Online Teaching – eine Zwischenbilanz

Online Teaching – eine Zwischenbilanz

Die erste Hälfte des Semesters an der Universität liegt schon bereits wieder hinter uns. Ein idealer Moment, um die vergangenen Wochen Revue passieren zu lassen und eine kurze Zwischenbilanz zu ziehen. Für mich haben sich in den letzten Wochen folgende Erkenntnisse als zentral herauskristallisiert:

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  1. Ich fühle mich geehrt in solchen Zeiten, in denen die meisten von uns maximal die eigene Familie oder die Arbeitskollegen (virtuell) sehen, mit einer so internationalen Gruppe von Menschen arbeiten zu dürfen. Allein der Austausch darüber, wie die Studierenden mit der Corona-Situation in Indien, Portugal, Ungarn, Frankreich, Österreich, Spanien, Schweden oder China umgehen, war sehr bereichernd. Gerade zu Beginn einer Online-Session würde ich darum empfehlen, wenn immer möglich einen emotionalen und persönlichen Austausch der Teilnehmenden zu ermöglichen.
  2. Teilnehmende in Gruppenarbeiten zu schicken funktioniert viel schneller und effektiver als in der realen Welt. Die Rüstzeiten sind nahezu null. Ein Knopfdruck und schon verabschieden sich 47 Teilnehmende in zugeordnete virtuelle Gruppenräume und arbeiten an einer Fragestellung. Kein mühsames Suchen des Gruppenraumes, kein Warten auf die Teilnehmenden, die nach der Session im Plenum doch nochmal schnell auf die Toilette gegangen sind, keine ungleichen Start- und Endzeiten der jeweiligen Gruppen. Nein … alles synchron und auf Knopfdruck on und off. 
  3. Es ist viel einfacher, hochwertige Guestspeaker aus der ganzen Welt für eine Speech vor den Studierenden zu gewinnen. Was im Präsenzstudium mit mindestens einer Tagesreise verbunden gewesen wäre, geht jetzt ohne jegliche Reisekosten und Transferzeit sofort und direkt aus dem Büro des CEOs. So hatten wir am Freitag das Vergnügen, 45 Minuten mit Thomas Sedran, dem CEO von VW Nutzfahrzeuge, über «Leadership in Times of Crisis» zu sprechen. 
  4. Professoren wie Studierende müssen schneller auf den Punkt kommen. Das fällt insbesondere Professoren nicht so leicht. 😉 Aber es hilft nichts … die Aufmerksamkeitsspanne ist online viel kürzer – die Herleitung, Ausschmückung und Doppelung muss darum entfallen, wenn man sein Publikum nicht verlieren will. Darum versuche ich mir immer die Frage zu stellen: Was ist der Kern? Was willst du, dass die Studierenden am Ende wirklich behalten? Was macht den Unterschied zu dem, was sie sowieso schon wissen? Das zwingt mich zu fokussieren und reduzieren. Ansonsten stellt sich die Frage: „Where‘s the power and what‘s the point? – Powerpoint.“ 😉
  5. Am meisten beeindruckt hat mich aber die neu entdeckte Fähigkeit des Zuhörens. Meetings in der realen Welt habe ich häufig so erlebt, dass die Teilnehmenden entweder gar nicht zuhören, zuhören mit der Absicht selbst zu sprechen oder zuhören, um zu widersprechen. In dieser CEMS-Masterclass habe ich etwas erlebt, was ich am Campus selten erlebe. Ich hatte das Gefühl, dass man sich zuhört, dass man sich aussprechen lässt und empathisch auf die jeweiligen Argumente eingeht. Häufig kommen aus dem parallellaufenden Chat sogar Hinweise und Unterstützung für eine noch bessere Session. Beispielsweise wird, um sich nicht gegenseitig ins Wort zu fallen, proaktiv unter den Studierenden eine Reihenfolge für die Abfolge der Fragen an den CEO erstellt.   

Zusammengefasst eine tolle Erfahrung – nur eines fehlt: Die Studierenden in Person zu erleben und die Energie im Raum zu spüren. Man kann es erahnen und man freut sich, wenn Teilnehmende bei einer Aussage die Daumen nach oben machen oder man am Bildschirm hin und wieder ein Lächeln im Gesicht der Teilnehmenden entdeckt – aber es sind immer nur Fragmente der Wirklichkeit. Nicht zu vergleichen mit dem gemeinsamen Lachen in einem Raum voller lernwilliger Studierenden, nicht zu vergleichen mit dem Applaus nach einer intensiven Session oder einer Gruppenpräsentation, und nicht zu vergleichen mit den Momenten, bei denen man eine Stecknadel fallen hört, wenn Teilnehmende sehr persönliche Einsichten mit der ganzen Gruppe teilen. 

In der Hoffnung, dass wir bald das Beste aus beiden Welten erleben werden, verbleibe ich herzlichst 

Euer Wolfgang

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Axel Schäfer

Digital customer experience strategist

4 Jahre

Tolle Einsichten. Kann ich bestätigen. Für die Organisation der Fragen kann ich in grossen Runden Tools wie slido empfehlen — Fragen können von Personen jeweils eingestellt werden, andere Personen können diese dann hoch-voten. Dadurch kann man die für die Gruppe relevanten Fragen am Anfang beantworten. 

Diese Erkenntnisse kann ich bestätigen und ich bin froh, dass diese Form der Collaboration und des Lernen nun auch noch der Lehrstuhl für sich entdeckt, nachdem die Privatwirtschaft schon seit Jahren diese Technologie nutzt, um internationale Grossprojekte gebacken zu kriegen. Es wäre schön, wenn endlich auch mal die Erkenntnis reifen würde, dass Hochschulen leider nicht state of the art sind und - obwohl sie von Staat Gelder bekommen um die Zukunft zu denken - oft die letzten sind, die überhaupt nur mal schon in der Gegenwart ankommen :-)

F. Andres Bayertz

Digital 🤜🌟🤛 Visual

4 Jahre

Wirklich ein sehr schöner Artikel. Es liest sich besonders wie ein Lob an die Möglichkeiten durch Videokonferenzen. Besonders umwerfend finde ich die hinzukommenden Möglichkeiten der Co-Kreation, Visualisierung und Dokumentation von virtuellen Veranstaltungen. Wenn Sie das auch interessiert, können wir uns gerne dazu austauschen!

Martin Penz

We are your partner for implementation - with a strong focus on strategy, transformation and organizational design.

4 Jahre

Toller Beitrag 👏

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