pfp advisory: "Was 20.000 Punkte im DAX bedeuten und was nicht"

pfp advisory: "Was 20.000 Punkte im DAX bedeuten und was nicht"

Fondsmanager Roger Peeters erinnert angesichts der Kursrekorde weniger deutscher Bluechips daran, dass der DAX nicht die deutsche Wirtschaft abbildet. Und fragt sich, was es braucht für eine breitflächige Erholung der hiesigen Aktienbewertungen, damit aus dem Standortmalus eine günstige Einstiegschance wird.


9.  Dezember 2024. FRANKFURT (pfp Adisory). Man sollte meinen, dass es sich mittlerweile herumgesprochen hat, dass nach Jahrzehnten der Globalisierung von Wirtschaft und der Kapitalmärkte „Deutschland“ und der „Deutsche Aktienindex“ eben nicht gleichzusetzen sind. Es gab aber doch einen Schwung von etwas befremdlichen Reaktionen und Interpretationen etwa in den sozialen Netzwerken zum Erreichen des Meilensteins von 20.000 Punkten beim DAX, die zeigten, dass doch viel gleichgesetzt wird. Einige feierten dies doch tatsächlich als Beweis für eine erfolgreiche Standortpolitik, während ich im Radio im begleitenden Beitrag Aussagen wie „die deutsche Wirtschaft läuft auf Hochtouren“ hörte, so dass ich dieses Thema hier doch noch einmal aufmache.

In Kurzform: Im DAX sind die 40 am größten kapitalisierten Unternehmen der Nation enthalten, in der Regel multinationale Konzerne. Der aggregierte Umsatzanteil von Deutschland beläuft sich auf grob 15 Prozent, der Hebel auf das Ergebnis ist mutmaßlich noch geringer. Wenn ein im DAX enthaltener Industriekonzern aus Kostengründen eine deutsche Fabrik ins Ausland verlegt, wie man es dieser Tage oft sieht, dann kann dies für den Konzern von Vorteil sein. Für den Standort wiederum ist es nachteilig. Zudem sollte in der Diskussion nicht vergessen werden, dass die Korrelation zwischen Preisveränderungen an der Börse und fundamentaler Entwicklung gerade kurzfristig überschaubar ist. Konkret beim DAX war der bisherige Zugewinn im Jahr 2024 mehr oder weniger komplett eben nicht auf Gewinnsteigerung, sondern auf ausgeweitete Gewinnmultiples zurückzuführen.

Aber es gibt auch Segmente auf dem Parkett, in denen die Standortdiskussion zumindest in Teilen fundierter zum Tragen kommt. Zumindest ist es konsistent, dass der MDAX, bei dem die enthaltenen Unternehmen tatsächlich einen höheren Anteil „deutscher Umsätze“ aufweisen, dem „großen Bruder“ deutlich hinterherhinkt, gleichermaßen der SDAX. Es kann aber auch eine Scheinkausalität sein, hinken doch Small- und Midcaps den großen Konzernen in fast allen Kapitalmärkten seit nunmehr gut drei Jahren deutlich hinterher. 

Spannend ist hier sicher die Frage, wann sich diese Unwucht wieder ausgleicht, in Amerika etwa gibt es erste Anzeichen eines Aufholens der Nebenwerte, ohne dass man schon von einem klaren Trend sprechen kann. Gleichwohl ist dieses Phänomen der „negativen Smallcap-Prämie“ eine Anomalie und es gibt gute Gründe anzunehmen, dass diese nicht von Dauer sein wird. Wann genau eine Wende einsetzt, weiß natürlich niemand.

Ebenso weiß niemand, wann sich die Abwärtsspirale beim Standort Deutschland lösen wird. Immerhin bietet die anstehende Bundestagswahl im Jahr 2025 einen möglichen Fixpunkt. Schließlich lassen sich ganz wesentliche Teile der verschlechterten Rahmenbedingungen für deutsche Unternehmen klar an politischen Entscheidungen festmachen, die zum Glück auch umkehrbar sind. Und immerhin lässt sich feststellen, dass der Souverän (also das Volk) zumindest Umfragen zufolge die Wirtschaft(sschwäche) als wesentliches Thema ansieht, womit ein Hauch der Wende der frühen 1980er Jahre auch momentan wieder in der Luft liegt. 

Gleichwohl: Käme es zu einer „Wirtschaftswende“ mit weniger Bürokratie, geringeren Abgaben, niedrigen Energiekosten und mehr Marktwirtschaft wäre das super für den Standort. Konsistent zu den Ausführungen oben sollte man aber auch die Auswirkungen auf den Aktienmarkt nicht zu hoch hängen, denn der kleine Anteil des deutschen Geschäfts wirkt auch hier mindernd, vor allem beim DAX. Gleichwohl könnte eine spürbar andere Attitüde der Politik auch den Aktienmarkt stützen, um bei internationalen Anlegern wieder mehr Kredit zu bekommen. Hier ist schon (zu) oft zu konstatieren, dass es zumindest momentan durchaus einiges an undifferenziertem „Badwill“ für deutsche Werte gibt, wie zumindest ich es wahrnehme.

Von Roger Peeters, 9. Dezember 2024, © pfp Advisory


Roger Peeters ist geschäftsführender Gesellschafter der pfp Advisory GmbH. Gemeinsam mit seinem Partner Christoph Frank steuert der seit über 25 Jahren am deutschen Aktienmarkt aktive Experte den DWS Concept Platow (WKN DWSK62), einen 2006 aufgelegten und mehrfach ausgezeichneten Stock-Picking-Fonds, sowie den im August 2021 gestarteten pfp Advisory Aktien Mittelstand Premium (WKN A3CM1J). Weitere Infos unter www.pfp-advisory.de. Peeters ist weiterhin Mitglied des Vorstands der Deutschen Vereinigung für Finanzanalyse und Asset Management (DVFA) e.V. Roger Peeters schreibt regelmäßig für die Börse Frankfurt.

 

Hauke Petersen

Eingetragener Kaufmann

3 Tage

Eine gelungene Standortbestimmung und -beschreibung👍 Diesbezüglich "Gleichwohl ist dieses Phänomen der „negativen Smallcap-Prämie“ eine Anomalie und es gibt gute Gründe anzunehmen, dass diese nicht von Dauer sein wird. Wann genau eine Wende einsetzt, weiß natürlich niemand" bleiben wir selbstverständlich gerne (zurecht) optimistisch.

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