„One Health“: Gemeinsam für die Gesundheit

„One Health“: Gemeinsam für die Gesundheit

Schon mal etwas von Schistosomiasis (auch Bilharziose genannt), Onchozerkose (Flussblindheit) oder der Afrikanischen Trypanosomiasis (Schlafkrankheit) gehört? Das sind drei der zwanzig von der WHO gelisteten sogenannten vernachlässigten Krankheiten an denen weit mehr als eine Milliarde Menschen leiden. Die meisten dieser Erkrankungen sind in den wohlhabenden Industrieländern kaum bekannt, denn es sind armutsassoziiert und betreffen vor allem die Menschen in Entwicklungs- und Schwellenländer. Daher haben sie in den vergangenen Jahren in unseren Breitengraden viel zu wenig Beachtung gefunden. Warum es wichtig ist, dass sich dies ändert und warum Zoonosen, Würmer und Co eine neue Gefahr für unsere Gesundheit werden könnten – darüber durfte ich mich in dieser Woche mit Experten aus Gesundheit, Politik und Wissenschaft bei einer Veranstaltung der Initiative Gesundheitsindustrie Hessen (#IGH) austauschen.

Die Corona-Pandemie hat uns eines gezeigt: Wir leben in einer Welt. Alle Kontinente der Erde sind von COVID-19 betroffen und kein Land wird es schaffen, das Virus für sich alleine unter Kontrolle zu bekommen. Der Kampf gegen Corona wird nur global erfolgreich sein. Genauso ganzheitlich und systemisch müssen wir in Zukunft das übergreifende Thema Gesundheit angehen. Wir dürfen die menschliche Gesundheit nicht mehr getrennt von den anderen großen Herausforderungen unserer Zeit betrachten. Humanmedizin, Tiermedizin, Klimawandel und Umweltschutz, Lebensmittelsicherheit, internationaler Handel, aber auch soziale Aspekte wie etwa die Migration – bislang befasst man sich mit diesen Fragestellungen noch viel zu sehr innerhalb der eigenen Disziplin. Um uns den aktuellen Herausforderungen für die Gesundheit der Menschen weltweit erfolgreich zu stellen, müssen wir raus aus einer Silowissenschaft und hin zu noch stärkerer interdisziplinärer Vernetzung. Eben das ist auch der Gedanke des „One Health“-Ansatzes der WHO, den ich für extrem wichtig halte. Nur ein integrativer, systemischer Ansatz wird der Komplexität unserer Welt gerecht.

Alles ist miteinander verbunden

Wir müssen uns klar machen: Letztlich ist alles miteinander verbunden – der Mensch, das Tier, unser gesamtes Ökosystem. Gerät nur ein Teil davon aus dem Gleichgewicht, hat das fatale Folgen für alle anderen. Ein wichtiges Stichwort in diesem Zusammenhang ist die Biodiversität, also die Artenvielfalt. Der Klimawandel und das Eindringen des Menschen in unberührte Lebensräume sind für das zunehmende und irreversible Artensterben verantwortlich. Damit erhöht sich auch die Gefahr der Übertragung von Infektionskrankheiten vom Tier auf den Menschen – die sogenannten Zoonosen – drastisch. Im immer engeren Kontakt des Menschen zu Tieren und Viren bisher unberührter Gebiete können Krankheitserreger leichter auf den Menschen überspringen. Nebenbei gesagt ist der Rückgang der Biodiversität auch ein Verlust für die medizinische Forschung: Denn die Vielfalt der Naturstoffe hat für die Entwicklung und den Einsatz von Medikamenten enormes Potenzial.

Dass Zoonosen uns weiterhin begleiten werden und eine große Herausforderung für die menschliche Gesundheit sind, belegen die folgenden Fakten:

·  60% aller Infektionskrankheiten beim Menschen kommen vom Tier

·  75% aller neu auftretenden Infektionskrankheiten für Menschen sind tierischen Ursprungs

·  jedes Jahr werden fünf neue menschliche Krankheiten entdeckt, drei davon werden über Tiere übertragen

Viele dieser neuen Krankheiten haben leider auch zumindest das Potenzial, eine Pandemie oder Epidemie hervorzurufen.

Wissen vernetzen, Stärken optimal verbinden

Was also können und müssen wir tun? Die Forschung ist eine gute Vorsorge für mögliche Krisen, die wir heute noch gar nicht kennen. Indem wir schon heute evaluieren, welche potenziellen Erreger womöglich auf uns zukommen und Frühwarnsysteme etablieren, können wir im Notfall frühzeitig gegensteuern. Dafür brauchen wir jedoch globale Netzwerke aus allen relevanten wissenschaftlichen Disziplinen sowie eine enge Zusammenarbeit aller Beteiligten im Sinne des „One Health“-Ansatzes. Informationen zu teilen wird immer wichtiger, zumal auch die Forschung und Wissenschaft zunehmend datengetriebener und digitaler werden. Insbesondere die frühe Verknüpfung von akademischer Wissenschaft und Industrie ist entscheidend. Nur so lassen sich die Stärken beider Seiten optimal verbinden: Während etwa die Hochschulen und Organisationen wie das #LOEWE-Zentrum #DRUID oder Senckenberg in der Grundlagenforschung stark sind, braucht es die Pharmaindustrie, um wissenschaftliche Ideen schließlich auch in Arzneimittel zu übersetzen.

Und natürlich ist auch die Politik gefragt, insbesondere bei den vernachlässigten Krankheiten wird dies deutlich: Die Entwicklung von Arzneimitteln erfordert nicht zuletzt Investitionen. Diese kann die Pharmaindustrie nicht allein stemmen. Wir bei Sanofi sind bereit, eine gesellschaftliche Verantwortung mitzutragen und bringen gerne unsere Kompetenzen ein. Damit Medikamente und Therapien für armutsassoziierte Tropenkrankheiten entwickelt werden können, braucht es jedoch die vereinten Kräfte von Wissenschaft, Big Pharma, NGOs und Politik. Einige Initiativen, wie etwa die erste Challenge der Bundesagentur für Sprunginnovation (SPRIND) zur Bekämpfung von viralen Infektionen, sind gute Beispiele, wie diese notwendige Vernetzung realisierbar ist. Auch Corona hat uns letztlich gezeigt, wie schnell und schlagkräftig wir sein können, wenn wir unsere Energien und unser Wissen bündeln. Für die großen gesundheitlichen Herausforderungen der Zukunft ist dies der einzig richtige Weg. 

Borris Haupt,PhD

New discoveries beyond borders

3 Jahre

Ich stimme dem gesagten absolut zu. Aber sind die derzeitigen globalen Konzerne mit primären Interesse am shareholder value geeignet hier eine Lösung zu finden? Wir können wir als wissenschaftliche Gemeinschaft eine Lösung finden für „vernachlässigte“ Krankheiten? Ich fände es sinnvoll lokale gesundheitsanbieter aktiver einzubinden als es aus Europa und USA zu organisieren. Regionalität spielt auch hier eine Rolle

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