Pflegeheime als moderne Ubasute in Corona-Zeiten?

Pflegeheime als moderne Ubasute in Corona-Zeiten?

Als Ubasute ( 姥捨て, wörtl. „Eine alte Frau zurücklassen“), auch Obasute oder Oyasute (親捨, dt. wörtl. „Ein Elternteil zurücklassen“), wird eine angebliche japanische Tradition bezeichnet, welche im späten 19 Jahrhundert praktiziert worden sein soll. In dieser Zeit sollen verarmte Familien pflegebedürftige Senioren in besonders dichten Wäldern und/oder schwer zugänglichen Bergregionen ausgesetzt und zum Sterben zurückgelassen haben. Zugegeben, dass diese Praxis jemals wirklich existiert hat, ist weder historisch noch archäologisch nachgewiesen.

Alt werden und gesund bleiben, dass will jeder. Dieser Artikel beleuchtet einem Blitzlicht gleich das Thema Pflege und bringt wenigstens für ein kurzen Moment Licht in das Dunkle. Mit diesem Thema beschäftigen wir uns sehr ungern und das gilt nicht nur für unter 20jährige, sondern auch für sehr viel älteren Menschen. Zum Beispiel auch für die über 60jährigrn, obwohl die sehr viel näher an der Pflegebedürftigkeit sind als ich. Und Alter, Gebrechlichkeit und Pflege ist ein solches Thema welches wir auf Teufel komm raus verdrängen. Oftmals bis es zu spät ist und man selbst, oft entmündigt, in einer drittklassigen Pflegeeinrichtung landet. 

Übrigens ist der umgangssprachliche gebräuchlichere Begriff „Pflegeheim“ in der Politik tabu. Zu sehr erinnert der an Heim und Waisenhäuser. Aber ist es das nicht ganz oft? Ein Heim für alleingelassene, verwaiste Alten, ein modernes „Obasute“? Oma und Opa: Abgeschoben, vergessen, nicht mehr gewollt. Sie haben einen Fahrrad fahren beigebracht, aber nun können wir alleine fahren.

Ist genau genommen Pflegeeinrichtung nicht ein Euphemisms, genauso wie wir nicht mehr von Toten sprechen, sondern von „Collateral Schaden?“ Zahlreiche Corona-Covid-Tote in Pflegeeinrichtungen, hereingetragen durch Pflegepersonal und Besucher. Collateral Schaden, (ungewolltes) Schaffen von Pflegeplätzen, die wir so dringend benötigen? Einige lauter werdende Stimmen sagen genau das. 

Der Pflegenotstand ist in aller Munde, es gibt keine ausreichend verfügbaren qualifizierten Pfleger. Man versucht derzeit speziell aus den katholisch geprägten Ausland Pfleger nach Deutschland zu locken, die in der Regel wegen schlechter Arbeitsbedingungen nach 3 Monaten fluchtartig Deutschland verlassen. Vor kurzem traf dies die spanischen Pfleger. Also was nun tun? Zurück zum Altenteil, also der Teil des bäuerlichen Erbe, dass dem Alten blieb damit er Zuhause von Sohn und Schwiegertochter gepflegt wird? Einerseits gibt die Digitalisierung mit vielen Apps und Tools die Möglichkeit so lange unabhängig zu Hause zu leben, wie es vor 5 Jahren noch nicht möglich war. Andererseits ist die Bereitschaft in Deutschland mit unseren doch in der Regel eher distanzierten Familienkreisen, die Eltern zu Hause zu pflegen sehr gering. Nun hat man deswegen auch die Pflicht-Pflegeversicherung eingeführt. Aber eines ist auch medizinisch ist belegt, wer keine ehrliche Zuneigung erhält, der wird schnell krank und die Pflegebedürftigkeit steigt. Es ist also kein rein monetär zu lösendes Problem. 

Gernerationsübergreifende Wohngemeinschaften können hier ein Teil der Lösung sein. In Indien durfte ich, zumindest in finanziell sehr gut gestellten Familien, 3, 4 Generationen unter einem Dach erleben. Hier ist die Pflege der Eltern moralisch, kulturell so gelöst: Der älteste Sohn kümmert sich um die Eltern im Alter. Die Tochter unterstützt die Pflege ihrer Schwiegereltern. 

Eine Zauberlösung für das Thema kenne ich auch nicht, aber wir müssen uns darum kümmern. Nicht morgen, sondern heute. Den Pflegefall kann jeder werden, jederzeit. 

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