Pinkwashing ist schlecht... wait a minute, nicht wirklich!
Der Pride-Sommer geht zu Ende und vielerorts hängen bereits schon die ersten Plakate für die Bundestagswahl.
Die Parteien präsentieren sich in ihren jüngsten Werbespots auf unterschiedlichsten Medien und man möchte fast meinen, der Trend sich mit Regenbogenfarben zu schmücken hat bis in den Wahlkampf hinein angehalten. Selbst bei denjenigen, die in der Vergangenheit eher nicht an - sagen wir - vorderster LGBT*IQ- und Diversity-Front gekämpft haben.
Unverschämtheit, nicht wahr? Frechheit, Feigenblatt und Heuchler höre ich da einige empört rufen ...aber... wait a minute, nicht ganz so schnell! Ich glaube, da werden einige wichtige Punkte vergessen.
Keine einzige Flagge hängt von selbst
Jede(!) einzelne(!) Regenbogenflagge, egal wo sie hängt, steht, ein Logo einfärbt, was auch immer... war eine Entscheidung. Für jede einzelne davon hat eine Person einmal gekämpft und sich eingesetzt. Und ja, auch für die Regenbogenflagge im CDU Werbespot.
Ich weiß aus eigener Erfahrung, wie viel Langmut, Frustrations- und Ambiguitätstoleranz es braucht, wenn man sich für die Belange der LGBT*IQ Community einsetzt. Und eines kann ich daher ganz sicher sagen: Keine einzige Flagge hängt von selbst.
Diejenigen Firmen und Organisation, die sich nicht mit dem Thema beschäftigen, positionieren sich nämlich überhaupt nicht und ignorieren die Pride-Season (und ich behaupte auch die Belange der LGBT*IQ Community) einfach komplett. Sei es innerhalb als auch außerhalb der eigenen Beleg-/Mitgliedschaft. Das ist die bequemste Variante, die man wählen kann.
Empfohlen von LinkedIn
Jede Firma und Organisation hingegen, die sich - in welcher Art auch immer - auf LGBT*IQ Themen und Diversity bezieht, ist bereits einen Schritt weiter; hat die Zeichen der Zeit (Politik & Gesellschaft) und das Potential (Umsatz & Zielgruppen) verstanden.
Wer eine Regenbogenflagge hisst, setzt ein (erstes) Zeichen, setzt einen Referenzpunkt und zeigt Bereitschaft, sich daran in Zukunft messen zu lassen. Das passiert nämlich als Folge darauf; die Menschen schauen da hin.
Wer vermeintliches Pinkwashing vorschnell anklagt, tut unrecht.
Einerseits gegenüber der (Graswurzel-) Arbeit, die so oft im Hintergrund von einzelnen engagierten Menschen geleistet wird und auf der alle Ergebnisse, die ich in meinem Umfeld sehe (übrigens auch in den großen Konzernen) aufbauen. Große, traditionelle Systeme verändern sich nur langsam. Es ist eine tolle Leistung, wenn man hier im kleinen erste Brüche in veralteten Strukturen und ein Um- und Neudenken bewirken kann.
Andererseits gegenüber den Unternehmen und Organisationen, die erste, vielleicht zaghafte und verkrampfte Schritte wagen. Ja, die machen bestimmt auch noch Fehler und sind nicht überall konsequent, aber sie tun etwas, machen sich "angreifbar". Sie sind bereit sich diesbezüglich ansprechen und hinterfragen zu lassen.
Und ja, ich finde es nicht schlimm, wenn ich im Juni an allen Ecken Schaufenster voller Regenbogen-Merchandise sehe. Ja, damit machen Konzerne Gewinne; das ist by the way legitimes Bestreben sehr sehr vieler Unternehmen. Aber es erinnert mich auch daran, in welcher Freiheit und privilegierten Gesellschaft wir leben; was für ein großes Glück ich in meinem Leben habe. Diese Produkte und der Regenbogen sind öffentlich ausgestellt. Ich kann sie ohne Angst erwerben, wenn ich das möchte. Wie viele Menschen würden davon träumen?
Das was so viele allzu schnell als Pinkwashing verunglimpfen, ist vielmehr ein Anfang und genau darauf kommt es an: überhaupt erst loszugehen auf die Reise.
Ambassador Audi Software Development Center - Diversity Enthusiast - Mentor
3 JahreLiebe Claudia, danke für den Gedanken-Anstoß zu diesem Thema. Wie wunderbar, dass einige Menschen den Ball aufgenommen haben und hier mit weiteren Aspekten differenzieren und ergänzen. Pinkwashing ist für mich eine Unausgewogenheit zwischen "Taten und Worten" - werden nach Außen Signale wie Regenbogenflagen & Co von Unternehmen gezeigt, aber keine Mitarbeitendennetzwerke gefördert oder bewußt bei Mitarbeitendenentwicklungen gegen unconscious biases gearbeitet, so werden diese Signale zahnlose Tiger. Daher tut es gut, dass mittlerweile mehrere Stiftungen und Organisationen auch hinter die Kulissen der Arbeitgeber*innen blicken und auf Basis unterschiedlicher Kriterien eine Bewertung vornehmen. So müssen Worten auch Taten folgen - und ein Trend ist über die Zeit leicht nachweisbar.
Education@Telekom
3 Jahre17.5.2021: "Am Internationalen Tag gegen Homophobie hängt die Regenbogenfahne auch vor dem Konrad-Adenauer-Haus in Berlin - für die CDU seit Jahren eine Selbstverständlichkeit. „Der Diskriminierung von Homosexuellen stellen wir uns klar entgegen“, macht CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak auf Twitter deutlich." Quelle: Website der CDU 19.5.2021: 0 von 245 Stimmen der CDU/CSU für den Antrag zur Abstimmung zur Aufhebung des Transsexuellengesetzes und Einführung des Selbstbestimmungsgesetzes und 1 von 245 Stimmen der CDU Deutschlands/CSU für den Antrag zur Geschlechtliche Selbstbestimmung im Bundestag.
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3 JahreClaudia Feiner (she/her) ein ganz klares Jein. Ich sehe deinen Punkt, dass hinter einer Pride-Kampagne oftmals ein internes Bestreben steht und somit auch positiv gewertet werden kann. Aber dann gibt es wiederum Punkte, die ich schwierig finde und bei denen es mir sauer aufstößt: Es ist schwierig, wenn z.B. eine Pride-Kampagne hergenommen wird, um zu sagen „schaut mal, wie offen und hip wir sind“ - und das war es auch schon. LGBTQ brauchen noch immer vielfältige Unterstützung: angefangen bei diskriminierungsfreien Arbeitsplätzen, Unterstützung für Netzwerkarbeit bis hin zu Spenden für unsere Organisationen. Eine Pride-Kampagne, bei der die Community nicht weiter involviert ist oder profitiert, bringt uns halt genau das: wenig bis gar nichts. Es ist schwierig, wenn Opportunismus im Spiel ist. Wenn z.B. globale Unternehmen ihre Logos in westlichen Ländern „queer-färben“ und in der weiteren Welt nicht, dann sagen sie damit aus, dass LGBTQ in diesen Ländern eben kein relevantes Thema ist und queere Rechte damit vernachlässigbar sind - obwohl Queers gerade dort besondere Unterstützung brauchen.
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3 JahreAbsolutely! Ich stimme dir liebe Claudia Feiner (she/her) voll zu. 👍
Assistant to Chief Human Resources Officer (CHRO) / TOP 1 PROUT Voices Germany 2022
3 JahreDanke für den erfrischenden Blick auf die Dinge liebe Claudia Feiner (she/her)… ich bin bei dir, jede Bewegung hat einen Anfang und frei nach Hermann Hesse: und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne! Eine Bekenntnis durch einen Regenbogen ist tatsächlich ein Privileg, welches in anderen Ländern ganz schnell an den Pranger gestellt oder gar verfolgt wird. Nichtsdestotrotz finde ich es wie Ingo Bertram sagt es wichtig sich messen zu lassen an weitergehenden Aktivitäten abseits des visiblen Regenbogens, denn every day is pride day… uns fehlt oft die Transparenz, was innerhalb der Unternehmen passiert und so ist natürlich der #pinkwashing Vorwurf schnell ausgesprochen, ich finde es viel sinnvoller, wenn wir anstatt solche Unternehmen zu ‚bashen‘ uns überlegen: wie können wir andere RoleModels solche Unternehmen unterstützen auf ihrem Weg „mehr“ zu machen als „nur“ die Flagge zu hissen. Denn nur wer bereit zu Aufbruch ist und Reise, Mag lähmender Gewöhnung sich entraffen. Deshalb plädiere ich immer wieder fürs gemeinsame Aufbrechen auf die gemeinsame Reise dahin wo wir alle hinwollen: Chancengleichheit