schauen. Oder sich nie zu trauen, auch mal etwas anderes auszuprobieren. Der vermeintliche Schritt zur Seite ist häufig der entscheidende Schritt nach vorn. Große, einschneidende Veränderungen sind für eine Karriere enorm wichtig. Veränderung kann zum Beispiel heißen, dass man komplett die Richtung wechselt – und dafür einfach mal ins kalte Wasser springt.

Mein Führungscredo: Umgeben Sie sich mit den richtigen Menschen. Diversity ist DER Erfolgsfaktor.

Ich lege bei meinen Teams immer Wert auf unterschiedliche Qualifikationen: Ein Kollege ist beispielsweise wahnsinnig kreativ, ein anderer sehr gut im analytischen Denken und ein dritter ein absoluter Spezialist beim Thema neue Technologien? Perfekt! Es ist wichtig, dass Sie Menschen mit unterschiedlichen Stärken zusammenbringen. Für mich gilt das Motto: „Vielfalt als Erfolgsformel“. Dinge aus unterschiedlichen Perspektiven zu betrachten, bringt die besten Ergebnisse. Daher bin ich auch ein großer Fan von interdisziplinär zusammengesetzten Projektteams.

Vertrauen Sie Ihren Mitarbeitern: maximale Freiheit bei glasklaren Zielen. Neben Vielfalt als Erfolgsformel versuche ich immer, meinen Mitarbeitern ein Maximum an Freiheit und Eigenständigkeit zu gewähren. Dabei muss ich aber gleichzeitig die Erwartungen an sie klar formuliert haben. Das ist für mich die Grundlage für Innovation und Kreativität. Zwei Eigenschaften, die gerade in meinem dynamischen Umfeld enorm wichtig sind.

Verlieren Sie nicht den Kontakt zur Basis – und Ihr Ohr in die Organisation. Bei einem Job in der ersten Reihe sind Korrektive wichtiger denn je. Im privaten Umfeld, aber vor allem auch unter Ihren Mitarbeitern. Damit meine ich nicht ausschließlich Ihre engsten Vertrauten, sondern auch langjährige Wegbegleiter aus den unterschiedlichsten Hierarchiestufen. Solche „Augen und Ohren“ helfen Ihnen, die Dynamik des Unternehmens im Blick zu behalten. Pflegen Sie deshalb weiterhin Ihr gewachsenes Netzwerk. Verlassen Sie sich nicht allein auf eine „Open Door Policy“, sondern gehen Sie selber aktiv auf Kollegen zu.

Vertrauen Sie Ihrem Instinkt. Und bleiben Sie Frau ... wir wollen nicht die besseren Männer sein.