Netflix: Noch ein Sargnagel fürs lineare Fernsehen
Der führende Streamingdienst testet interaktive Serien. Das dürfte Fernsehmachern noch mehr kalten Schweiss auf die Stirn treiben.
Netflix hat den Startschuss für interaktive Inhalte gegeben. "Puss in Book: Trapped in an Epic Tale" und "Buddy Thunderstruck: The Maybe Pile" machen den Anfang: In den Serien kann der Zuschauer entscheiden, wie es weitergeht. So kann man beispielsweise per Fernbedienung auswählen, ob der Kater gegen den Bären kämpft oder mit ihm Freundschaft schliesst. Es gibt tausende Kombinationsmöglichkeiten für jede Story.
Der mit 100 Millionen Nutzern führende Videostreaminganbieter hat gefährliche Usability-Klippen elegant umschifft. So wird man etwa eingangs darauf hingewiesen, dass es Storytelling-Entscheidungen zu treffen gilt. Und wer vor- oder zurückspult, landet an Entscheidungspunkten.
Nichts Neues
Warum man sich für Kinderinhalte zum Start entschieden hat, liess Netflix offen. Es dürfte damit zu tun haben, dass diese nicht so schnelllebig sind wie Erwachsnenenfilme und -serien. Zudem war das Ganze für Cartoons sicherlich günstiger umzusetzen. Mit zwei Serien hält Netflix den Test wohl bewusst klein. Neu ist die Idee natürlich nicht.
In jedem Fall ist das Ganze nicht nur ein weiteres Abgrenzungsmerkmal zum, sondern auch ein weiterer Sargnagel für das lineare Fernsehen. Denn es ist davon auszugehen, dass es solche Experiment auch mit Inhalten für ältere Zielgruppen geben wird. Insofern wirkt es fast realitätsfremd, wenn einem Kabelanbieter wie UPC noch erzählen möchten, dass Kinder Filme und Serien am liebsten im linearen Fernsehen schauen. Jeder, der Kinder (im Bekanntenkreis) hat, wird schon Szenen wie diese erlebt haben: Wenn im Fernsehen nicht unmittelbar die nächste Folge einer Serie kommt, schreit der Nachwuchs Zeter und Mordio, da ihm dieses Manko des linearen Fernsehens einfach nicht mehr zu vermitteln ist.
Nicht gratis, aber ohne Werbung
Als Konsequenz dürften viele genervte Eltern ein Netflix-Abonnement gelöst haben – das im Gegensatz zu YouTube zwar nicht gratis, dafür aber werbefrei ist. Apropos: Die jüngsten Tracking-Neuerungen von Google und Facebook dürften das Werbegeschäft für lineare TV-Anbieter nicht leichter machen. Auch diese Entwicklung, wie sie die GfK in folgender Grafik für Grossbritannien zusammengefasst hat, dürfte sich also beschleunigen:
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Disclaimer: Der Autor schreibt hier seine persönliche Meinung, nicht zwangsläufig die des Unternehmens, für das er hauptberuflich arbeitet.